Johann Gottfried Herder
Adrastea
Johann Gottfried Herder

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7. Propaganda.

Mit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts bildete sich in England eine Gesellschaft zu Ausbreitung des Christenthums, die auch in Schottland Nacheiferer fand. Ihr Zweck war, ob sie sich gleich zunächst der Armenschulen ihres Landes rühmlich annahm und solche errichtete, allgemein; daher sie auch, als die dänische Mission nach Tranquebar 1705 von Kopenhagen abging, das Werk dieser, die Bekehrung der Malabaren, willig unterstützte. Auch gegen die Salzburgischen Vertriebenen und sonst hat sie sich milde bewiesen. König Wilhelm hatte sie im Jahr 1701 eigen constituirt.

Die königlich dänische Mission hat bekanntlich das Jahrhundert hindurch gedauert, von Dänemarks Königen unterstützt, deren Charakter ausgezeichnet christliche Güte gewesen. Ihr erster und berühmtester Missionar war Ziegenbalg, der sogleich damit anfing, sich ein malabarisches Wörterbuch von 20.000  Wörtern und Phrasen, ein poetisches von 17.000 zu sammeln, und mit vielem Eifer wirkte. Sein Gehilfe und seine Nachfolger waren größtentheils aus der Hallischen Schule, wie denn auch die Berichte der Mission mit allen ihren Fortsetzungen beim Hallischen Waisenhause gedruckt erschienen. Auch zu diesem Werk wirkte der große A. H. Franke.

Ungleich sind zwar, wie es nicht anders sein kann, die Berichte der Mission und haben jetzt, da Indien durch mehrere Nationen bekannt ist, viel an ihrem Interesse verloren; anfangs aber, auch in der Folge periodisch hie und da, zeichneten sie sich durch Briefe der Bramanen, durch Unterredungen mit ihnen und Andern, Indiern und Mohammedanern, sehr aus. Man hörte die Hindus selbst sprechen, ihren Glauben und ihre Lebensart vertheidigen, man sah sie leben. Unter den Missionaren waren mehrere fleißige und geschickte Männer, die über die Naturlehre des Landes, den Charakter, die Religion und Sprache seiner Einwohner Aufschlüsse gabenEin Auszug erschien Halle 1752: »Ostindische Naturgeschichte, Sitten und Alterthümer von G. F. Gerbert«. – H. und manche Denkwürdigkeit nach Europa sandten. Doch davon reden wir jetzt nicht, sondern vom Zweck der Mission, der Bekehrung der Malabaren.

Könnte gegen diesen ein Einwand stattfinden? Sollen nicht alle Völker gelehrt und getauft werden? Sind dessen die friedlich-sanften Indier nicht vorzüglich werth? Ja, müßte in ihre stillen Seelen die Wahrheit des Christenthums sich nicht aufs Leichteste und Tiefste einsenken?

Ferner. Sind sie nicht unter dem Joch ihrer Bramanen, die für sie denken? umfangen mit dem Blumenteppich zahlloser Götter, zu denen sie wallfahrten, denen sie Opfer bringen, meistens zwar Blumenopfer, denen zu Gunst sie sich aber auch die gewaltsamsten Bußen auflegen und sich lebenderweise langsam ertödten? Wer hat nicht die armen Büßenden beiderlei Geschlechts selbst in ihren körperlosen Entzückungen bedauert? Wen hat nicht bei den Leichenbegängnissen, da lebende Weiber ihren todten Männern in der Gluth nachfolgen, geschaudert? Der Dienst der BajaderenDienerinnen der Götter, tanzende, singende Weibspersonen. – H. endlich, ihr Venusdienst an Göttertempeln, der ihnen heilige Lingam – lasset uns, sofern dies Alles eine Bekehrung der Indier durch unsre Christen betrifft, Gespräche hören. Ein Europäer und ein Asiat, der beide Theile kennt, sprechen mit einander.Vgl. hierzu Herder's Werke, XIII. S. 557 ff. – D.


Gespräche über die Bekehrung der Indier durch unsre europäischen Christen.

1.

Der Asiat. Sagt mir doch, seid Ihr noch nicht davon zurückgekommen, Völker, die Ihr unterjocht, beraubt, plündert und mordet, denen Ihr Land und Verfassung genommen, denen Ihr mit Euren Sitten ein Gräuel seid, zu bekehren? Käme Jemand in Euer Land, erklärte Euer Heiligstes, Gesetze, Religion, Weisheit, Staatseinrichtung u. s. w., auf eine freche Art für das Abgeschmackteste, wie würdet Ihr ihm begegnen?

