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92.

Basel, 23. März 1888.

Heute habe ich Semesterschluss gehabt, und nun gibt es gar keine Exkuse mehr für mich, wenn ich noch länger als zehn Wochen mit Beantwortung Ihres werten Schreibens vom 13. Januar zaudere. Ich kann einstweilen zu meinen Gunsten sagen, dass hier in der Zwischenzeit nichts passiert ist, das Sie nicht aus andern Quellen genauer hätten vernehmen müssen.

Melden Sie mir nun, was endlich mit den Jardins d'Alcinous geworden ist. Der goldene Hund mag ja wegbleiben, da er doch nur mit grosser Vorliebe vorgetragen wirken würde, als grosses etwa geflügeltes Prachttier. Was Sie von den Schwierigkeiten, ja Unmöglichkeiten des Sujets überhaupt sagen, kann ich nicht annehmen, denn mit den gleichen Argumenten würde im Grunde alles unmöglich. Wenn Teilnahme aus der Ferne und in blossen Briefen etwas helfen würde, so wären Sie der meinigen bei all Ihren Entwürfen völlig sicher. Lassen Sie mich hören, was Sie jetzt auf der Staffelei haben, nicht damit ich mit guten Ratschlägen angezogen komme, sondern weil es mich interessiert. Auch eine kleine Griffonnage im Brief könnten Sie davon mitgeben?

Meine Aulavorlesungen sollen nun auf immer ein Ende haben. In meinem Maul sind jetzt nur noch fünf Zähne vorhanden, und ich prononciere schon sehr mangelhaft, und daraufhin muss man mich in Ruhe lassen, abgesehen davon, dass ein Mann von siebzig Jahren überhaupt nicht mehr vors Publikum und kaum mehr in ein Amt gehört. Die Menschen müssen nun so gut sein, dieses einzusehen.

Es ist gut, dass es neulich in Paris über einen kritischen Tag so kalt und trübe war. Erbärmlich und hilflos ist die Lage überall, wo von unten herauf und durch die Presse regiert wird, aber so elend wie in Frankreich geht es doch nirgends. Selbst Boulanger ist nur pétulance und contrefaçon und gar alles ist réclame. Frankreich wie mehr oder weniger alle modernisierten Staaten wird von Strebern bis aufs Mark aufgefressen. So kann's aber noch lange gehen! Die Griechenstaaten haben über zweihundert Jahre so geserbelt Hinsiechen., bis die Bevölkerung sich allmählig aufgerieben hatte und die Verödung eintrat, d. h. zwei Drittel der Städte nur noch menschenleere Trümmer waren. Wo Streber gewaltet haben, erhebt sich die Tyrannei nur noch momentan und lokal, und das Strebertum wird immer wieder Meister. Wenn nicht die Römer darüber gekommen wären, hätte auch der Rest der Nation sich aufgezehrt. Also Geduld! und richte man sich aufs dauernde Elend ein.


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