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Russisches Ballett

I.

Mischmaschklänge; Celli; Geigen …
Menschen geistern durch die Räume;
Linien, ethno-seltsam, steigen;
Sprünge, Gesten, Schatten, – Träume.
Träume, singend ohne Laute;
Wunderfremde, … langvertraute.

Fokin schwingt sich. Vieles kann er.
Kleine Kalle; Kinderblick  …
Fokin: Atmend; Bogenspanner;
Schnellkraft; Wildheit; Luft und Glück …

Aber da wiegt der gedämpfte
Sklaventritt ein Weib herein:
Schleirig-schlummrig aus der Sämfte
Hüllt man Ida Rubinstein.
In bestrahlter Säulen Scheine …
Sphinxig, pyramidenöstlich
Regt sie lange, ferne Beine.
Isisbeine. Köstlich – köstlich!
Auge reglos eigensinnig
Über nackt olivigen Kerlen –
»Cleo, und zwar -patra, bin ich,
Aus dem Portwein schlürf' ich Perlen …«

Faune wackeln mit dem Steiße;
Läufer, Farben, Tänzerschemen.
Und der Jüngling schweigt: »Ich heiße
Mahomet – ich bin aus Yemen …«
Heiß und kühl zum Kusse kippt er
Stumm die Königin der Ägypter.

II.

Alles dieses ist ein langes
Wunder. Tief an Schönheitskraft.
Kunstgebändigt. Ersten Ranges.
Blutbeseelte Meisterschaft.
Der Parkettgast – sinnend sieht er:
Blut und Seele heißt das Tun
Aller echten Moskowiter
(Und der Kitsch heißt: Sumurun). Ein von Max Reinhardt aufgeführtes Schaustück.

III.

Heimatstänze. Staunend rühm ick
Nicht nur Beine. Auch die Mimik …

Zielen, schielen, äugen, lauern.
Ringeln, ducken sich in Scharen.
Sind es Tiere? Sind es Bauern?
Sind es Russen? Sind's Tataren?
Wie sie fauchen, balzen, liebeln,
Pelzverbrämt in hohen Stiebeln;
Stürmen vorwärts wie die Blitze,
Der Nijinsky an der Spitze …

IV.

Und ein Weibsbild packt mich tief.
Stark von Landskraft ist die Miene;
Goldigstrotzend und naiv;
Geltzer heißt sie – Katharine.
Trottet vor und lockt zurück,
Winkt und stampft und dreht sich wild.
Stutenanmut. Brautschaftsblick.
Kirmeßmagd und Heiligenbild.
Neckt und äfft und balzt und schnaubt,
Goldne Strahlen ob dem Haupt …

Der Parkettgast – staunend sieht er
Das Genie der Moskowiter.

1910. 25. Mai.


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