Johann Gottfried Herder
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Johann Gottfried Herder

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4. Newton und Kepler.

Nicht um beide große Männer in Ansehung ihrer Geistesfähigkeiten oder Verdienste mit einander zu vergleichen, stehn ihre ruhmwürdigen Namen da; nur ihr äußeres Schicksal soll die Vergleichung treffen, die Welt und Zeit, in der Beide erschienen.


Isaak Newton sah in England das Licht,Im Jahr 1642. – H. begütert, glücklich-, frei geboren. Seiner Neigung zur Mathematik ließ eine gute Mutter ihren Lauf; im zwanzigsten Jahre ward er zu Cambridge in der Geometrie Barrow's Schüler.

Die Wissenschaften, die er gewählt hatte, waren damals im höchsten Betriebe; von den trefflichsten Männern bearbeitet, lockten sie ihn natürlich zur Nacheiferung an. Mit stillem Schritt trat er nicht nur in die Laufbahn der berühmtesten Mathematiker, sondern bald auch auf den Gipfel ihrer Entdeckungen und ihres Ruhmes. Im fünfundzwanzigsten Jahr soll er die Fluxionsrechnung erfunden haben;1665. – H. (Nach dieser Zeitbestimmung erwartet man im Text: »dreiundzwanzigsten«. Die Erfindung der Fluxionsrechnung fällt in das Jahr 1666. – D.) auf sie führte ihn Fermat. Das Jahr darauf, als er sich mit optischen Werkzeugen beschäftigte, soll er bei Gelegenheit des Prisma seine Theorie des Lichts erfunden haben. Zwei Jahre darauf, als ihn die Pest von Cambridge vertrieben hatte, soll er auf seine Theorie der Schwere gekommen sein, Alles in jugendlichen Jahren. Im neunundzwanzigsten Jahr ward er Lehrer der Mathematik an Barrow's Stelle, eine seiner Liebe zur Wissenschaft sehr bequeme Situation, wie Jeder weiß, der die Beschaffenheit dieser Professuren in England kennt. In stiller Ruhe arbeitete er hier seine Werke aus; seine Gedanken gewannen Zeit zu reifen, ohne daß ihn Bedürfnisse störten oder eine voreilige Sucht nach Ruhm spornen durfte; denn sein Stand, seine Wissenschaft schafften ihm Ehre. Erst 1675 schickte er sein erfundenes Spiegelteleskop an die königliche Societät der Wissenschaften, die es in den »Transactionen« bekannt machte; vorher hatte er nur den Varenius herausgegeben, vermehrt und erläutert.Varenii Geographia generalis, aucta et illustrata ab Is. Newton. 1672. – H. Im Winter zwischen 1676 und 1677 soll er das Gesetz der Centripetalkraft gefunden haben, unstreitig nach Kepler's vorhergegangener, schwererer Erfindung des Gesetzes der Bahn der Planeten in Ellipsen um ihren Brennpunkt, die Sonne; was Newton dazuthat, war das Gesetz der Kräfte. Erst 1687 kam das System darüber unter Halley's Aufsicht heraus, von der königlichen Societät selbst dem Druck übergeben;Philosophiae naturalis principia mathematica. Im Jahr 1713 folgte die zweite Ausgabe zu Cambridge unter Aufsicht des Roger Cotes. – H. ein Werk, das ihn auf den Gipfel des Ruhms erhob. Im Jahr 1688 ward er Repräsentant der Universität im Parlement, im Jahr 1696 unter dem Ministerium des Grafen Halifax Münzwardein, im Jahr 1703 Präsident der Societät, welche Ehrenstelle er 25 Jahre bis an seinen Tod bekleidete. In eben diesem Jahr 1703 gab er seine »Optik« heraus, die Samuel Clarke nachher ins Latein übersetzte. 1705 ward er Ritter; 1707 erschien seine »Arithmetik«,Arithmetica universalis, sive de compositione et resolutione arithmetica liber. – H. 1711 seine »Analysis«, worauf der berühmte Streit, wer Erfinder der Fluxionen sei, folgte.Analysis per quantitatum series, Fluxiones etc. Lond. 4. – H. Dem Anschein nach verhielt sich Newton bei diesem Streit still; desto wirksamer und schneidender waren seine Freunde. Sogar die Societät der Wissenschaften nahm Partei und entschied – für ihren Präsidenten.Ein competenter Urtheiler spricht hierüber also: »Leibniz hat die ersten Regeln der Differentialrechnung im Oktober 1684 in den Leipziger Actis Eriditorum herausgegeben. Die Gebrüder Bernoulli haben bald darauf den Gebrauch dieser Rechnung gezeigt und ihn erweitert. Die Verehrer Newton's haben zuerst den Streit angefangen und behaupten wollen, Leibniz habe die Rechnung von Newton gelernt. Das Commercium epistolicum (D. Joann. Collins et aliorum de analysi promota jussu sociatatis regiae in lucem editum) schließt mit einem dieses bezeichnenden Ausspruch der königlich englischen Societät. Wer es durchliest, sieht nicht, wie die Societät so hat sprechen können; denn im Commercio ist nicht von der eigentlichen Rechnung des Unendlichen, sondern nur von unendlichen Reihen die Rede. In der ersten Ausgabe von Newton's Principiis steht (lib. II. sect. 2. prop. 7) ein Scholion des Inhalts: »Ich habe Leibnizen«, sagt Newton, »in unserm beiderseitigen Briefwechsel gemeldet, ich besitze eine Methode, Tangenten zu ziehen u. dgl. Den Satz, worauf diese Methode ankommt, nämlich Fluxionen zu finden, habe ich ihm mit versetzten Buchstaben, mit Fleiß unverständlich, geschrieben. Leibniz hat mir darauf geantwortet, er sei auch auf eine solche Methode gefallen, und hat mir die seinige mitgetheilt, die von der meinigen fast nicht als in Worten, Zeichen und dem Begriff von der Erzeugung der Größen unterschieden war.« Der Deutsche entdeckte also seine Erfindung ganz offenherzig zur Erwiderung eines Anagramma, dadurch sich der Engländer den Ruhm der seinigen zu versichern trachtete. In den neuern Ausgaben der Principiorum ist dies Scholion mit einem andern vertauscht, wo Leibnizens gar nicht erwähnt wird. Zu einer solchen Vertauschung gehörte sehr wenig Redlichkeit und sehr viel Unverschämtheit. Es kann Niemand leugnen, daß durch die Bernoulli und ihre Schüler vermittelst der Leibnizischen Rechnungen des Unendlichen unzählige neue und wichtige Erfindungen sind gemacht worden, da die Briten Newton's Entdeckungen wenig oder nichts hinzugesetzt haben.«
So Kästner in einer Anmerkung zu Newton's Leben im »Britischen Plutarch«, B. VI. S. 42 f. (Leipzig 1768). Der Brite, der seitdem Newton's Entdeckungen so sehr erweitert hat, Herschel, ist ein Deutscher. – H.
Die letzten Arbeiten Newton's waren bekanntlich chronologisch und theologisch, die seinem Ruhm wenig hinzufügten. Er starb 1727 im fünfundachtzigsten Jahr, höchst berühmt und von den Briten fast wie ein überirdisches Wesen verehrt. Sein Körper ward auf einem Paradebett in der Jerusalem-Kammer ausgestellt und in der Westminster-Abtei prächtig begraben. Der Lord-Kanzler, zwei Herzoge, drei Grafen trugen das Leichentuch. Das ihm gesetzte prächtige Monument endet seine lange große Inschrift mit den Worten: humani generis decus. Er hinterließ 32,000 Pfund Sterling (damals eine ungeheure Summe), Landhaus und Zugehör ungerechnet.


