Jakob Wassermann
Laudin und die Seinen
Jakob Wassermann

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Nicht ohne Schwierigkeit gelang es Laudin, die fünfhundertfünf Millionen Kronen flüssig zu machen, die den Hauptstock des Vermögens der Filmgesellschaft bilden sollten. Schwierigkeiten ergaben sich auch aus der Erfüllung der dabei notwendigen Formalitäten, angefangen vom Notariatsakt bis zur Überweisung und Kontoerrichtung. Dreimal änderte Luise Dercum ihren Entschluß wegen der Wahl der Bank und folgte dabei ganz kindischen Gesichtspunkten. So entschied sie sich schließlich, trotz Laudins Widerspruch, für ein mittleres Institut, weil ihr die Person des betreffenden Direktors zusagte. Der Mann hatte es jedenfalls verstanden, ihr Sand in die Augen zu streuen, und sie durch Gewährung eines besonders hohen Zinssatzes geködert. Wiewohl ihr andererseits wieder an den Zinsen nichts lag, wie sie freimütig zugab, da es ja darauf ankam, das Geld auszugeben und nicht, es zu thesaurieren. Ihre Großzügigkeit in allem, was mit Geld zusammenhing, war erstaunlich; manchmal bestellte sie an einem Tag, wo sie übler Laune war, gleich vier Toiletten, ohne ans Bezahlen auch nur zu denken. In ihrem Schlafzimmer trat man förmlich auf die unbezahlten Rechnungen; in dieser Hinsicht hatte Brigitte Hartmann keineswegs übertrieben. Ungeachtet der Sorglosigkeit, mit der sie wirtschaftete, gab es Leute genug, die sie als geldgierig bezeichneten und ihr die vorgespielte Verachtung des Mammons nicht glaubten. Laudin bekam hierüber allerlei Ansichten zu hören; man trug ihm auch zu, daß sie um hohe Summen spielte. Viele Leute fanden ein Vergnügen daran, ihm ihre Meinungen und Urteile über die Schauspielerin mitzuteilen, Gott mochte wissen, warum, und es waren selten günstige Äußerungen, die er vernahm.

Nach der Natur der Dinge hätte das Bankkonto unter dem Namen der Gesellschaft errichtet werden sollen. Dagegen sträubte sich Luise. Erstens behauptete sie, durch eine solche Maßregel werde ihre Bewegungsfreiheit gehemmt; sie müsse unbeschränktes Verfügungsrecht haben, wenn die ganze Gründung einen Sinn haben solle. Dann aber wies sie darauf hin, daß bis zur Konstituierung der Gesellschaft, behördlichen Konzession, Aufstellung der Statuten, Wahl des Aufsichtsrates usw. uneinbringlich kostbare Zeit verstreichen würde, während der sie mit gebundenen Händen dastehe. Laudin hatte sie über alle diese gesetzlichen Pflichten belehrt; er fügte sich ihren Argumenten, wenn auch zögernd, doch bei der weiteren Erörterung mußte er die törichtesten Vorschläge abwehren. Luise selbst stak zu tief in Schulden, als daß es sich empfohlen hätte, sie zur Kontoinhaberin zu machen; auch an Ernevoldt war nicht zu denken, dessen pekuniäre Lage, wie Laudin wußte, eine verzweifelte war, ganz abgesehen von seiner praktischen Unfähigkeit.

Endlich, nachdem Laudin noch die Person des Reklamefürsten Ortelli abgelehnt hatte, den er offen und unter Luises ungeduldigem Protest als Windhund bezeichnete, verfiel man auf den Ausweg, May Ernevoldt mit dem Recht der Zeichnung und Ziehung zu betrauen. Sonderbarerweise wollte May nichts davon wissen. Sie gab keine bestimmten Gründe für ihre Weigerung an; sie sagte nur, und man mußte es ihr glauben, Geld sei für sie der Gipfel des Verabscheuenswerten; wenn man sie in Geldangelegenheiten verstricke, laufe sie auf und davon. Doch schien ihr Verhalten außerdem durch eine bestimmte Angst beeinflußt, die sie zu verhehlen trachtete und die im Augenblick, wo sie von Luise, zärtlich erst, dann zornig, zur Entscheidung gedrängt wurde, ungeachtet ihrer Ergebenheit und Liebe für die Freundin mit doppelter Macht hervorbrach. Da alle Gemütsvorgänge bei ihr sich ungewöhnlich heftig äußerten, mußte man sie, als sie endlich ihre Einwilligung gegeben hatte, wie eine Kranke behandeln und sie in einem verfinsterten Raum zu Bett bringen.

Zwei Tage später wurden siebentausend Mark auf eine deutsche Bankfirma überwiesen, und zwar auf den Namen Bernt Ernevoldts, der gleichzeitig abreiste, um, so schrieb er an Laudin, draußen Kräfte anzuwerben und Apparate zu kaufen. Was ihn nicht hinderte, vorher noch seine unangenehmsten Gläubiger zu befriedigen, die rückständige Miete für die Villa zu bezahlen und einen Blüthnerflügel und ein Grammophon zu kaufen. Auch Luise entschloß sich plötzlich, einige drückende Schulden zu begleichen, da man ihr mit der Pfändung ihrer Gage gedroht hatte. Es waren immerhin Beträge in der Höhe zwischen fünfzig und sechzig Millionen; doch bestritt sie, ohne daß Laudin von ihr Rechenschaft begehrt hätte, daß sie das Geld von dem Konto genommen habe. Sie habe im Bakkarat gewonnen, erzählte sie mit großen Märchenaugen und in kindlich dankbarem Ton. Nachzuforschen fiel Laudin nicht ein; er hatte unter dieses Geld, wie er zu sich selber sagte, ein Kreuz gemacht. Doch ein paar Tage darauf geschah es durch ein Versehen der Bankabteilung, daß die Nachricht von der Behebung statt an die Kontoinhaberin an seine Adresse ging; es war eben der Betrag, der zur Tilgung von Luises Schulden erforderlich gewesen war. Er schickte den Zettel an May.

Anonyme Briefe schmähenden und verleumderischen Inhalts bildeten von jeher das ständige Zubehör seiner Geschäfte. Mit derselben Post, mit der das verräterische Bankavis gekommen, war auch das folgende Skriptum eingelaufen: »Wenn Sie glauben, daß der Dercumsche Leiblakai abgefahren ist, um die Pläne auszuführen, zu denen Sie den Herrschaften das schöne Geld vor die Füße geschmissen haben, sind Sie ein bedauernswerter Hopf. Wir im Theater wissen besser Bescheid. Lassen Sie mal Erkundigungen einziehn, was der infame Winkeladvokat K. M. und der noch infamere Winkeldoktor R. Z. in Berlin dafür bekommen, daß der unglückliche Arnold Keller noch immer in der Irrenanstalt sitzt. Ein Warner.«

Der Wisch flog in den Papierkorb.


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