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68.

Basel, 23. Dez. 1882.

Meine früheren Ratschläge werfen Sie nur, ich bitte drum, sämtlich in den Kamin – dieselben beruhten auf der Annahme, dass Sie 1. Aquarellist, 2. Architekturphantast bleiben würden. – Jetzt dagegen ist es völlig in der Ordnung, dass Sie auf dem hohen Meer der Studien aller Art derjenigen Spezialität begegnen, welche dazu bestimmt ist, die Ihrige zu werden. Es ist wie mit Bräuten. Doch sehe ich, dass Sie zwischen hinein wieder an Gärten der Armida denken. Beiläufig: die Kostüme sind für Rinald wie für die Zauberin völlig frei, doch darf diese als grosse Königstochter nicht nackt sein. Die Caracci und ihre Schüler und noch Luca Giordano haben die Szene öfter gemalt, und auch im Louvre muss etwas derart vorhanden sein. Welchen Louvre ich sehr gerne in Ihrer Gesellschaft durchstreifen möchte, wobei Sie mir die Gesetze der Linien und Winkel explizieren würden, wovon ich leider keine blasse Idee habe. Überhaupt würden wir zusammen, Gott sei Dank, noch von etwas anderm zu reden haben als von den Stuhlgängen des Bürgers Gambetta.

Dieser Tage führte der Gesangverein mit fremden Soli und Engelberger Glucks Alceste auf, welche an Wert wohl der Armida gleich steht. Ich knuspere jetzt an deren Klavierauszug; überhaupt bin ich jetzt wohl vier, fünf Abende in der Woche daheim und spiele von 9 Uhr an Klavier und trinke meinen Schoppen dazu. Die Halle bleibt auf die Ihnen bekannten Tage, Montag und Donnerstag, beschränkt. Leider habe ich schon zweimal meinen Wein bezahlt und ungetrunken stehen lassen, weil X. an den Tisch kam, dessen Geschnatter und superiores Gelächter mir nun einmal gegen die Nerven geht. Wohlerzogene Leute sind ja in dieser Welt hilflos gegen die Zudringlichkeit.

Im Januar muss ich zweimal in der Aula auftreten, obschon mir jede Unterhaltung mit E. E. Publikum allgemach sehr fatal erscheint; das taugt in meinem Alter gewiss nicht mehr. Es ist nicht die Mühe, was ich scheue, sondern das öffentliche Auftreten. Weil aber die Einnahme des Kurses unserer armen öffentlichen Bibliothek zufällt, kann ich mich nicht entziehen. – Und Alter schützt vor Torheit »kaum«, wie Sie so schön sagen.

O Gott, soeben ist mir von einem Autor eine Tragödie zugesandt worden, welche ich nun lesen und womöglich schön finden soll. Sehen Sie, das sind Dinge, womit man Sie in Ruhe zu lassen pflegt, obschon ich für nichts garantiere.

Nun leben Sie wohl und treten Sie das neue Jahr fröhlich und glücklich an.


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