Johann Kepler war in Deutschland, in der Reichsstadt Weil 1571 geboren, zwar aus einem alten edeln Geschlecht, aber unbegütert; im Württembergischen ward er erzogen. Bald ging sein Vater in den Krieg nach Belgien, die Mutter folgte ihm und ließ das schwache dreijährige Kind zurück. Die Eltern kamen wieder; der Vater, der durch übernommene Bürgschaft das Seinige verlor, mußte Gastwirthschaft treiben, da ihm denn sein junger Sohn in der Landarbeit Hilfe leisten mußte. Eltern und Kind verfolgten Krankheiten und Unglück. Der Vater hielt die Mutter übel, ging in die Fremde und starb; die Mutter litt von ihren Eltern, krankte, der junge Kepler, der im siebenten Monat geboren war, krankte selbst.

So trat Kepler sein gelehrtes Leben an; zuerst in einer kleinen Stadt, dann in der Klosterschule zu Maulbronn, bis er im achtzehnten Jahr nach Tübingen kam, Baccalaureus, Magister, Repetent der Theologie ward, und wäre vielleicht Theolog geblieben, wenn ihn nicht nach deutscher Weise Befehl und Druck weiter gestoßen hätte. Lasset uns ihn hierüber selbst hören:

»Seit ich alt genug war, der Philosophie Süßigkeit zu erkennen, hatte ich sie mit viel Eifer gelernt, um Astronomie insbesondere aber mich nicht sehr bekümmert. Es fehlte mir dazu nicht an Geistesvermögen; das Geometrische und Astronomische, was in Schulen vorkam, begriff ich ohne Schwierigkeit; das war aber damals anbefohlner Fleiß, keine besondre Neigung. Ich ward auf Kosten des Herzogs von Württemberg unterhalten; meine Commilitonen, die der Fürst in fremde Länder schickte, zögerten aus Liebe zum Vaterlande; ich war härter und hatte beschlossen, zu gehn, wohin man mich senden würde. Zuerst zeigte sich ein astronomisches Amt, zu dessen Annehmung ich, die Wahrheit zu sagen, durch das Ansehen meines Lehrers hinausgetrieben ward. Die Entfernung des Orts schreckte mich nicht ab, sondern die unerwartete und verachtete Art des Amtes. Ich trat es an mit mehr Zuversicht auf meinen Verstand als auf meine Gelehrsamkeit und dung mir aus, daß ich meinem Recht auf eine andre Lebensart, die mir glänzender schien, dadurch nicht entsagte. Meinen Fortgang in dieser Art von Gelehrsamkeit die ersten zwei Jahre über zeigt mein Mysterium cosmographicum, wo man auch findet, wie mein Lehrer Mästlin mich reizte.« u. s. w. Ein harter Eingang in die astronomische Welt, wie unähnlich dem Eingange Newtons!