Der Europäer. Hier ist der Fall anders. Wir haben Macht, Schiffe, Geld, Kanonen, Cultur.

Asiat. Haben jene Völker keine Cultur? Mich dünkt, die feinste, die es im Menschengeschlecht giebt. Sieh ihren Körperbau, ihre Physiognomie und Lebensweise! Betrachte ihre Sitten, ihre Erziehung, lerne ihre Sprache! Lies ihre Dichter, höre ihre Weisen!

Europäer. Nicht weise zu unserm Himmelreich.

Asiat. Dahin wollen sie auch nicht, dafür schaudert sie, wenn sie es in sanfter Bescheidenheit auch nicht sagen. Mit Menschen, die in allen Lastern leben, die fluchen, zanken, Wein trinken, Schweine essen, die Haare mit Thierfett salben u. s. w., mit solchen wollen sie in keinen gemeinschaftlichen Himmel. Ich dächte, man ließe ihnen den ihrigen, ihr Paradies, wohin sie durch Barmherzigkeit, Sanftmuth und gute Werke streben, den Himmel der Nähe Gottes, den ihr Volk in allem Guten und Schönen, den ihre Weisen nachsinnend im tiefsten Grunde ihrer Seelen suchen und verehren, ihn, der Alles belebt, der ihnen sich in jeder Gestaltung verwandelt darstellt.

Europäer. Das eben hat ihre schreckliche Mythologie zahlloser Götter gegeben, die den Europäern viel Kopfbrechens verursacht haben. Wie unerhörte, lange, viele, schwere Namen! welche Verwandlungen! welche Märchen! Hinweg mit ihnen! es ist nur ein Gott.

Asiat. Leugnet dies ein Braman? Bilden sie sich nicht vom obersten Wesen so rein erhabne Vorstellungen, wie sie der gemeine Europäer kaum zu fassen vermag? Und diese reinen, erhabnen Weisen wolltet Ihr zu Eurer in den dunkelsten Jahrhunderten der Menschheit entstandenen Scholastik bekehren?

Europäer. Das Volk aber hangt an Pagoden. Götzenbildern und Gebräuchen.

Asiat. Das Eure nicht? Und woran hangen Eure Weisen? An barbarischen Wortformeln, den elendesten Symbolen. Wie geduldig und mühsam suchen sich jene zu entkörpern, um den Einen zu finden, der, bildlos selbst, Alles regt! Ihn so fest ins innerste Gemüth zu fassen, daß er allein da ewig lebe, ist der Zweck ihrer stillen Beschauung. Hast Du Geduld, einige bramanische Andachten von diesen Palmblättern zu hören?


Wünsche der Bramen.

»Laß uns die höchste Herrschaft der Gottheit anbeten, der Sonne, die Alles erleuchtet, Alles erquickt, von der Alles kommt, zu der Alles kehrt. Wir rufen sie an, um unsern Verstand gerade zu ihr zu richten, auf unserm Wege zu ihrem heiligen Sitz.

»Was Sonne und Licht der sichtbaren Welt sind, das ist der unsichtbaren, der Verstandeswelt Gott und die Wahrheit. Wie unsre körperlichen Augen von Gegenständen einen Begriff bekommen, wenn sie die Sonne erleuchtet, so erlangen unsre Seelen ein gewisses Erkennen, wenn sie am Licht der Wahrheit nachdenken, die vom Wesen der Wesen kommt. Dies Licht allein führt uns der Seligkeit zu.«


»Möge meine Seele, sie, die in wachenden Stunden hinaufsteigt wie ein ätherischer Funke, die selbst im Schlummer, leicht wie ein Strahl vom Lichte der Lichter, weit umherfliegt, möge sie sich durch sinnende Andacht dem Geiste einen, der die höchste Seligkeit, der höchste Verstand ist!

»Möge meine Seele durch jene Kraft, durch welche die niedriggebornen Menschen ihre kleinen Werke, die Weisen und Gelehrten ihre heil'gen Weihgebräuche verrichten, sie, das ersterkorne Weihgeschenk der Schöpfung, möge durch sinnende Andacht sie sich dem Geiste einen, der die höchste Seligkeit, der höchste Verstand ist!

