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Karl Leberecht Immermann: 1796-1840

 

Sankt Antonius

Der Kutscher:
O heiliger Antonius,
Ich hab meinen Strumpf verloren!

Ich zieh ihn sonst doch immer an,
Ich muß es heut vergessen han;
O heiliger Antonius,
Ich hab den Strumpf verloren.

Der Heilige:
Da bei der Frau geschlafen hast,
Da hast den Strumpf verloren.
Der Herr euch fast ertappt hätt,
Die Strümpfe ließest du vorm Bett;
Da bei der Frau geschlafen hast,
Da hast den Strumpf verloren.

Der Herr:
O heiliger Antonius,
Ich hab mein Geld verloren!
Noch gestern zählt ichs hin und her,
Nun ist der Beutel schlaff und leer;
O heiliger Antonius,
Ich hab das Geld verloren.

Der Heilige:
Da du zur Magd dich schlichest ein,
Da hast dein Geld verloren!
Sie hats gestohln im Schlaf dir weg,
Laß künftighin den Beutel weg,
Wenn du dich schleichst zu Dirnen ein,
Da geht er dir verloren.

Die Matrone:
O heiliger Antonius,
Ich hab mein Buch verloren!
Ich bete in der Kirche draus,
Ich find es nicht im ganzen Haus;
O heiliger Antonius,
Ich hab das Buch verloren.

Der Heilige:
Da du nach jungen Fanten sahst,
Da hast dein Buch verloren!
Du gucktest brünstig übers Pult,
Es fiel herab durch deine Schuld;
Da du nach jungen Fanten sahst,
Da ging das Buch verloren.

Die Jungfrau:
O heiliger Antonius,
Ich hab meinen Schatz verloren!
Ich sagt ihm jüngst ein herbes Wort,
Da lief er fort, da blieb er fort;
O heiliger Antonius,
Ich hab den Schatz verloren.

Der Jüngling
(aus dem Verstecke hervortretend):
Als du gesagt ein herbes Wort,
Da ist der Schatz entlaufen!
Er harrte hinterm Strauche hier,
Gab Antwort statt Sankt Antons dir;
Sprichst, Böse, du ein freundlich Wort,
Magst du ihn wieder kaufen.

Der Heilige:
Wenn einer den Verstand verlor,
Muß er ihn selber finden;
Und wenn die Maid den Kranz verlor –
Ich kann ihr keinen neuen binden.

*


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