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42.

Basel, 14. Juli 1880.

Ich wünsche auf alle Weise Glück dazu, dass Sie im Style parisien fassädeln können und glaube, dass Sie bald in eine eigentliche Karriere kommen können, wenn die Zeiten ruhig bleiben. Vive le caractère parisien! Et même le chic parisien! weil denn doch einmal der daran hängende Glaube selig macht. Auch Ihre Erfahrungen in Sachen der täglichen Nahrung sind im ganzen doch recht tröstlicher Art, indem selbst der cannon à 15 Centimes beim Marchand de vin nicht zu verachten ist.

Ich bleibe des Abends jetzt meist allein zu Hause. Dieser Tage erhielt ich ein Billet von Geymüller samt Prospektus einer Ausgabe der Schriften des Lionardo da Vinci, welchen eine englische Übersetzung mit Noten soll beigegeben werden; für die Aufzeichnungen über Architektur hat G. die Erläuterung übernommen: Leonardos writings on architecture will be commented on by Baron Henry de G. usw. usw. – Von seinem St. Peterstext aber hat er mir diesmal nichts gemeldet.

Sonst geht hier wahrhaftig nichts vor, was ich Ihnen melden könnte. In sechzehn Tagen ist Semesterschluss, und ich sehne mich danach, denn gegen Mitte Sommers hin pflege ich müde zu werden, und gegenwärtig ist es heiss und oft schwül. Wahrscheinlich bleibe ich die Ferien hindurch hier und oxe. Ich habe wieder zirka sechshundert Photographien von Crippa gekauft, wie es für mein Geschäft wünschbar ist, das ich noch gar nicht, wie Sie vorschlagen, an den Nagel des Verhängnisses zu hängen im Sinne habe; im Gegenteil suche ich mich für dasselbe immer vollständiger zu assortieren, in Geschichte wie in Kunstgeschichte. – Ne pas se déshabiller avant de se coucher! sagt das welsche Sprichwort. Ja, wenn ich gesicherten Besitz zur Genüge hätte, dann würde ich meine Besoldung und den geschichtlichen Lehrstuhl aufgeben und mich als Prof. honorarius auf die Kunstgeschichte zurückziehen, aber solange die Kräfte und das sonstige Schicksal es gestatten, muss ich aushalten Erst 1886 legte B. die Geschichtsprofessur nieder, um nur noch Kunstgeschichte zu lesen, bis Frühjahr 1893.. Nicht, dass mir der Lauf der Welt im allgemeinen auf die Länge sehr gefiele, aber ich glaube, dass ich bei möglichster Verlängerung einer vorgeschriebenen und regelmässigen Beschäftigung ruhiger und zufriedener lebe. Alte Leute, welche ihr Metier aufgeben, werden etwa unruhige Käuze oder Projektmacher.

Letzten Sonntag nachmittag pilgerte ich über Hüningen und nahm im ehemaligen Café de la Place – den jetzigen Namen weiss ich nicht – schwarzen Kaffee – und siehe da, er war noch gut wie in der französischen Zeit, und das rührte mich. Bei der Ode Hüningens ohne alle Garnison fiel mir die dumme Frage ein: was soll aus diesem Städtlein noch werden? Zumal wenn … So im Original. auch deutsch werden sollte! Denn, Gott verzeih mir's, ich muss manchmal darüber nachdenken, wie es uns gehen wird in jenem nächsten Kriege, den ich in näherer Zukunft voraussehen muss, als mir und andern Leuten lieb ist.

Damit ich aber nicht noch weiter ins Politisieren komme, will ich Ihnen nun freundlich Adieu sagen.


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