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Gottfried August Bürger: 1747 – 1794

 

Die beiden Liebenden

Ein andrer warb um Ehr und Gold!
Ich werb um Liebe bei Selinden.
Mich kann allein ihr süßer Sold
An allgetreue Dienste binden.
Das Glück läßt manchen Ehrenmann
In seinem Dienst umsonst verderben.
Allein bei treuer Lieb kann
Der Hirt auch sichern Sold erwerben.

Ich bin kein großer, reicher Herr,
Und sie ist keine hohe Dame.
Doch hold, auch ohne Prunkgezerr,
Erklingt ein kurzer Schäfername.
Dagegen herzen wir uns frei,
Sind sicher vor Verrätertücken;
Auch schielet keine Spötterei,
Wenn wir uns Knie und Hände drücken.

Der Prunk der hochstaffierten Kunst,
Selbst die Natur im Feierkleide
Berauben nie sie meiner Gunst;
Denn sie beschämt an Reizen beide.
Das tausendstimmige Konzert
Der Lerchen und der Nachtigallen
Ist mir kaum halb so lieb und wert,
Wenn ihre Solotriller schallen.

Im Denken ist sie Pallas ganz
Und Juno ganz am edeln Gange,
Terpsichore beim Freudentanz,
Euterpe neidet sie im Sange;
Ihr weicht Aglaja, wenn sie lacht,
Melpomene bei sanfter Klage;
Die Wollust ist sie in der Nacht,
Die holde Sittsamkeit bei Tage.

Des Morgens – welch ein Malerbild! –
Wallt sie hervor in leichtem Kleide,
Noch ungeschnürt und halb verhüllt
Nur in ein Mäntelchen von Seide.
Entringelt auf die Schultern sinkt
Die Hälfte goldner Locken nieder.
Wie dann ihr rasches Auge blinkt,
So blinkt das Licht aus Quellen wieder.

Natur und Einfalt helfen ihr
An ihrem kleinen Morgentischchen.
Des Busens und des Hauptes Zier
Sind Ros und Myrt in einem Büschchen.
Zu ihren Wangen wurde nie
Ein Pinsel in Karmin getauchet;
Und doch wie Rosen blühen sie,
Von Frühlingsodem aufgehauchet.

Wenn sie an ihrem Tischchen sitzt,
So werd ich scherzend hingewinket:
»Komm, schmücke selbst dein Mädchen itzt,
Wie deiner Laun am besten dünket!«
Und mich beflügelt ihr Gebot,
Sie unvermutet zu umfangen;
Dann schminkt mit hohem Morgenrot
Mein Kuß die jugendlichen Wangen.

Ihr Haar im Nacken reizet mich
Zu hundert kleinen Torenspielen;
Fast nimmer müde kann man sich
In diesen seidnen Locken wühlen.
Sie äugelt nach dem Spiegel hin,
Belauschet meine Neckereien;
Sie schilt, daß ich ein Tändler bin,
Und freut sich doch der Tändeleien.

Drauf leg ich ihr die Schnürbrust an.
Vor Wonne beben mir die Hände.
Das Band zerreißt, so oft es kann,
Damit die Arbeit später ende.
Wie schnell bin ich nicht stets bereit,
So liebe Dienste zu verrichten!
Doch schneller noch zur Abendzeit,
Das Werk des Morgens zu zernichten.

Nun schlinget meine kühne Hand –
O Liebe, Liebe, welche Gnade! –
Ein sanft geflammtes Rosenband
Ihr zierlich zwischen Knie und Wade.
Wie mir das Blut zu Herzen stürzt!
Nicht schöner wies sie Atalante,
Da sie ums Jawort, hochgeschürzt,
Mit ihren Freiern wetterannte.

Nun schwebt die Grazie vor mir,
Schlägt mit den Silberfüßchen Triller
Und tanzet hin an das Klavier
Und singt ein Lied nach Weiß von Miller.
Mit welcher Wollustfülle schwellt
Mein Herz der Zauber ihrer Kehle!
Hinweg aus dieser Unterwelt,
Gen Himmel singt sie meine Seele!

Der Morgen eilt, man weiß nicht wie.
Zur Mahlzeit ruft die Küchenschelle.
Ihr gegenüber, Knie an Knie
Und Fuß an Fuß, ist meine Stelle.
Hier treiben wirs, wie froh und frei!
Uns fesselt kein verwünschter Dritter.
Die beste Fürstenschmauserei
Ist gegen solch ein Schmäuschen bitter.

