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Johann Christian Günther: 1695-1723

 

Treues Gedenken

Nun, Kind! ich kann dich nicht mehr bitten:
Behalt mein Herz in treuer Brust!
Das Denkmal deiner muntern Sitten
Erweckt mir auch von weitem Lust,
Und, wo ich reise, wohn und bin,
Da folgt mir dein Gedächtnis hin.

Ein Waldhorn klingt bei Abendstunden
Von weitem durch die Gärten schön,
Es reizt das Blut verliebter Wunden
Und läßt die Geister flüchtig gehn;
Jedoch ergötzt mich das Gehör
Von deinem Wohlsein noch viel mehr.

Die Gegend, wo ich jetzund dichte,
Ist einsam, schattig, kühl und grün;
Hier hör ich bei der schlanken Fichte
Den sanften Wind nach Leipzig ziehn,
Und geb ihm allzeit brünstiglich
Viel tausend heiße Küß an dich!

Erinnre dich der ersten Küsse,
Die niemand als der Schatten sah!
So machten wir die Äpfel süße,
Ach, wäre doch die Zeit noch da!
Gedenk an Pfeifers Schlafgemach,
Und zähle dort die Wollust nach.

Der Umgang ward uns sonst verboten,
Wir suchten die geheimste Bahn:
Wir riefen die verwandten Toten
Zu Zeugen unsrer Freundschaft an;
Und ließen bei verschwiegner Pein
Den Kirchhof selbst uns Freistatt sein.

 

Frau und Buch

Es soll uns eine Frau so wie ein Buch vergnügen:
Wer aber kann denn nun stets über Büchern liegen?

 

Hochzeitslied

Nur fort, vergnügtes Paar, und laß dich nicht verstören,
Sucht Blumen auf der Brust, werft Finger in den Schnee,
Und Flammen in den Schoß und Jauchzer in die Höh,
Laßt Zimmer, Haus und Wand die sanften Schmätzchen hören.
Umarmt euch wie der Wein, der Ulm und Pfahl umschlingt,
Küßt, jauchzet, lacht und spielt, verkriecht euch, hüpft und springt,
Laßt Lust und Sehnsucht aus und jagt euch um die Wette
Mit Schenkeln, Mund und Hand durch Lager, Tisch und Bette!

Das Ziel der wahren Eh, die Ähnlichkeit der Triebe,
Erbaut euch alsofort ein Glückschloß vieler Luft
Und überschüttet euch die flammenreiche Brust
Mit einem Segenstau der allerzartsten Liebe.
Du schön und fromme Braut triffst hier den Winkel an,
Wohin sich deine Zucht getrost verkriechen kann;
Er aber schließt sein Herz in eine weiche Kiste
Und füttert sie vor Frost und Wolle sanfter Lüste.

Der Herbst gibt Frucht und Wein und füllt so Scheur als Schläuche
Und macht die Keltern naß und preßt das Röhrenblut;
Dies, was nun die Natur in ihrem Zirkel tut,
Das tut dein Bräutigam auch in des Amors Reiche.
Doch darum kümmert sich von uns kein Unverstand,
Er tu es, wie er darf. Wir machen Kiel und Hand
Aus Scham und Ehrfurcht stumm und wünschen, daß dem Fasse
Ein wohlgegorner Most den besten Ausbruch lasse.

*


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