»Möge meine Seele, sie, ein Strahl vom Licht vollkommener Weisheit, ein reiner Verstand, ein unvergänglich Wesen, ein unauslöschlich Licht, gesenkt in geschaffene Leiber, möge sie einigen sich durch sinnende Betrachtung ihm, der die höchste Seligkeit, der höchste Verstand ist!

»Sie, die Unsterbliche, die das Vergangne, die Gegenwart und Zukunft in sich faßt, sie, die das heiligste Opfer, dem sieben Diener dienen, allein nur weiht, möge sie einigen sich dem höchstverständigen, höchstseligen Geist!

»Sie, in welche die heil'gen Gebote, den Speichen des rollenden Rades gleich, befestigt sind, in welche gewebt sind alle Gestalten der erschaffnen Welt; sie, die, dem Führer gleich, der die schnellen Rosse zügelt, den Wagen der Menschheit lenkt; sie, die in meiner Brust wohnt, befreit von Alter, schnell in ihrem Lauf: möge sie einigen sich der höchsten Weisheit, der höchsten Seligkeit!«


Solche Begriffe von Gott, vom Gottesdienst, von der menschlichen Seele haben die Indier in tausend Gebeten, und Ihr wollt sie zu Eurem dornigen Scholasticismus bekehren?


2.

Europäer. Das gemeine Volk hat aber nicht so reine Begriffe; es hangt an Fabeln, Märchen und Erzählungen, an Festlichkeiten und unförmlichen, ja oft unzüchtigen Göttergestalten.

Asiat. Welches Volk hangt nicht an der Schale? Nur nach und nach lernt es den Kern kosten. Wenn Eure Missionarien alle diese Erzählungen gewöhnlich so mißverstanden, daß sie sie für nackte Wahrheit hielten, so standen sie unter dem indischen Volk, das diese Märchen als Märchen, dem Sinne nach hörte, der in ihnen liegt. So hören Kinder die Märchen, wohl wissend, daß es solche sind; die Indier sind noch in diesem kindhaften Zustande. Erzählt ihnen Eure Geschichten, sie hören sie nicht anders.

Europäer. Unsre Geschichten sind, hoffe ich, von andrer Art.

Asiat. Allerdings. Sie sind daher ihrem sinnlichen Begriff, ihrer anschauenden Fassungskraft fern und fremde. Wie schwer muß dem Indier eine jüdische Geschichte zu denken sein! ebenso unbegreiflich wie der Schnee, den nie sein Auge sah. Er vergleicht sie mit der seinigen, an die er gewöhnt ist, und findet sie dürr, wunderlich, albern, macht sonderbare, in seiner Vorstellung aber treffende Zweifel. Ich höre, es sei eine Hypothese bei Euch im Schwange, daß die Weisheit der Indier westwärts von Griechenland hergeflossen, daß manche Fabeln ihrer Göttergeschichte, z. B. von Krischna, sich von Eurer Religion herschreiben sollen, die im ersten Feuer der Völkerbekehrung hieher, ja bis nach China drang. Wäre dem also, so bemerkt, wie sich in indischen Köpfen die Sagen ferner Länder gestalten! Ein Gleiches bemerkt, wenn Ihr geborne Indier über Eure Religion sprechen hört oder die Briefe Eurer bekehrten Katecheten leset. Die Sprache selbst erfordert schon Umgestaltung der Begriffe, neue Einkleidung. Einheimische, ihnen angemessene, mit ihnen erwachsene Erzählungen verleidet Ihr ihnen also und gebt ihnen dafür fremde, die sie nicht zu brauchen wissen, und die sie doch nur in ihrer Weise geduldig, höflich, gläubig als Märchen hören.

Europäer. Im christlichen Unterricht ist aber nicht Alles Geschichte.