Selinde schenkt mir Nektar ein.
Erst aber muß sie selber nippen.
Hierauf kredenzet sie den Wein
Mit ihren süßen Purpurlippen.
Der Pfirsich, dessen zarten Flaum
Ihr reiner Perlenzahn verwundet,
Wie lüstern macht er Zung und Gaum!
Wie süß mir dieser Pfirsich mundet!

Nach Tische läßt auf ihrer Brust
Mein hingesunknes Haupt sich wiegen.
Von Wein berauschet und von Lust,
Will fast die Sprache mir versiegen.
Ein volles Herz gibt wenig Klang,
Das leere klingt aus allen Tönen.
Sie fühlet dennoch seinen Drang,
Und ach! versteht sein stummes Sehnen.

Jetzt wird der Holden bang ums Herz.
Ein Mädchen ist ein banges Wesen.
Sie reichet mir aus losem Scherz
Verwirrten Zwirn, ihn aufzulösen.
Zwar findet sie mich ungeschickt,
Doch sucht sie mich nur hinzuleiern.
O List! Indem sie her sich bückt,
Muß sich ihr Busen selbst entschleiern.

Ein rascher Blick wird hingesandt;
Allein der Dieb läßt sich betreten.
Ein Streich von ihrer weichen Hand
Rächt auf der Stell ihr Schamerröten.
Dann rückt sie weg und spricht nicht mehr,
Bedeckt ihr Auge, macht die Blinde,
Lauscht aber durch die Finger her,
Wie ich die Kränkung wohl empfinde?

Dann spiel ich einen Augenblick,
Doch nur verstellt, den Tiefbetrübten;
Und sie, o Wonne! springt zurück,
Versöhnt sich mit dem Vielgeliebten,
Umhalset ihn, weiß nicht genug
Mit süßen Namen ihn zu nennen,
Und Mund und Wange, die sie schlug,
Fühlt er von tausend Küssen brennen.

Wohl hundert Launen, kraus und hold,
Umflattern täglich meine Traute.
Bald singt und lacht, bald weint und schmollt,
Bald klimpert sie auf ihrer Laute,
Tanzt hin und wieder blitzgeschwind,
Bringt bald ein Büchelchen, bald Karten;
Bald streut sie alles in den Wind
Und eilt hinunter in den Garten.

Ich hinterher, ereile sie
In einer sichern, stillen Grotte.
Freund Amor treibt, sie weiß nicht wie,
Sie tief ins Dunkel. Dank dem Gotte!
Sie bebt, von meinem Arm umstrickt.
Mein Kuß erstickt ihr letztes Lallen.
Sie sinkt. Ich halte sie entzückt,
Und – halt – und lasse sie nicht fallen.

 

Naturrecht

Von Blum und Frucht, so die Natur erschafft,
Darf ich zur Lust wie zum Bedürfnis pflücken.
Ich darf getrost nach allem Schönen blicken
Und atmen darf ich jeder Würze Kraft.

Ich darf die Traub, ich darf der Bienen Saft,
Des Schafes Milch in meine Schale drücken.
Mir front der Stier; mir beut das Roß den Rücken;
Der Seidenwurm spinnt Atlas mir und Taft.

Es darf das Lied der holden Nachtigallen
Mich, hingestreckt auf Flaumen oder Moos,
Wohl in den Schlaf, wohl aus dem Schlafe hallen.

Was wehrt es denn mir Menschensatzung, bloß
Aus blödem Wahn, im Mollys Wonneschoß,
Von Lieb und Lust bezwungen, hinzufallen?

 

Lied

Mein frommes Mädchen ängstigt sich,
Wenn ich zu viel verlange;
Die Angst der Armen macht, daß ich
Von Herzen mit erbange.

Schwebt unversucht alsdann vor mir
Der Wollust süßer Angel,
So härmt sie sich noch ärger schier
Und wähnet Liebensmangel.

So, hier und dort gebracht in Drang,
Ersticken unsre Freuden.
O Liebe, löse diesen Zwang
An einem von uns beiden!

Gib, daß sie mich an Herz und Sinn
Zum Heiligen bekehre,
Wo nicht, daß sie als Sünderin
Des Sünders Wunsch erhöre!

*


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