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63.

Basel, 2. April 1882.

Schönsten Dank für Brief und Studie. Warum haben Sie aber gar nicht gemeldet, ob und wann das Blatt ausgestellt werden wird? – Jetzt können Sie auf den Aquarellausstellungen eine Spécialité vertreten, welche notwendig die Blicke auf sich zieht, und darauf kömmt ja alles an. – Der prächtige pompöse Anblick muss selbst die Stumpfen aufmerksam machen. – Nun nur in der Eile einige Glossen und Antworten.

In Sachen »Hochformat« wollte ich ja nicht einen unbedingten Vorzug aussprechen, indem das Breitformat, je nach dem Sujet, ganz unumgänglich ist, sondern mehr nur einen Modevorzug andeuten. Dito mit den Ovalformaten; dieselben können ja nur für untergeordnete Sujets und nicht für grosse Hauptaufgaben dienen und sind für reiche ausgedehnte Perspektiven und überhaupt für ausschliesslich architektonische Anblicke gar nicht zu brauchen, sondern nur für Baulichkeiten, welche in der Mitte von vieler Landschaft und Luft sich präsentieren. Alles, was ich sagen wollte, ist: für kleinere, also häufiger begehrte Sujets ist das Oval ein beliebtes Format; einzelne bedeutende Meister aber lehren uns nun, wie die Komposition ins Oval zu behandeln ist, und diesen Meistern kann man im Louvre leicht nachgehen. – Ferner bei diesem Anlass: auch Panneaux-Formate und dergleichen können in Aquarell beliebt werden.

Bei Anlass der Gloriette von Schönbrunn: ich erinnerte an dieselbe nur, weil sie das einzige uns beiden bekannte reine Phantasiegebäude ersten Ranges ist – und nun kommt etwas sehr Mühsames, nämlich das Ihnen bevorstehende Studium im Freien, das Stimmen der Luft zur Architektur, überhaupt die Magie der Aquarellüfte, das Spiel der Lichter, la surface des Steines, Mörtels, Metalls usw. Sehen Sie sich im Louvre nach Lüften aller Art, besonders nach leichten, dunstigen mit Sommerwolken, fleissig um.

Nun können Sie ein langes Künstlerleben beginnen und durchleben, auch wenn Sie nur in mehr und mehr vollkommener Behandlung folgende Themata ausspinnen: Vom Altertum nur ein phantastisch gesteigertes Pompejanisches, sonst nichts; vom Mittelalter nur ein dito Romanisches; von der Renaissance an aber alles, was Ihnen irgend zusagt. Namentlich aber werden Sie allmählich ein Verhältnis schliessen zu den drei grossen Tätigkeiten des Barock: a) den dekorativen Freskenbestandteilen (Architekturen, Galerien, Untensichten usw.); b) der damaligen Theatermalerei, wofür Sie auf der Bibliothèque Nationale zunächst etwa »le scene di Bibbiena« sich mögen zeigen lassen, ein ansehnliches Kupferwerk; c) der damaligen Prospektmalerei in Öl.

Sodann würde ich Ihnen raten, bei den Antiquaren Quai Malaquais sich nach dem bekannten Lehrbuch des Pater Pozzo umzusehen: Perspectivae pictorum, man hat es in allen Sprachen (1 oder 2 Bde. kl. Folio), und auf den Text kommt es nicht an.

Bibbiena und Pozzo repräsentieren in den Formen bekanntlich den frechsten Barock, aber in der Anlage sind sie Phantasiemeister ersten Ranges und können, gehörig gereinigt, Quellen der schönsten Motive werden.

Zur Prospektmalerei in Öl: Denken Sie sich folgendes in der Galerie von Parma befindliche Bild eines gewissen Dentone um 1630: ein prachtvoll düsterer Palasthof bei Vollmond und Fackelschein, Hochbild; in der Mitte wird geheimnisvoll eine Leiche bestattet. – Ich meine ja nicht, dass Sie in Öl malen sollen, sondern nur solche Themata kennen lernen.

Nehmen Sie die Staffage sehr ernst; man kommt ja in den Fall, die Bilder danach benennen zu müssen, da sie ja nach dem Hauptthema, der Architektur, sonst alle den gleichen Namen hätten – also frisch drauf: jeu d'enfants – les mendiants heureux – les funérailles usw. (Ich führe mich ganz grässlich frech auf mit all diesen Ratschlägen, welche so wohlfeil zu geben sind, aber das Ding nimmt mit mir den Reissaus.) – Gehen Sie auch die Säle der Handzeichnungen im Louvre durch, es ist für Sie einiges dort.

Summa summarum: da ausser Ihnen kaum noch ein Aquarellist in Paris lebt, welcher zugleich Architekt gewesen ist, da alle Pariser Maler sich wegen der Perspektiven bekannte Gehilfen müssen kommen lassen, so haben Sie auf diesem Gebiet einen Vorsprung, welcher eine veine sein kann.

Nun noch dies und jenes. Den buisson des Ruysdael sah ich schon 1879 blank geputzt, und der Louvre ist eine bekannte Schlachtbank alter Bilder. Wahrscheinlich haben es die mörderischen Restauratoren »vom Stück« und scheuern daher so viele Bilder als möglich. Die ganze Galerie de Marie de Médicis hatte in meiner Jugend zwar mehrere alte Firnisse und ansehnlichen Dreck auf sich sitzen, aber dabei einen warmen Goldton; seither ist sie gründlich geputzt und in der Karnation an manchen Stellen so käseblank geworden!

Dass in Paris überall R. Wagner einreisst, ist ein Zeichen vor dem Ende; es muss mit der französischen Musik anerkanntermaassen Matthäi am Letzten und Gounod völlig aufgegeben sein, sonst käme Wagner nicht auf.


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