Der Fortgang darin ward Keplern nicht erleichtert. In Gräz, wohin er als Astronom berufen war, erschien zuerst von ihm ein – Kalender! und – der Prodromus mysterii cosmographici. Für des letzten Dedication erwartete er eine Vergeltung von den Ständen in Steiermark, die er wahrscheinlich nicht erhielt; das Werk selbst ward nicht anders gedruckt, als daß der arme Autor dem Drucker 200 Exemplare käuflich abnehmen mußte. So war in die Schriftstellerwelt Kepler's Eintritt.

»Seitdem«, sagt Kepler, »dachte ich ernstlich darauf, mir Beobachtungen zu verschaffen. Ich ersuchte 1597 schriftlich Tycho de Brahe, mir seine Meinung über mein Buch zu entdecken; in der Antwort erwähnte er seiner Beobachtungen; das erregte bei mir große Begierde, sie zu sehen. Tycho ermahnte mich, zu ihm zu kommen, und da mich die Entfernung abschreckte, schickte es die Vorsehung, daß er nach Böhmen kam.« Zwei Jahre vorher schon hatte Kepler der Religion wegen aus Steiermark entweichen müssen. Er ging nach Ungarn; die Religionsumstände wurden bedenklicher, man rieth ihm, nach Prag zu gehen. Er ging also zu Tycho.

»Dahin ging ich«, schreibt er, »im Anfange 1600, in Hoffnung, verbesserte Excentricitäten der Planeten zu lernen. In den ersten acht Tagen erfuhr ich, Tycho brauche mit dem Ptolemäus und Copernicus die mittlere Bewegung der Sonne; für mein Buch schickte sich die scheinbare besser; ich erhielt also von ihm die Erlaubniß, seine Beobachtungen nach meiner Art anzuwenden. Sein Hausgenoß Christian Severini hatte damals die Theorie des Mars unter Händen; hätte Christian einen andern Planeten behandelt, so hätte ich mich auch an denselben gemacht. Wiederum also halte ich es für eine Führung der Vorsehung, daß ich um diese Zeit ankam. Durch die Bewegungen des Mars müssen wir zu den Geheimnissen der Astronomie gelangen oder in solchen beständig unwissend bleiben.« An solchen Zufällen hing Kepler's Eintritt in die höhere Astronomie. Indem er Tycho's Beobachtungen über die Bewegung des Mars brauchte, dessen Hypothesen aber unrichtig fand, gelangte er zu seinem berühmten Gesetz von der Bahn aller Planeten.

Wie stand es aber dabei mit seinem nothdürftigsten Unterhalt? Schon am 17. October 1600 schrieb er an Tycho: »Du versprachst mir Unterstützung, eigne und durch Empfehlung beim Kaiser, selbst Reisekosten. Unser Contract beruhte mit darauf, daß ich mein steirisches Salarium behielte; er ist also aufgehoben, da die Provinz mir solches genommen hat. Um gegen den Kaiser und Dich nicht zu fehlen, ging ich mit meinem Schaden nach Prag, wartete da auf ungewissen Erfolg, überlegte, wie lang ich ohne mein Verderben auf meine Kosten besoldungslos leben könnte. Meine Sachen habe ich zu Linz gelassen und bin mit Frau und Stieftochter nach Prag gekommen. Jetzt habe ich nicht mehr, als was etwa noch zu einem Verzuge von vier Wochen nöthig ist. Soll ich länger warten, so müßte mir von Deiner Magnificenz das Reisegeld erstattet, oder Deine Magnificenz müßte für mich bei allen Denen, von welchen ich meinen Lebensunterhalt kaufen muß, Bürge werden. Geschieht dies, so kann ich so lange bleiben, als es Deiner Magnificenz und den Gläubigern gefällt. Indessen will ich für Astronomie so sehr arbeiten, als meine Gesundheit gestattet.«

Unbefriedigt reiste er von Prag ab und ließ die Frau daselbst, ward krank und arbeitete indeß für Tycho fort, ohne Besoldung. Im Jahr 1602 starb Tycho; Kepler ward kaiserlicher Mathematicus mit freiwillig angewiesener Besoldung, um deren Auszahlung er aber oft bitten mußte. Unter mancherlei Verdrießlichkeiten und widrigen Schicksalen lebte er zu Prag elf Jahre im Mangel.

Nach Kaiser Rudolph's Tode befahl sein Nachfolger Matthias, ihm den rückständigen Gehalt auszuzahlen, und berief ihn nach Linz. Bald aber mußte er abermals klagen: »der vom Kaiser ihm angewiesene Gehalt werde nicht gezahlt; wenn er nicht was Mäßiges von den Landständen bekäme, könne er seine Haushaltung nicht ernähren. Einen Amanuensis und Rechner könne er selten halten« u. s. w. Um zu leben, mußte er »Ephemeriden« und »Prognostica« herausgeben. Zudem bekam er mit den Theologen Zwist, denen seine Astronomie der Bibel entgegen schien u. s. w.

