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Giuseppe Giusti: 1809–1850

 

Die Verlobung

Vor kurzem bot nach neuestem Systeme
Ein Börsenmann die eigne Tochter aus.
Gern gibt er einem Junker, der sie nähme,
Den Raub an seiner Vetternschaft heraus.
Erlangt sein Kind nur Zutritt zu der Creme,
Flickt ihre Mitgift das verfallne Haus,
Und was am Väterchen die Leute tadeln,
Wird, wie man hofft, die noble Heirat adeln.

Die Tochter war ein kleines Ungeheuer,
Hochschultrig, ein Gesicht von schiefem Schnitt,
Nur Kinn und Nase; und ein Farbenfeuer,
Das mit dem Safran um die Palme stritt.
Doch eine Schönheit macht sie allen teuer:
Achthunderttausend Skudi bringt sie mit.
Dem Zauber widersteht ein Junker schwerlich;
Er macht die Tochter schön, den Vater ehrlich.

Der Ehrenmann braucht nicht mit der Laterne
Herumzuspähn nach einem Schwiegersohne,
In dessen Prunkgemächern die moderne
Kohlmäuserei bei aller Hoffart wohne.
Im lächelte das Glück mit günstigem Sterne,
Und vor dem Haus, drin aller Mädchen Krone
Des Freiers harrte, wimmelte die Straße
Von hochgebornen Bettlern reiner Rasse.

Von etwa Zwanzigen, die er gebucht
(Mit faulen Schulden auf demselben Blatte),
Trug endlich einer heim die goldne Frucht,
Um die er lang genug gekrochen hatte.
In seinen Adern floß ein ausgesucht
Latinerblut, so rein, daß durch die glatte,
Gepflegte Haut durchschien der edle Tropfen
Und ihn der Leibarzt fühlt im Pulse klopfen.

Geschwind ward der Verlobungstag bestimmt,
Und seines künftigen Eidams hohe Sippe
Lädt unser Geldmann, der in Wonne schwimmt,
Vollzählig ein. Nur bleibt noch eine Klippe:
Die Vetternschaft der Braut. Er aber nimmt
Die Sache leicht, schweigt oder rümpft die Lippe
Und sagt: Kommt, wenn ihr mögt. Natürlich: zwingen
Will ich euch nicht; Freiheit vor allen Dingen! –

        Ein groß Getümmel
        Ist abends erschollen
        Von Rossen und Wagen,
        Wie unter dem Himmel
        Mit Rollen und Grollen
        Gewitter sich jagen.
        Da strömen zusammen
        Neugierige Gesichter,
        Gelockt von dem Schalle,
        Bestaunend die Flammen
        Und schimmernden Lichter
        Der Hochzeitshalle.

        Zur Kette geschlossen
        Erscheint unabsehlich
        Das Heer der Karossen.
        Die Gassen unzählig

        In eingem Gedränge
        Durchflutet die Menge,
        Und zwischen dem Rufen
        Geschäftiger Lakaien,
        Wo hell an den Stufen
        Die Fackeln sich reihen,
        Gesondert betraten
        Die Vestibüle
        Die Aristokraten
        Und die Crapüle.

        Hier rümpfet das Näschen
        Die Dame vom Stande,
        Dort trippelt ein Bäschen,
        Ein Mühmchen vom Lande.
        Ein Kämmerer hüben,
        Ein höfischer feiner;
         Ein Lebküchler drüben,
        Ein bäurisch gemeiner.
        Die Braut, herausgeputzt
        Aufs allerbeste,
        Begrüßt errötend die
        Verehrten Gäste.

        Glückwünsche nähern sich
        Die holden Kleinen,
        Die aus dem Oberhaus
        Und die Gemeinen.

        Diese umarmen die
        Glückliche Muhme,
        Jene verspottet sie
        Fein durch die Blume.

        Sie muß für jeglichen
        Ein Wörtchen finden,
        Muß im Gewühle sich
        Drehen und winden.

        Aber der Bräutigam
        Lächelt gezwungen
        Zu den ironischen
        Beglückwünschungen.

        Doch wie ein Grautier
        Unter den Säcken,
        Beugt er den Ahnenstolz
        Höheren Zwecken.

        Geschnürt und aufgebläht,
        Mit hochentflammter
        Miene, genau wie ein
        Steuerbeamter,

        Steht unser Wucherer,
        Grüßt die Verwandten,
        Plaudert, ist witzig und
        Spielt den Scharmanten,

        Tauschte vor Seligkeit
        Nicht mit den Göttern. –
        Gegen die adligen
        Tanten und Vettern

        Fließt von Ergebenheit
        Über die Lippe;
        Kühler empfängt er die
        Eigene Sippe ...

        Doch jetzt – in Szene geht
        Der letzte Akt:
        Der Herr Notarius
        Liest den Kontrakt.

        Alle dem Range nach
        Zeichnen ihn stumm,
        Dann trägt die Dienerschaft
        Das Eis herum.

        Von Gold und Silberzeug
        Glänzen die Tische,
        Prunksucht und Filzigkeit
        Bunt im Gemische.

        Die Damen spotten im
        Nachhausefahren:
        »Den Etikettenzwang
        Konnte man sparen.

        Für dieses Bürgerpack,
        Wahrhaftig, hätte
        Vollkommen ausgereicht
        Die Haustoilette.«

        Und die Plebejischen,
        Schwer überladen
        Mit Tee und Zuckerwerk
        Und Limonaden,

        Müde von stundenlang
        Verhaltenen Gähnen,
        Keuchen und seufzen sie
        Zwischen den Zähnen:

        »Endlich! Ojemine!
        Nur rasch nach Haus!
        So fest geschnürt zu sein
        Hält man nicht aus.

        So was ist schauderhaft!
        Lieber in Ketten,
        Als unter Adligen
        Und in Korsetten!«

         Ganz zuletzt schied auch der junge
        Bräutigam mit verdorbnem Magen,
        Schwerem Herzen, bittrer Zunge,
        Knirschend, dieses Kreuz zu tragen,
        Und von seiner goldnen Kette
        Wundgebückt, ging er zu Bette.

(Paul Heyse)

*


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