Herman Grimm
Das Leben Michelangelos
Herman Grimm

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II

Die Vollendung des David traf in einer Weise mit der Befreiung der Stadt von ihren drei gefährlichen Feinden zusammen, daß seine Aufstellung auch dadurch zu einem denkwürdigen Moment ward.

Die beiden ersten, die zugrunde gingen, waren die Borgia, Vater und Sohn. Cesare Borgia oder, wie er nach seiner Heirat mit einer französischen Prinzeß gemeinhin genannt wurde, der Duca Valentino stand im Jahre 1503 auf dem Gipfel seiner Macht. Die Romagna, Urbino und Piombino gehorchten ihm, Ferrara dem Gemahle seiner Schwester, Pisa, Siena und Florenz lag die Schlinge um den Hals, mit Venedig stand man in gutem Einvernehmen; Neapel war der letzte große Fang, den er zu tun hoffte. Einstweilen, im Herbste des Jahres, hatte er auf Pisa sein Auge geworfen, an dem sich Florenz noch immer fruchtlos abarbeitete.

Er verstärkte seine Truppen und schaffte mehr Geld zusammen. Vater und Sohn bedienten sich verschiedener Mittel zu diesem Endzweck. Reiche Leute, denen sich beikommen ließ, vergifteten sie und setzten sich in Besitz der Erbschaft. Das Gift, dessen sich der höchste Priester der Christenheit zu diesem Zwecke gewöhnlich bediente, war ein schneeweißes Pulver von großer Feinheit und angenehmem Geschmacke, das langsam wirkend in den Körper überging, aber sicher bis zum gewünschten Ende fortwirkte. In anderen Fällen wandte man raschere Mittel an. Am beliebtesten war der einfache Mord, der dann sogar notwendig erschien, wenn derjenige, auf den die Borgia es abgesehen, in Essen und Trinken Vorsicht anwandte. Denn man suchte sich zu schützen. Es kam vor, daß große Herren, welche von den Päpsten gefangen gesetzt wurden, beinahe verhungerten, weil sie sich die fremden Speisen anzurühren weigerten.

Der 15. August 1503 war zu einer jener stilleren Hinrichtungen bestimmt, der Kardinal von Corneto das ausersehene Opfer. Der Papst gab sich gegen Abend nach seiner dicht beim Vatikan gelegenen Villa, dem Belvedere, wo man sich von der Hitze des Tages erholen wollte. Einige Flaschen vergifteter Wein waren vom Herzoge einem der aufwartenden Diener mit der Weisung übergeben worden, nur den Kardinal und keinem anderen daraus einzuschenken.

Die Hitze war groß, der Papst fühlte sich ermattet und durstig, die Mahlzeit war noch nicht bereit, ja der Mundvorrat, den man erwartete, noch gar nicht eingetroffen. Er verlangte zu trinken; nur einige Flaschen Wein fand man vor, niemand wußte, wie gefährlich sie waren, oder die, welche es wußten, wollten sich nicht daran erinnern – er trank davon und Cesare, der dazukam, ließ sich ebenfalls verlocken. Der Papst stürzte sogleich wie tot zu Boden und wurde sterbend in den Vatikan getragen. Am dritten Morgen lag seine Leiche in Sankt Peter. Ungeheurer Jubel erfüllte die Stadt, die Römer stürzten herbei und konnten sich nicht sättigen an dem Anblick dieses Mannes, der, blau und aufgedunsen, endlich machtlos und vernichtet war wie eine Schlange. die sich mit ihrem eigenen Gifte getötet hatte.

Cesare kam davon. Er kannte Gegenmittel und war rechtzeitig damit versehen worden. Seine Riesennatur überwand den Angriff, aber jetzt im wichtigsten, entscheidendsten Momente seiner Laufbahn sah er sich krank und beinahe unfähig, seine Macht wirken zu lassen. Daß der Papst sterben müßte, hatte er vorausgewußt; die spanischen Kardinäle waren von ihm gewonnen, er wollte einen Papst machen, wie er ihn brauchen konnte. Jetzt beklagte er sein Schicksal, daß er alle Möglichkeit berechnet, nur die eine nicht, die Krankheit, die ihm die Hände fesselte.