Kaiser Matthias starb; die Kriegsunruhen begannen. 1624 reiste er nach Wien, mit dem Gesuch um Auszahlung seiner Besoldung und Kosten zu den Rudolphinischen Tafeln, erhielt aber nichts als eine Anweisung. Mit dieser reiste er in Schwaben umher; als er den dritten Theil der Kosten zum Druck gedachter Tafeln zusammengebracht, fing er die Herausgabe an, unter Religions- und Kriegsunruhen. Die Jesuiten versiegelten seine Bibliothek, Linz ward belagert. Kepler irrte hier und dort umher, bis Ferdinand ihn an Wallenstein wies: »von ihm, als einem Liebhaber der Astrologie, sollte er seine rückständige Besoldung, die zu 12,000 Gülden angewachsen war, erhalten.« Wallenstein, der in Gedanken schon Herzog von Mecklenburg war, bestimmte ihn zum Rector seiner dortigen Universität Rostock, sein Gehalt aber zahlte er ihm nicht. So reiste er aus Sagan wieder nach Regensburg, wo Reichstag gehalten ward, wollte zurück nach Linz; aber von Arbeit und Reisen ermattet, fiel er in eine Krankheit, an der er 1630 fromm und sanft starb; noch hatte er sein neunundfünfzigstes Jahr nicht vollendet. Auf dem Peterskirchhofe ward er begraben. Seine Verlassenschaft war
        22 ganze Reichsthaler,
        11 Fl. wegen verkauften Roß und einige Gnadenpfennige. Anforderungen dagegen an kaiserliche Majestät 11,817 Fl., außerdem beträchtliche Forderungen an Landstände, Beamten und Privatpersonen. Alas! poor Kepler!

Sein Sohn Ludwig, ein Arzt, war indeß mit einem östreichischen Baron auf Reisen gewesen und hatte in zwei Jahren keine Nachricht von den Seinigen gehabt; nach seiner Rückkunft schrieb er an sie von Frankfurt aus in die Lausitz. Da kam seine verwittwete Stiefmutter mit vier Unmündigen, ohne Geld, in schlechtem Zustande, an einen Ort, wo Theurung war. Sie brachte die unvollständigen Exemplare eines Traums mit, den Kepler einst zu seinem Vergnügen aufgesetzt hatte, forderte die Ergänzung des Traums, um etwas dafür zu gewinnen, suchte Hilfe bei dem Sohn, der selbst Andrer Hilfe nöthig hatte. Ach, armer Kepler!

Im Jahr 1714, also fast 100 Jahr nach seinem Tode, wollte ein andrer armer Mathematiker Kepler's Schriften in 22 Foliobänden drucken lassen.Designatio operum Kepleri. quae parata habet Hanschius editioni per subscriptiones adornandae. 1714. – H. Der erste Band enthält lehrreiche Briefe; weiter erschien, wie leicht zu erachten war, nichts. Schon durch Leibniz waren seine Manuscripte der königlichen Akademie zu Berlin angetragen; sie blieben zu Frankfurt versetzt, bis sie 1774 nach Petersburg gekauft wurden, wo die mathematische Classe der Akademie sie durchgehen sollte. Die meisten der Keplerischen Schriften, die bei seinem Leben gedruckt wurden, sind eng gedruckt, außer der »Harmonik« und den »Rudolphinischen Tafeln«. Welche Mühe Kepler bei ihrer Förderung zum Druck hatte, beweisen seine Briefe an Bernegger und andre Freunde.Epistolae Kepleri et Beneggeri. Argent. 1672. – H.

Im Jahr 1786 kam man auf den Gedanken, ihm zu Regensburg ein Monument aufzurichten, wo von ihm nicht einmal sein Grabstein geblieben war. Durch Subscription sollte es zu Stande kommen und kam also – nicht zu Stande.Prof. Ostertag schlug es vor. – H. »Es war sehr gleichgiltig,« sagt Kästner.Geschichte der Mathematik, Band 4. S. 352. – H. »ob Deutschland, das Keplern bei seinem Erdeleben kaum dürftig Brod gab, ihm, da er schon länger als anderthalbhundert Erdenjahre unsterblich war, einen Stein gegeben hätte.

»Beiträge aus ganz Deutschland hätten kein Monument veranstalten können, und Regensburg keines gefaßt, so prächtig als das, welches man (noch dazu vom Jesuiten Riccioli dem selbst bei Lutheranern verketzerten Kepler gesetzt) durch jedes Fernrohr – im Monde sieht.

»Steinerne Denkmale erinnern an einen Gelehrten höchstens seine Freunde und gewesenen Mitbürger, und das auch auf kurze Zeit; sein Andenken zu erhalten, ist Papier dauerhafter als Marmor.«Die Notizen, die Kästner von Kepler's Schriften und Lebensumständen in seiner mehrgenannten »Geschichte der Mathematik« sorgfältig gesammelt, und die hier dankbar genutzt wurden, sind ihm ein solches Denkmal. Kästner's zwei Sinngedichte auf Kepler sind bekannt:
    »So hoch war noch kein Sterblicher gestiegen.
    Als Kepler stieg – und starb in Hungersnoth!
    Er wußte nur die Geister zu vergnügen;
    Drum ließen ihn die Körper ohne Brod.«

                                  »An Christloh Mylius,
      »bei der Übersendung von Kepler's Harmoniae mundi.

