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Matteo Maria Bojardo (Graf Scandiana). 1430-1494

Der einzige Dichter unter seinen oberitalienischen Zeitgenossen, der Bleibendes schuf, ohne sich an die florentinischen Trezentisten anzulehnen. Er bearbeitete auch den Lucian fürs Theater. (Aus dem ersten Buche, Gesang 19, Stanze 52-59, des Verliebten Roland, übersetzt von Johann Dietrich Gries 1835-37. Stanze 60-63 nach der Übertragung von Gottlob Regis).

Und nun erneut die wilde Schlacht sich wieder,
Noch gräßlicher und blutiger als vorher.
Marfisa stürzt sich in die Reihn und Glieder
Des feigen Lumpenvolks und tobt umher,
Und stößt und haut rings um sich alles nieder.
So auch Rinald, der Ritter, hoch und hehr,
Mäht Köpf und Arm und Beine dieser Rotte;
Und jeder, der ihn sieht, empfiehlt sich Gotte.

Irold war mit Prasild und Fleurdelysen
zwei Meilen fern von dieser Metzelei;
Und jenes Kammerfräulein von Marfisen,
Des ich vorhin gedacht, war auch dabei.
Ausführlich nun beschreibt die Zofe diesen,
Wie stark im Sattel ihre Herrin sei.
Wie viele Ritter sie in Sand geschmissen
Und welcher Art erzählt sie sehr beflissen.

Dadurch wird Fleurdelys in Angst gebracht –
Es möge Brandimart durch Prob erkennen,
Wie furchtbar sei Marfisas Mut und Macht;
Drum eilt sie von den andern sich zu trennen,
und nähert sich dem Ort der großen Schlacht.
Sie sieht, wie die zersprengten Haufen rennen
Und in Zerrüttung fliehn zur Burg hinan;
Und sie verfolgt der Herr von Montalban.

Allein sie sucht nur Brandimarten eben,
Um all die andern hat sie keine Pein;
Und wie sie späht mit ängstlichem Bestreben,
Erblickt sie ihn im Felde, ganz allein.
Er hatte gleich beiseite sich begeben
Im Anbeginn es Kampfes der Partein;
Denn Unrecht dünkt es ihn und arge Schande,
Ein Weib bekämpfen mit so großer Bande.

Von ferne, schauend, stand der wackre Streiter,
Und rot vor Scham war ihm das Angesicht;
Doch schämt er sich nur wegen der Begleiter,
Nicht seinethalb; denn er bemengt sich nicht.
Kaum sieht er Fleurdelys, da fliegt er heiter
Ihr rasch entgegen und umschließt sie dicht.
Schon seit gar langer Zeit sah er sie nimmer
Und glaubte sich von ihr getrennt auf immer.

So mächtig ist die Lust, die ihn durchwallt,
Daß alles andre seinem Sinn entfallen.
Nichts kümmert ihn Marfisa noch Rinald,
Er denkt nicht ihres Kampfs mit jenen allen.
Schild, Helm wirft er zur Erde mit Gewalt,
Küßt tausendmal die Jungfrau nach Gefallen
Und schließt auf freiem Feld sie in den Arm;
Weshalb die Dame klagt mit großem Harm.

Denn Fleurdelys muß sehr beschämt sich sehn,
Daß man sie so erblickt an diesen Orten.
Die Holde läßt daher nicht ab zu flehn
Und bittet Brandimart mit süßen Worten,
Mit ihr in einen Schattenwald zu gehen,
Denn frisches Gras und Veilchen gibt es dorten.
Da können sie beisammen sich erfreun
Und brauchen Krieg und Argwohn nicht zu scheun.

Der Ritter willigt ein mit Herz und Mund,
Und bald erreichen sie auf schnellen Rossen
Im nahem Wäldchen einen Wiesengrund,
Von zwei anmutigen Hügeln eingeschlossen,
Geschmückt mit Blumen, mannigfach und bunt,
Durch Schatten kühl, von manchem Quell durchflossen,
Aufs zarte Gras hernieder steigen dann
Die Jungfrau und der kühne Rittersmann.

Nun fing die Maid mit süßen Augenstrahlen
Gleich ihren Ritter zu entwaffnen an.
Schon hat er sie geküßt zu tausend Malen,
Eh sie ein Stück vom Kleid nur abgetan,
Und noch sind nicht herunter alle Schalen,
Da faßt er sie, der nicht mehr warten kann;
Im Panzerhemd, den Sporn noch an den Füßen
Legt er sich auf die Wiese mit der Süßen.

So eng hielt sich das Liebespaar umschlungen,
Daß nicht ein Lüftchen zwischen beide dräng;
So tief eins in das andre eingedrungen,
Daß keine Macht sie auseinanderzwäng.
Wie sie gegirrt, gestöhnt, geseufzt, bezwungen
Von süßem Glück: nie hofft, daß dies ich säng!
Sie könnens besser euch als ich verraten,
Da sie zwei Zungen in den Mund sich taten.

Nichts schien den Liebenden das erste Spiel,
In solcher Hast, so flüchtig wars vollführet.
Beim zweiten Anlauf drangen sie zum Ziel,
Das sie im ersten Treffen kaum berühret.
Vor Liebe stöhnend eng und enger fiel
Das Paar in Eins zusammen ... Wange spüret
An Wange sich gepreßt und heiß gedrückt,
Eins in des andern Atem sich beglückt.

Sechsmal erneuerten sie solche Fehde,
Eh sie gestillt ihr Verlangen gar;
Dann sprachen sie in süßer Wechselrede
Von überstandnen Nöten und Gefahr.
Zur Ruhe lud der kühle Ort bald jede
Der tieferschöpften Seelen ein fürwahr,
Indes der Wind sich mit dem Laube neckte
Des grünen Haines, der ihr Glück versteckte.

Und murmelnd gießt ein Bächlein, klar und helle,
Durchs Grün der Wiese die lebendge Flut;
Und Brandimart am Ufer dieser Quelle,
Ermüdet durch des Tages Last und Glut,
Entschläft im Liebesrausche hier zur Stelle;
Und Fleurdelys, die ihm zur Seite ruht,
Die nimmer unterläßt ihn anzuschauen,
Entschlummert mit ihm auf den grünen Auen.

*


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