Gewählt wurde der Kardinal Piccolomini, derselbe, für den Michelangelo in Siena zu arbeiten hatte, alt und kränklich, ein Auskunftsmittel, weil man sich noch nicht verständigen konnte. Er bestieg als Pius der Dritte den heiligen Stuhl. Während seiner Regierung vereinigten sich die Kardinäle: er wurde vergiftet und mit seltener Einstimmigkeit nun der Kardinal Vincula an seine Stelle gewählt. Mitbewerber waren die Kardinäle d'Amboise und Ascanio Sforza. Vincula trat unter dem Namen Giulio der Zweite die Regierung an. Ein alter Mann, zerfressen von Leidenschaften und von der Krankheit, die damals Europa peinigte. Man hat in einem Zuge ein Bild seines Charakters, wenn man erwägt, daß es ihm, dem unermüdlichen Todfeinde der Borgias, trotz allem Geschehenen gelang, Cesare durch Versprechungen auf seine Seite zu bringen. Nach einem solchen Meisterstücke waren die übrigen Kardinäle leichtere Arbeit. Seine Verheißungen überstiegen alles Maß und wurden doch für bar angenommen. Wer ihm nur irgend nützlich sein konnte, empfing zugesagt, was er begehrte. Sein Leben lang war Vincula als ein Mann bekannt gewesen, der das gegebene Wort hielt. Alexander Borgia sogar hatte das anerkannt. Jetzt verwertete er den so mühsam erworbenen guten Namen. Dennoch war es kein Geiz, der ihn so handeln ließ, denn was er besaß, gab er hin. Er wollte unter allen Umständen Papst werden.

Am ärgsten wurde aber dem Herzoge mitgespielt, der im Besitz der Engelsburg die Stadt beherrschte und dessen Truppen drohend in der Romagna lagen. Cesare erhielt das Versprechen, alles werde ihm erhalten bleiben; ferner, seine Tochter solle mit Maria Francesco della Rovere, dem Neffen des Papstes, verheiratet werden; zum Schluß, er solle, wozu ihn sein Vater gemacht, Generalkapitän des päpstlichen Heeres bleiben. Giulio nahm ihn zu sich in den Vatikan; sie wohnten da zusammen; in der innigsten Übereinstimmung lebend, berieten sie die Zukunft. Endlich macht sich Cesare auf, um seine Staaten zu erreichen. In Ostia aber holen ihn die Leute des Papstes ein, er müsse noch einmal mit ihnen zurück. Er wittert Unrat und rettet sich vor der Gewalt auf ein spanisches Schiff, das ihn nach Neapel bringt, wo er von Gonsalvo di Cordova, dem spanischen Vizekönig, glänzend aufgenommen wird. Von dort will er sich nun in die Romagna begeben, allein als er eben das Schiff bestiegen hatte, wird er plötzlich zum Gefangenen erklärt und nach Spanien geführt, von wo er nie wieder nach Italien zurückkehrte. Wie dieses Ende der Borgias ein ihrem Leben entsprechendes war, so ist der Tod Piero dei Medicis mit dem seinigen im Einklang. Nach dem für ihn so beschämenden letzten Rückzuge aus Toskana hatte er Florenz einstweilen aufgegeben und war zur französischen Armee nach Neapel gegangen. Aber auch hier verfolgte ihn das Unglück. Die Spanier begannen gerade die Oberhand zu gewinnen. Am 28. Dezember kommt es am Garigliano zur Schlacht. Es handelte sich darum, den Fluß mit Gewalt zu überschreiten. Die Franzosen werden geschlagen, und Piero ertrinkt. In Montecassino liegt er begraben.

Den Florentinern blieb jetzt nur eine Sorge noch: Pisa war wieder zu erobern. Erlöst aber von dem Drucke der Befürchtung, die ihnen von den Borgias und Medicis erwuchs, konnten sie den Krieg mit den besten Hoffnungen auf Erfolg fortsetzen.


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