    »Freund, da Dein zärtlich Ohr der Tonkunst Reiz empfindet.
    Des Weltbaus Harmonie Dein tiefer Geist ergründet.
    Lies, was von beiden hier der Lehrer Newton's schreibt.
    Den Deutschland hungern ließ und – seiner unwerth bleibt.
                                                              Kästner.« – H.

Sinnreich hat Kästner die drei großen Mathematiker, Tycho, Kepler, Newton, mit einander verglichen und (Galilei mit eingeschlossen) ihre Verdienste gegen einander gehalten.A. a. O., S. 371 ff. – H. In Betracht ihrer Lebensumstände sagt er: »Tycho starb im vierundfunfzigsten Jahre, Galilei im achtundsiebzigsten, Newton im fünfundachtzigsten, Kepler im sechzigsten, nicht viel älter als Tycho. Hält man, was diese vier Männer für die Wissenschaften geleistet haben, gegen ihre Lebenszeiten. so fällt die Vergleichung sehr zum Vortheil Kepler's aus. Noch mehr, wenn man ihre Glücksumstände betrachtet.

»Tycho besaß eignes Vermögen, erhielt königliche und kaiserliche Unterstützung. Galilei genoß einträgliche Gnade seines Großherzogs. Newton beschäftigte sich mit der Mathematik zu seinem Vergnügen; ihn zu Annahme des Lehramts zu Cambridge zu bewegen, mußte Barrow viel Mühe anwenden. Kepler rechnete auf Besoldungen, die ihm nicht ausgezahlt wurden; der Sitte deutscher Gelehrter gemäß war er verheirathet. In welchen Umständen er Wittwe und Kinder hinterließ, erzählt der Sohn Ludwig dem Landgrafen von Hessen in der Zueignung des »Traumes«, begreiflich nicht ohne Absicht. Kepler konnte betteln gehen, wenn er wollte, sagte von ihm Hausen.

»In dieser Lage schreibt er doch aufgeräumte Briefe an seine Freunde, erzählt selbst seine widrigen Schicksale ohne Klagen, erfand – nicht einzelne Lehren, sondern Wissenschaften, Dioptrik, elliptische Astronomie, Gesetze der Bewegungen einzelner Planeten u. s. w.; selbst brauchte er bei Ausrechnung von Körpern Abkürzungen, wie nachher in der Rechnung des Unendlichen sind gebraucht worden. Tycho und er machten Beide lateinische Verse, Kepler mit mehr poetischem Geist. Selbst seine Prose ist voll poetischer Lebhaftigkeit, und Dichterwitz zeigt sich überall bei seinen Theorien. So hatte er Anlage zum Dichter wie zum Mathematiker; keine von beiden führt zum – Reichwerden.«A. a. O., S. 372. – H. Was folgt aus dieser Zusammenstellung?


Beilage.
Ueber die verschiedene Schätzung der Wissenschaften nach Zeiten und Nationen.

Barbarus hic ego sum, quia non intelligor ulli!»Hier bin ich ein Barbar, weil Niemand mich versteht«. Ovid. – H. [Diese Stelle (Trist., V. 10. 16) führt Herder in anderer Beziehung Werke, XIII. S. 295 an. – D.] Dies ist die Überschrift, wie manches Werks, so manches wissenschaftlichen Geistes. »Er kam zu früh,« sagt man gewöhnlich; oder: »Er stand an unrechtem Ort«, und dabei läßt man's bewenden. Lasset uns der heuchelnden Ausgleichung näher vors Auge treten!

1. Allerdings geht der Periode des Wissens eine Zeit des Ahnens, des Träumens vorher; jeder Nation ist es indessen Pflicht, jene Dämmerung, so lieblich sie als Morgenröthe des Tages erscheine, über die Gebühr nicht zu verlängern. Unstreitig war die Astrologie eine solche Dämmerung, die der Astronomie voranging; in manchen Ländern und Ständen ward sie über die Gebühr verlängert. Zu Kepler's Zeiten galt der Mathematicus für einen Zeitenwahrsager aus Sternen. Man hält es für Amtspflicht des Mathematikers, Jahres-Prognostica zu schreiben,« so fängt Kepler eine seiner Schriften an, die er dem Edeln von Rosenberg zum Neujahrsgeschenk sandte.De fundamentis astrologiae certioribus. Pragae, welche Schrift Kästner, von ihm selbst ungesehn, aus Weidler's Verzeichnis anführt. (A. a. O., S. 229.) Sie enthält 75 Theses und den Schluß. In den Sätzen selbst sowie in der Dedication spricht Kepler laut und klar gegen die Sterndeuterei, und doch mußte er sogar politisch sterndeuten. – H. Ob er wol diese Kunst tief verachtete und ihren Ungrund zeigte, mußte er sich ihr doch unterziehen; denn auch an Kaiser und Stände scheint ihn gerade dieser Theil seines Amts zunächst gebunden zu haben, wie sein Brief an den Kaiser Rudolph, seine Andeutung des Sterbejahrs Matthias' u. s. w. zeigt.S. Kästner, a. a. O. S. 368. – H.

