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Wegener

I.

1906. 19. Oktober. Leo Greiners »Liebeskönig«. Den Wladimir gab Herr Wegener. Vielleicht ist er jemand; ich wage vorläufig nicht, es zu beurteilen. Seine Sprache bleibt aufzubessern; er erwähnte die Blieten, die Knaspen, den Feriehling, den Schepfer (Regie führte einer der Sprechkünstler von Reinhardts Theaterschule).

II.

1912. 1. Oktober. Totentanz von Strindberg. Dieser Tierkampf im Turm (ein offner Kampf, wenn man es recht betrachtet – und mit allem Befreienden der letzten, wenn auch verschmitzten Ehrlichkeit) wurde von einem der Schauspieler, Paul Wegener, so groß gekämpft, wie es die Sache will.

Er war, was er mußte: lastend-gewaltsam, prahlhänsig, unfähig, böse, krank, auch Mitleid packend – und aus einem Stück. Sonst war an ihm der Punkt gewöhnlich zu erkennen, wo seine Leitung stockt. Diesmal … erdhaft und wahrheitsfrech, wie edlere Kunst sein soll. Etwas im Zeichnerischen zuviel. (In der Brahm-Zeit erreichte man die harte große Trockenheit hermetischer; geschlossener; tiefer – Wegener hat noch einen Rest von Virtuosentum.) Gleichviel: Ihr seid ein Mann.

Etliches bleibt haften. Wie er klein beigab, triebvoll, plötzlich, wenn … nicht seine Frau gesiegt hatte, sondern etwas Dunkles (welches »Schicksal« zu nennen vielleicht nicht unangebracht wäre); – wie er sofort still war, gewandelt, einlenkend: das bedeutet ein Drama für sich, es darf ihm nicht vergessen werden.

III.

Zwischendurch weckt er etwa Begriffe solchen Inhalts: eindrucksvoll. Dieser vorzügliche Beamte für Bizarrheit; auf den man rechnen kann. Ein gebildeter Charakterisierungsarbeiter. Wenn auch kein Gewächs. Er gibt einen Gymnasial-Holofernes. Dann einen mongolischen Mephisto.

In Strindbergs »Kronbraut« spielt er den Länsmann. Was ist das? Der liebe Gott? Nein, der kategorische Imperativ: »Du sollst deine Gesetzespflicht tun.«

Er war jedoch der Tod. Mit einer Soldatenmütze.

(Herrlich. Aber unbegründet.)

IV.

Als Richard der Dritte weckt er Empfindungen diesen Inhalts: nun ja, Kainz und Mitterwurzer hausen heut stärker als Richard in meinem Gedächtnis. Mitterwurzer als ein wühlend Eberschwein – Kainz als das Siebenmonatskind, das giftig zu kurz gekommene.

Wegener ist von beidem etwas: lymphatisch, rachitisch und (wenn Not am Mann) wuchtendviehisch. Nicht ein Mythus: ein Mensch.

Doch ein so einfältiger Mythus, wie der Richard beim Shakespeare schon ist, sagt mir noch weniger als hier ein kränklicher, wilder, bösartig brennender Privatmann. (Grenzen zwischen Märchen und Historie.)

Wegener hat Wichtiges im Kino gelernt. Mehr als irgend ein deutscher Darsteller. Wenn er in Strindbergs Gespenstersonate hereinschwebt, auf Krücken, wie ein ergrauter, fast fliegender Satan: so weiß man, daß er der bildkräftigste Schauspieler bei uns – durch das Beackern eines Nebenfeldes – geworden ist.

Nicht im Aussehn allein: in den Gebärden. Und nicht zeichnerisch, wie es die stilisierende Schauspielkunst des Jahrgangs Eysoldt gewesen – sondern malerisch.

Nur ein paar Proben sind hergesetzt.

Sein unterschiedlichster Wesenspunkt: Kraftmalerei. Und gebildeter Wille.


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