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Alfred de Musset: 1810-1857

Der französische Heine, schon mit 19 Jahren berühmt durch die Lieder aus Spanien. Bekannt auch durch seine unglückliche Liebe zur George Sand, deren Gunst er mit Chopin und andern teilen mußte.

 

Barcelona

Wer, der auf Barcelonas Gasse
Mein andalusisch Mädchen sah?
Wer sah sie stehn auf der Terrasse?
Sie ist meine Löwin, meine blasse
Markesa d'Amaegui ja!

Für sie hab ich mich oft gehauen,
Für sie Sonette gar gemacht!
Wie oft, ein Haar nur ihrer Brauen
Durchs Wehn des Vorhangs zu erschauen,
Hielt ich vor ihren Fenstern Wacht!

Mein ist sie, mein ist dieser Wangen,
Mein dieser Lippen lechzend Glühn!
Mein dieses Auge, schwarz verhangen
Von seidnen Wimpern, mein die langen
Haarwellen, so ihr Hermelin!

Mein, mein ihr Hals, sehn sie die Wände
Des Schlafgemachs in üppiger Ruh;
Mein das Gewand um ihre Lende,
Mein ihre kleinen weißen Hände,
Und mein ihr Fuß im schwarzen Schuh!

O, wenn durch ihres Netzes Franzen
Ihr Auge blitzt mit wildem Brand,
Bei allen Heiligen im ganzen
Kastilien, man bräche Lanzen,
Zu rühren nur an ihr Gewand!

Beim Zid! man muß sie sehn im weißen
Nachtkleid, die prächtige Gestalt!
Man muß es sehn, dies Schlagen, Beißen,
Wenn unter Küssen, grimmigen, heißen,
Sie wütend fremde Worte lallt!

Und, o! wie toll ist ihre Freude,
Wenn sie am Morgen singt und lacht!
Wenn, da just in des Strumpfes Seide
Ihre Füßchen schlüpft, ihr unterm Kleide
Des Leibchens straffer Atlas kracht!

Auf, Page, folge meinen Pfaden!
Hinaus mit Tamburingeklirr!
Heut abend will ich serenaden,
Daß fluchen sollen die Alkaden
Bis an den Guadalquivir!

 

Madrid

Madrid, du Licht von Spaniens Talen,
In deinen tausend Feldern strahlen
Viel tausend Augen, schwarz und blau.
Du weiße Stadt der Serenaden,
Viel tausend kleine Füße baden
sich nachts in deines Prados Tau!

Madrid, und kämpfen deine Stiere,
Dann lassen tausend Händchen ihre
Buntfarbigen seidnen Schärpen wehn;
Und in den sternerhellten, lauen
Lenznächten sieht man deine Frauen
Auf deinen blauen Treppen stehn.

Madrid, Madrid, laß sie sich sehnen!
Ich spotte deiner stolzen Schönen,
Die mutig tummeln Maul und Pferd!
Denn unter allen weiß ich eine;
Laß Braun und Blonde kommen – keine
Ist ihre Fingerspitze wert!

Und mich nur, wenn die Sterne scheinen,
Läßt die Duenna dieser einen
Durch ihr vergittert Fenster! – Wer
Nach zornigen Blicken trägt Begehren,
Der nah ihr nur beim Messehören,
Sei Bischof oder König er.

Denn wisset, meine wilde Kleine
Aus Andalusien ist es! meine
Wittib mit dunkelm Flammenblick!
Sie ist ein Teufel und ein Engel!
Braun, der Orange gleich am Stengel,
Und wie ein Vogel flügg und quick.

O, wenn wir zitternd Küsse tauschen,
Wenn um mein Haupt mit süßem Rauschen
Entfesselt ihre Locken wehn,
Dann muß man sie mit glühnder Wange,
Bebend und schnell wie eine Schlange,
In meinem Arm sich winden sehn.

Und fragt ihr, welchem Preis die schlanke
Erobrung ich denn wohl verdanke?
S war meines Rosses Mähnenpracht,
Das Loben ihrer Samtmantille,
Nicht zu vergessen: auch Vanille-
Bonbons in einer Faschingsnacht!

 

Die Frau Marquisin

Ihr kennt ihr Aug und ihre Züge,
Ihr kennt die Andalusierin!
Ihr wißt, daß ich im Arm sie wiege
Vom Abend bis zum Morgen hin!

Madame la Marquise
Vous connaissez que j'ai pour mie
Une Andalouse à l'oeil lutin,
Et sur mon coeur, tout endormie,
Je la berce jusqu'au matin.

O seht sie, wenn ihr Arm wie eines
Schwans weißer Hals mich fest umschlingt;
Wenn, dicht an ihrem Haupte meines,
Die Nacht uns süße Träume bringt!

O kommt! ob unserm Nest begegnet
Und schnäbelt euch, ihr Vögelein:
Durch ihren Schlummer, den Gott segnet,
Strahl eurer Flügel Widerschein!

Preis der Vergessenheit gegeben
Sei alles, nur die Liebe nicht!
Die Wollust ruft: Vergeßt das Leben!
Der Vorhang ruft: Vergeßt das Licht!

O laß uns ruhen, Mund auf Munde
Hauch deine Seel in mich hinein!
O, laß uns ruhn so bis zur Stunde,
Wo man uns bringt den Totenschrein.

Und fürchte nicht des Sternes Schimmer,
Der jetzt die Furcht der Weisen ist!
Vielleicht schlägt er die Welt in Trümmer,
Daß unsern Winkel er vergißt!

In meiner Seele frisches Bluten
Laß rinnen deinen lichten Geist,
Wie sich in eines Gießbachs Fluten
Der Wiese Blumenquell ergeußt!

Denn weißt du wohl, wie viele Schmerzen
Ich litt, ach, um zu leben nur?
Siehst du in meinem wunden Herzen
Des Überdrusses blutige Spur?

Gib einen Kuß mir, meine Kleine!
Mit meiner Hand in deinem Haar,
Laß mich erzählen dir beim Scheine
Der Lampe, was mein Unglück war!

Und sieh, wie gut ich bin, mein Leben!
Daß gestern du auf meiner Brust
Entschliefst – ich will es dir vergeben!
Und wars auch, als ich schwatzte just.

Denn, auf des Königs Wort, sobald es
Wird dunkel in der Hauptstadt sein,
Zieht hier im Luftreviere des Waldes
Ins Schloß die Frau Marquisin ein.

Mein Arm sei der Geliebten Wiege
Vom Abend bis zum Morgen hin.
Ihr kennt mein Lieb, ihr kennt die Züge
Der braunen Andalusierin.

*


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