Wie weit fortgerückt hierin war das Zeitalter Newton's! Dieser tadelte sogar die Anwendung der Analysis auf praktische geometrische Aufgaben, welches er einen falschen Geschmack nannte.Newton's Leben im »Britischen Plutarch«, Th. 6. S. 50. – H. Er durfte die Wissenschaft rein behandeln, hoch und gesichert stand er über den Meinungen des Pöbels.

2. Eine noch bösere Schätzung der Wissenschaften giebt die Beurtheilung ihrer nach Vorurtheilen des Parteigeistes, zumal der Religionssecten. Das Stillstehen der Sonne im Buch »Josua« hätte der ächten Astronomie beinah Stillstand geboten, wenn nicht Galilei und Kepler aller Verfolgungen ungeachtet dem Copernicus treu geblieben wären. Daß Kepler sich von Tycho's ausgleichendem System ungeachtet ihrer nahen Verbindung wegzuwenden das Herz hatte, zeigt ebenso sehr die Stärke seines Geistes als seine Liebe zur Wahrheit; der Satz, daß aus Falschem Wahres folge, war ihm unerträglich.

Ueber alle die Befehdungen der Wissenschaft, die Kepler von katholischen wie von protestantischen Theologen zu bestehen hatte, war Newton's Zeitalter erhoben. Ueberhaupt, welchen Schaden hat es in Deutschland der Wissenschaft gebracht, daß dies Land in Religionsparteien getrennt und zerrissen da liegt! Sind wir nicht Alle Deutsche? Giebt es eine katholische und protestantische Physik, Mathematik, Moral u. s. w., an Grundsätzen unterschieden? Sollte es sie geben? Alle Die, die Religionsbekenntnisse ins Spiel bringen, sind Feinde der Wissenschaft aus Vorurtheilen des Pöbels. Auch zu Newton's Zeiten verlor sein Nachfolger zu Cambridge, Whiston, seinen mathematischen Lehrstuhl, weil er Arianische Meinungen hegte; Halley bekam ihn, dem jede Religionsmeinung gleichgiltig war.

Welch eine andre Gestalt hätte Deutschland, wenn jede seiner Provinzen jedem Manne von Wissenschaft gleich zugänglich wäre! Und, nochmals gesagt, sind wir nicht Alle Deutsche?

Kein Religionsdogma muß dem Forschungsgeiste der Wissenschaft sein Ziel setzen wollen oder dies heuchlerisch zu verrücken streben. So wenig es der Wissenschaft vergönnt ist oder es je ihr Amt sein wird, ächte Religion zu untergraben, so wenig darf und soll diese, wenn sie ächter Art ist, wahre Wissenschaft hindern. Daß Ihr einen begeisterten Ausruf Josua's, den ein Heldenlied sang, unpoetisch faßt und auslegt, soll dieser Stumpfheit sich das Weltsystem fügen?

3. Jede Nation hat ihre eigne Ansicht der Wissenschaften. Erweis davon ist der verschiedne Begriff, den man hie und da, dort und dann mit dem Namen Wissen, Männer von Wissenschaft, Gelehrte u. s. w. verband und verbindet. In jeder Sprache, oft in jeder Stadt, an jedem Hofe haben die Worte eine andre Bedeutung und Nebenbedeutung. Was sich der Grieche unter dem Wort Philosoph, Weiser, der Römer unter dem Namen Mathematiker, die mittlere Zeit unter einem Sternseher dachte, was der Franzose unter einem savant, homme de lettres u. s. w. begreift, nennt der Deutsche nicht anders als mit Ingredienzien seiner Art, in Beziehung auf Wissenschaften, die er cultivirt.

Diesen Gesichtskreis der Wissenschaften setzten jeder Nation theils Bedürfnisse fest, theils eigentümliche Neigungen und Einsichten, kurz, ihre Lage und ihr besonderer Zustand. Einem Volk, das die Künste des Schönen liebt, fallen die Wissenschaften ins Auge, die, den Künsten unentbehrlich, diese gründen, schmücken und festhalten. Ein Volk, auf Handel und Gewinn erpicht, eine Meeresnation z. B., ehrt die Wissenschaften, die dem Handel, der Schifffahrt, dem Gewerb dienen. Einem Volk endlich, das reitet, jagt und trommelt, sind die Reit-, Jagd- und Trommelwissenschaften nebst Allem, was ihnen anhangt, die National-Encyklopädie ihrer Bewundrung und Achtung. Geschicklichkeit in ihnen dünkt ihm die höchste Virtuosität.

