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77.

Basel, 6. Mai 1884.

Ihren Wanderungen durch das für Sie bewohnbare Paris hätte ich gerne beigewohnt, wir hätten dann so manches Gemeinsame entdeckt. In der Sorbonnekirche war ich öfter, aber die Hofhalle kannte ich nicht. – Mit Geymüller verkehre ich öfter brieflich wegen des Cicerone, für dessen fünfte Auflage er die Überarbeitung des Abschnittes Architektur übernommen hat. Er hat es nun so eingerichtet, dass ausser ihm auch ich eine Korrektur jedes Bogens bekomme, und nun muss ich hie und da eiligst an ihn schreiben, um ihn zu Änderungen zu bewegen, die ich doch nicht auf mein persönliches Risiko nehmen kann. Was Sie von malenswürdigen Weibsleuten sagen, bringt mich auf den Salon. In der Halle wird beständig gefragt, ob Sie auch ausgestellt haben oder nicht? Einstweilen besehe ich die grosse Nummer der »Illustration«, wo es denn an Weibsleuten in allen Attitüden nicht fehlt.

Mittwoch.

Wenn Ihnen in Frankreich irgendein avenir sich auftut, so bleiben Sie! In grossen Ländern, auch wenn sie ebenfalls den Demagogen anheimfallen und das Regieren im Sinne der städtischen Massen geschieht, hat doch Leiden und Schikane nicht den persönlichen Charakter wie in kleinen Verhältnissen. – Mich wundert an diesen Dingen nichts, als dass sie so langsam gekommen sind; von jetzt an wird das Tempo freilich schneller werden. Wie ich mir das Ende im europäischen Grossen denke, wissen Sie, und ich kann nur beifügen, dass mein Gedankenbild sich immer deutlicher präzisiert. – Einstweilen leben wir wie Leute, die zwar schon unter ihren Geschäften sind und dafür angesehen werden, doch aber ihre Lebensweise noch nicht vor allem Volk herabstimmen mögen; wir geben uns mit geistigen Interessen, Studium, Kunst, Musik usw. ab, solange es geht, da wir doch an nichts anderes gewöhnt sind. Aber ich wenigstens sage mir täglich: dies kann einmal von Stund' an aufhören.

Samstag und Sonntag haben wir hier Beethovens D-moll-Messe im Münster. – Was Musik betrifft, so sind jetzt hier Rezensenten in zwei Zeitungen, welche völlig verwagnerpfefferte Ohren haben müssen.


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