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Molière (Jean-Baptiste Poquelin): 1622–1673

Einer der größten Lustspieldichter aller Zeiten, besonders im Sitten- und Charakterlustspiel. Mit einer treulosen Schauspielerin, Armande Bejart, unglücklich verheiratet.

 

Ehestandsregeln oder Die Pflichten der verheirateten Frau

 

1.

Wenn sie ehrsam sich verbunden
Ihrem Herrn und Ehgemahl,
Hat sie ein für allemal
Mit der Welt sich abgefunden;
Denn er nahm sie nur für sich,
Nicht für andre, sicherlich.

 

2.

Wenn sie sich putzt, seis für den Mann,
Die andern gehn sie nichts mehr an.
Sie richte sich nach ihm, denn das ist unerläßlich.
Und weiß sie, daß sie ihm gefällt,
Ists einerlei, ob alle Welt
Sie reizend findet oder häßlich.

 

3.

Einstudiertes Augenwinken,
Fächerspiel, Pomade, Schminken
Sind des Teufels Viergespann.
Fort mit allen Schönheitswässern,
die die glatte Haut verbessern,
Doch die Seele leicht versehren:
Wer die Schönheit strebt zu mehren,
Denkt dabei nicht an den Mann.

 

4.

Sie muß, wenn sie spazieren geht, vor allen
Die Augen züchtig niederschlagen;
Denn soll sie ihrem Ehemann behagen,
So darf sie niemand außer ihm gefallen.

 

5.

Kommt jemand nur zu ihr gegangen,
Gilt sein Besuch nicht ihrem Herrn,
Den halte sie vom Hause fern,
Sie darf ihn nicht bei sich empfangen.
Geht einer auf verbotnen Wegen,
Dem soll man gleich das Handwerk legen.

 

6.

Ward ein Geschenk ihr überbracht
Von einem Mann, so muß er sich bequemen,
Es ungesäumt zurückzunehmen:
Denn wie sie auch sich nimmt in acht,
Sie wird es hundertmal erleben,
Es wird uns nichts für nichts gegeben.

 

7.

Auf ihrem Tisch, die Zeit ihr zu vertreiben,
Brauchts Schreibzeug nicht, Papier noch Tint und Feder:
Die Frau soll überhaupt, das merke jeder
Vernünftige Mann, nicht das geringste schreiben.

 

8.

Die weltlichen neumodischen Assembleen
Sind nur gemacht, die Weiber zu verdrehn
Und für die Sünde sie zu werben.
Sie sind die Schulen der Kabale,
Der Markt für alle Stadtskandale
Und für die armen Männer ein Verderben.

 

9.

Karten in die Hand zu nehmen,
Sollte jede Frau sich schämen.
Wenn Fortuna sich verschwor,
Und sie alles erst verlor,
Sah man oft, daß sie zuletzt
Selber sich aufs Spiel gesetzt.

 

10.

Tanz bei Flöten und Schalmeien,
Schmaus im Grün und Ringelreihen
Soll sie wie die Sünde fliehn.
Denn der Mann in solchen Fällen,
Mag er noch so taub sich stellen,
Muß allein den Beutel ziehn.

 

Schäferlied

Schäfer, seid doch nicht so blöde,
Eure Liebe zu verschwenden!
Bleibt ein Liebchen hart und spröde,
Müßt ihr euch an andre wenden.
Laßt die Undankbaren,
Laßt, o laßt sie fahren!
Toren wärt ihr, euch zu binden,
Ohne Gegengunst zu finden.
Hundert Nymphen kenn ich
Und für jede brenn ich.
Alle streb ich zu gewinnen,
Manche grüßten mich als Sieger.
Aber find ich Tigerinnen,
Ei, so bin ich auch ein Tiger!

*


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