Je vielseitiger und feiner eine Nation gebildet worden, je mehr sie sich selbst kennt und weiß, was ihr frommt und dient, je größerer Namen in Wissenschaften und Künsten sie sich rühmen darf und in Erfahrung den Nutzen ihres Wissens und Thuns erprobte, desto umfassender, höher und wahrhafter wird ihr der Begriff einer ihr eigentümlichen Wissenschaft, mit desto wahrerer Achtung ehrt und lohnt sie das Verdienst derselben. Ein Volk dagegen, dem in der Wissenschaft und Geistescultur nichts heilig, ehrwürdig, achtungswerth erscheint, dem Alles in ihnen Zeitvertreib und Posse oder Pedanterei und unnützer Kram dünkt, von wahrer Cultur dürfte dies Volk noch sehr entfernt sein. Mensch und Volk können sich nicht leicht so bloßgeben, als wie sie über Werth der Wissenschaften urtheilen; da zeigen sich auch unter der Löwenhaut am Sichtlichsten die aures!Die Ohren des in der Löwenhaut steckenden Esels. In der Fabel verräth den Esel sein Geschrei. – D. Urtheile mancher römischer Kaiser von der und jener Wissenschaft, das Lob, was die Großen der und jener Kunst ertheilten, vorzüglich, was den Reichen lieb und werth war – gewiß ist dies der drolligste Anhang der wissenschaftlichen Geschichte. Gemeiniglich standen die Wissenschaften dem Pomp oder der zeitkürzenden, lustigmachenden Gaukelei am Nächsten; das Wahre in ihnen, der Geist der Wissenschaft, war selten volksmäßig. »Was dem Volk gefällt,« sagte Copernicus, »verstehe ich nicht; was ich verstehe, gefällt ihm nicht: wir sind geschieden.«

4. Wohlthat für die Nation ist's also, wenn erlesene große Geister und Gemüther Achtung für wahre und nützliche Wissenschaften ihr festsetzen und diese als wesentliche Erfordernisse in ihr gründen. Sei es durch Stiftungen und Anstalten oder durch Gesetze und Einrichtungen, gnug, daß die Wissenschaft nicht um kärglichen Lebensunterhalt arbeiten müsse, oder gar – betteln nie gehen dürfe. Schande für die Nation, bei der dies nicht etwa nur zutrifft, sondern Tagesordnung ist, selbst nach Gesetzen und Instituten! Und jedesmal ist dies der Fall, wenn z. B. in ihr durchaus keine Stellen reiner Wissenschaft als solcher gewidmet sind, sondern diese in allen ihren Zweigen nur Brodstellen zugeordnet sind, mithin das Schlechteste dem Besten nach- oder beianläuft. Ein Körper ohne wirkende Hände, ohne gehende Füße ist mangelhaft; gewiß aber auch ein anderer ohne denkenden Kopf, ohne sehende Augen. Diese müssen heiter und ruhig sehen, nicht nur vor Stoß und Hieb, sondern auch vor Knechts- und Fußdiensten gesichert sein. Keinen Theil von uns legte die Natur in eine so hohe und feste Burg als das Gehirn, das Werkzeug des Denkens. Selbst den Chinesen stehen wir nach, wenn unsre Mandarine der Wissenschaft, im Pöbel sich verlierend, für Mangel schmachten und darben, indeß die Unwissenden, die Gedankenlosen in trägem Uebermuth verschwenden und großthun. Die ärmste Nation kann und muß so viel erübrigen, daß die Wissenschaften nicht darben, oder daß man das Ihrige ihnen als Almosen reiche. Es ist ein enger Ruhm der Fürsten, wenn sie die Wissenschaften, abhängig von ihrer Person, nur almoseniren. Unabhängigkeit ist nebst sorgenfreier Muße der Wissenschaften erstes Bedürfniß; sodann sind's die Hilfsmittel, ohne welche sie müssig und lahm bleiben oder auf falsche Wege und Speculationen gerathen. Ohne Hilfsmittel sind die Wissenschaften im Staat nicht gesunde Arbeiter im großen Laboratorium der Natur, sondern Febricitanten in elenden, abgesonderten Hospitalen.

