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Guiraut Riquer: um 1250 – 1294

 

Nachtlied

Einem Freund voll Zärtlichkeit
Ward der Liebe süßer Lohn
Zugesagt nebst Ort und Zeit;
Und er glüht am Tage schon,
Da ihm winkte süße Rast.
Seufzend sprach er ängstlich:
»Tag, wie langhin ziehst du dich!
Und Nacht,
Nahst dich leider allzu sacht!«

Dieser Sehnsucht herbes Leid
Fühlt in seiner Brust er lohn
Nach verheißener Seligkeit;
Aller Mut war ihm entflohn,
Schon entging der Atem fast.
Seufzend sprach er ängstlich:
»Tag, wie langhin ziehst du dich!
Und Nacht,
Nahst dich leider allzu sacht!«

Niemand stand an seiner Seit,
Ins Gesicht ihm sehend, ohn
Anzumerken ihm sein Leid.
Weinend klang der Stimme Ton,
So war ihm der Tag verhaßt.
Seufzend sprach er ängstlich:
»Tag, wie langhin ziehst du dich!
Und Nacht,
Nahst dich leider allzu sacht!«

Der wird allermeist kasteit
Dem kein Arzt den Skorpion
Töten kann, der Brünstigkeit
Flammen, die ihn wild durchlohn,
Daß der Tag ihm wird zur Last.
Seufzend sprach er ängstlich:
»Tag, wie langhin ziehst du dich!
Und Nacht,
Nahst dich leider allzu sacht!«

(Nach Kannegießer)

*


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