Asiat. Gottlob nicht, Alles aber doch auf Geschichte gebaut und aus ihr abgeleitet. Wenn nun auch das Abgeleitete, wie es nach dem Gange der Cultur in Europa nicht anders sein konnte, in ebräisch-griechisch-lateinisch-deutscher Form erscheint, wären diese Einkleidungen, Predigten, Katechismus-Bußübungen, Lieder u. s. w. der Fassungskraft der Hindus, Tamuler, Cudelurer nicht abermals fremde? Dränge man gar darauf, daß in diesen fremden Formeln der Weg zur Seligkeit, der einzige wahre Glaube liege, und setzte dagegen die sinnreichsten, gemüthlichsten Vorstellungen der Indier tief hinunter: kann man's ihnen verdenken, wenn sie sagen: »Auch der hungrige Tiger, fräße er Gras? So bleibe Jedem seine Religion, ihm zugehörig. Aeße ein Armer Allerlei unter einander, wie wird ihm das bekommen? Und wenn man reine, schöne Speisen genießen kann, warum wollte man nicht dabei bleiben?« – »Die Leute von Eurem Geschlecht sind ja so unterschieden! Ihr habt so viele Gesetze; warum sucht Ihr diese nicht erst in Eins zu bringen? Wir, so verschiedene Stämme und Völker, haben Alle nur ein Gesetz. Lasset es uns! – Die dreihundertdreißig tausendmal tausend Götter kamen einmal zu Tsiwen und beklagten sich über die ungeheure Menge der moralischen und historischen Religionsbücher und ihrer Gebote, bittend, daß er ihnen die Summe aller in wenig Worten sage. Tsiwen sprach: »Dem Nächsten Gutes thun, ist Tugend; dem Nächsten Uebels thun, ist Sünde; das ist die Summe aller Gebote.««

Hat Tsiwen Unrecht?


3.

Europäer. So schön dies Alles klingt, wer mag leugnen, daß die Indier unter einem doppelt harten Joch leben, dem Joch ihrer Religion und ihrer despotischen Gebieter? Wie, wenn die Christen sie daraus zu befreien strebten?

Asiat. O thäten sie dies! Nun aber sagen die Indier: »Was hilft's, wenn man Jemand das Fußeisen abnimmt und ihn dafür in den Block setzt?« Haben die Europäer jene geduldigen Menschen glücklicher oder unglücklicher gemacht? Haben sie ihre Lasten gemehrt oder gemindert? Land, Verfassung, Autonomie haben sie ihnen genommen, ihren heiligen Boden mit Lastern, Gräueln und Schande besteckt.

Europäer. Doch nicht alle Nationen Europa's in gleichem Maß?

Asiat. Gewiß nicht; indeß athmet jeder Europäer, wenn er nach Indien kommt, indische Luft. Kann er ein Raja der Rajas, ein Unterdrücker der Unterdrückenden werden, er wird's. Die dänische Colonie ist ohne allen Zweifel, auch ihrer Schwäche wegen, die am Wenigsten unterdrückende worden; indessen auch bei ihr fanden sich bisweilen nicht Gewissens-, sondern Beutelskrupel, daß die Mission dem Handel schade. Nur durch die feste Gesinnung gutmüthiger Könige in Dänemark konnte sie sich aufrecht und im Gange erhalten. Aus ihr sind die Missionen in Madras, Cudelur, Calcutta, Tirutschinapalli entstanden; die Engländer lehren und taufen die Völker durch Geld, um Geld, mittelst Missionen andrer Völker. Die armen Deutschen lassen sich zu Allem gern gebrauchen.

Europäer. Warum nicht? Ist's nicht gut, wenn neben Blutsaugern auch ein Friedensengel erscheint?

Asiat. Könnte er aber auch Heil geben! Brächten es z. B. die Europäer dahin. daß keine Frauen ihren Männern sich weiterhin im Feuer aufopfern müßten, dahin, daß keine Unterdrücker und sie selbst nicht mehr unterdrückten, vervortheilten, beraubten, quälten: gesegnet wäre die Religion der Christen, auch ohne daß ein Indier sie formularisch-historisch annähme. Alle genössen die Frucht derselben, ächte Humanität reiner Beziehungen in einer glücklichen Völkerverbindung! Einmal hat den Europäern die Vorsehung Wage und Maß in die Hand gegeben; sie sollen messen, sie sollen wägen. Messen sie aber mit falschem Maß allein zu ihrem Vortheil, was wird in ihrer Hand die entscheidende Schicksalswage, die zu Beförderung des Glücks der Völker ihnen anvertraut ward?

Europäer. Daran denkt in Europa Niemand.

Asiat. Traurig! Wo Macht sich nicht mit Weisheit und Güte gesellt, da wird sie –

Europäer. Zudringlich.

Asiat. Das sanfteste Wort, das nur ein Europäer wählen konnte; aber ich nehme es an. Welche Zudringlichkeiten habt Ihr Euch gegen uns erlaubt!.

Europäer. Weil wir Macht, Schiffe, Kanonen und europäische Cultur haben.