5. Da Geister zu Erfindung neuer Wissenschaften und Werkzeuge zwar von der Natur gesandt, aber durch Umstände erweckt oder niedergedrückt, gefördert oder verwahrlost werden, so ist's ein Vergehen gegen die heiligsten Geschenke und Gaben der Natur, wenn von unreinen Thieren diese Perlen aus dem Kranz der himmlischen Urania zertreten werden. Unser Herz blutet, wenn wir die edelsten Menschen von den Unwürdigsten gekränkt, mißhandelt, verfolgt sehen. Ja, wenn diese mit anmaßend drückendem Geschwätz ihnen auch nur Geduld und Zeit rauben, sehen wir's mit Unwillen und Verachtung. So lesen wir das Consistorialrescript an den gewissenhaften Kepler, weil er die sogenannte Eintrachts- oder Zwietrachtsformel in einigen Ausdrücken der Kirchenscholastik zu unterschreiben Bedenken fand.»Von Gottes Gnad, durch Christum, neben Erbietung unsrer gutwilligen Dienst und christlichem Gebet zuvor.« Fischlin. Memoriae supplementum, p. 342. – H. So sehen wir die Inquisition an, wenn sie sich über Galilei und Copernicus eine Entscheidung anmaßte. Alle selbstdenkenden, geschweige erfindenden Geister sind ihrer Natur nach über den Volkswahn (opinionem vulgi) erhaben. Die innere Freude, die Kepler über seine Erfindungen genoß, war ihm belohnende Seligkeit und ohne Nach- und Zuklang widriger Volksstimmen in seinem Herzen wie in seinen Schriften oft ein begeisterter Hymnus. »Ist's nöthig, den Werth göttlicher Dinge nach dem Preise eines Gemüsepfennigs zu schätzen?«Kepleri Prodromus dissertationum cosmographicarum continens mysterium cosmographicum, 1596, p. 2. – H. Dem hungrigen Bauch nutzt freilich die Kenntniß der Natur und die ganze Astronomie nichts. Edlere Menschen aber hören nicht auf solche Stimmen der Barbarei, die deshalb diese Studien wegschreien wollen, weil sie nicht nähren. Maler, Tonkünstler ertragen wir, die unser Auge und Ohr vergnügen, ob sie uns gleich sonst keinen Nutzen bringen; das Vergnügen, das man aus ihren Werken schöpft, hält man nicht nur für menschlich, sondern für edel. Wie unmenschlich also, wie närrisch, dem Geist sein edleres Vergnügen zu mißgönnen, das man doch den Sinnen, dem Auge, dem Ohr gönnt! Krieg gegen die Natur führt Der, der diesen Vergnügen entgegenstrebt; denn der große Meister, der nichts in die Schöpfung brachte, als was der Notwendigkeit diente oder zur Schönheit und Lust gereichte, er sollte den menschlichen Geist, den Herrn der ganzen Natur, sein Bild, ihn allein sollte er mit keinem Vergnügen bedacht haben? Wie wir nun nicht fragen, aus welcher Liebe zum Gewinn der Vogel singt, da wir wissen, daß Gesang vergnüge und er zum Singen gemacht ist, so muß man auch nicht fragen, warum der menschliche Geist mit so vieler Mühe die Himmel durchsuche. Denn vom Schöpfer ist er eben dazu den Sinnen vorgesetzt, nicht etwa, daß er blos für seinen Unterhalt sorge (tierische Instincte könnten dies schneller bewirken), sondern auch, daß er von dem, was ist, was er mit Augen bemerkt, zu den Ursachen aufstrebe, woher es sei und werde, gesetzt, daß es uns keinen andern Nutzen brächte. Wie Thiere und auch der menschliche Leib durch Speise und Trank erhalten werden, so wird der Geist des Menschen, ein vom Menschen Verschiedenes, in Vegetation und Wachsthum erhalten durch diese Erkenntnißspeise. Zwar nicht Jedermann. Der Pöbel findet an himmlischen Dingen keine Nahrung, edlere Gemüther aber finden sie. Wie man nun Kostbarkeiten zum Nachtisch genießt, wenn man satt ist, so gewinnen erhabne, weisere Seelen an ihnen alsdann Geschmack, wenn sie aus ihrer Hütte, aus ihrem Flecken, aus ihrer Stadt, Provinz oder Königreich sich zum Weltreich aufschwingen und dort umherschaun. Wer hienieden in menschlichen Dingen die Hinfälligkeit dieser erkannt und gefunden hat, wie nirgend hier ganz die Seligkeit wohnt, wie hier nichts dauernd, nichts ewig ersättigend ist, der wird von der Erde himmelwärts streben, seinen von leeren Sorgen matten Geist droben zur Ruhe bringen und sagen:

Glückliche, denen zuerst dies anzuschauen vergönnt war!
        Die zum Himmel emporstiegen, o glückliche Sie!

Geringer zu schätzen wird er anfangen, was ihm voreinst das Vortrefflichste schien. Gottes Werke wird er über Alles hochachten und in ihrer Betrachtung eine reine, lautere Erquickung finden.

Kepleri Prodromus p. 88. – H. Schöpfer der Welt! Du ewige Macht! Durch alle die Räume
        Schallet Dein Ruhm; er schallt Himmel und Erden hindurch!
Selbst das unmündige Kind hallt nach die Stimm'; es verkündet,
        Daß der Lästrer verstummt, laut des Unendlichen Lob.

Großer Künstler der Welt! Ich schaue wundernd die Werke
        Deiner Hände, nach fünf künstlichen Formen erbaut,
Und in der Mitte die Sonn'! Ausspenderin Lichtes und Lebens,
        Die nach heil'gem Gesetz zügelt die Erden und lenkt
In verschiedenem Lauf. Ich seh' die Mühen des Mondes,
        Und dort Sterne gestreut auf unermessener Flur.

Kepleri Mysterium cosmographicum. – H. Vater der Welt, was bewegete Dich, ein armes, ein kleines
        Schwaches Erdgeschöpf so zu erheben! so hoch,
Daß es in Glanz da steht, ein weithin herrschender König,
        Fast ein Gott; denn er denkt Deine Gedanken Dir nach.

Herrscher der Welt! Du ewige Macht! Durch alle die Welten
        Schwingt sich auf Flügeln des Lichts Dein unermessener Glanz.«


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