Asiat. Lasset uns dagegen unsre asiatische! Zudringend kommt Ihr und befragt uns, selbst über die Geheimnisse unsers Hauses. Bei Euch, höre ich, ist Neugierde eine Art Höflichkeit, bei uns nicht. Wir drängen uns zu keinem Fremden, leben zurückgezogen; das Andringen der Fremden, ihr Fragen sehen wir als einen Mangel der Erziehung und der Achtung an, die einem Volk gegen das andre gebührt und geziemt. Erscheint Ihr, weintrinkende Schweinfleischesser, nun gar, Thierhaare auf Eurem Haupt, unreine Salbe in Eurem Haar, in einer uns unanständigen Kleidung, in schwarzer, uns unleidlicher Farbe, Ihr leget uns Bücher in Thierhäute gebunden vor – wir dürfen und wollen sie nicht berühren. Versagt Ihr Euch den Höflichkeiten, denen sich bei uns nach hergebrachter Gewohnheit kein König entsagt, z. B. dem Ausziehen Eurer unreinen Schuhe, weil, wie Ihr sagt, Moses seine Schuhe nur vor dem brennenden Busch auszog, quält und ermüdet uns allenthalben, auf Weg- und Stegen, in Ruhehäusern und Pagoden mit einer zudringlichen Predigt, die Ihr an jeden kleinen Umstand unsrer Lebensweise knüpft: was können wir anders als Euch sprechen lassen, so lang Ihr wollt, bis Ihr – geht?Die öftere Formel der Missionsberichte war: »Sie hörten Einen an und ließen Einen gehen.« – H. Wenn Ihr uns zu Euch lockt: »Komm zu uns, uns zu hören!« antworten wir geduldig: »Wenn ich wissen will, ob eine Feige gut schmeckt, muß ich sie erst kosten? Ich weiß es schon aus dem Ansehn. So, wenn wir mit Euch umgehn, wissen wir schon, wie es mit Eurer Religion beschaffen ist. Zu einem wasserreichen, von den breiten Tamarei-Blättern bedeckten kühlen Teiche gehen gern die Leute und waschen sich darin. Ist Eure Religion gut, so werden Leute schon zu Euch kommen, ohne daß Ihr sie aufsucht.«

Europäer. Wir suchen sie auf des Gewinns halber; das Andre – ich nehme die dänische Mission aus, die einen reinen Zweck hatte – ist eine anständige Bekränzung.Zum Opfer. – D.

Asiat. Deshalb führt Ihr auch mit jedem erpreßten und erwucherten Schatz Fluch nach Europa.

Europäer. Glaubst Du nicht, daß wir das wissen und vor uns sehen? Jener aus Indien rückkehrende Tyrann und Räuber erhenkt, dieser erschießt sich; andre verthun ihre Schätze, durchjagend andre Länder, allenthalben die Sitten verderbend.

Asiat. Glaubt Ihr aber, daß damit Amerika, Afrika, Asien, unser Indien gerächt und versöhnt sei? Schaut Euer Portugal und denkt an die Scheiterhaufen in Goa! Euer Spanien, und erinnert Euch des Kaisers Montezuma, geröstet auf Kohlen!Vgl. Herder's Werke, I. S. 82 f. – D. Denkt an die Bergwerke von Potosi! England endlich, der stolze Phönix, der sich zum eignen Brande seine Specereien fernher holt und selbst dereinst sich die Gluth anfacht! Christen, Ihr habt viel zu vergüten, viel zu versöhnen! Daß Ihr es thut, daß Ihr Eure Schuld erstattet, dafür bürgt das Schicksal.

Europäer. Der Knäuel der Ariadne, Menschenerrettung und Völkervereinigung, ist in unsrer Hand.

Asiat. Wohl Euch und Jenen, wenn Ihr ihn anwendet! Alle Nationen der Welt werden Euch danken. Vergesset aber nicht, daß dieser hohe Beruf keine ostindische Compagnie sei!

Europäer. Auch eben keine London'sche Propaganda.Hier folgte zum Schlusse des ersten Stückes des dritten Bandes Knebel's elegisches Gedicht »Adrastea« und zum Beginne des zweiten Stückes die zweite Abtheilung der aus Campanella übersetzten Gedichte: »Prometheus aus seiner Kaukasushöhle«, nebst der »Nachschrift« dazu (Herder's Werke, III. S. 324–337). – D.

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