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53.

Basel, 16. Febr. 1881.

Nachdem Ihr werter Brief vom 27. Januar eingelaufen war, kam gestern vor acht Tagen in der Halle wo ich mich von der Vorlesung In der Aula des Museums. Seinen wirklich letzten öffentlichen akademischen Vortrag in der Aula hielt B. erst am 15. November 1887. Das Thema der zwei oben erwähnten Vorträge lautete: Napoleon I. nach den neuesten Quellen. erholte, auch Ihre Karte in meine Hände. Ich ersah daraus Ihre aufrichtige Teilnahme und nehme nun an, dass Sie auch nächsten Dienstag in Stille meiner gedenken werden. Wenn es meinen Wünschen nachgeht, so wird dieser 22. Februar derjenige Tag sein, da ich so Gott will zum letztenmal in meinem Leben vor dem Publikum auftrete. Die Sache wird bei wachsenden Jahren ganz unglaublich beschwerlich.

Meine besten Glückwünsche zu der endlich aufgefundenen Wohnung, welche Sie Mitte April beziehen wollen. Es ist freilich ganz verflucht weit; ich habe die Rue Jouffroy auf meinem grossen Plan von Paris gesucht und sie etwa eine halbe Stunde von der Madeleine und leidlich nahe an der Fortification gefunden; als einzigen Trost in der Nähe einen Square, jenseits der Gare des Batignolles. Aber dies kann durch anderweitige Vorzüge aufgewogen werden; für mich z. B. würde jede Aussicht, welche nicht gegen ein vis-à-vis von Fenstern, sondern in einen Hof, Garten oder ins Freie geht, mit hohem Preis nicht zu teuer bezahlt erscheinen.

Von dem Magnetiseur Donato, welcher gegenwärtig hier Furore macht (und starke Privatkonsultationen haben soll), werden Ihnen die andern geschrieben haben. Es ist doch recht merkwürdig, wenn man sich aller Aufklärung zum Trotz, mit eigenen Augen von der willenlosen Folgsamkeit der Magnetisierten überzeugen muss, wie ich am letzten Mittwoch. Hundert Jahre lang haben die Naturforscher gesagt: es ist nur Schwindel! – jetzt sagen sie: es ist was dran, aber die Sache ist fatal, weil sie sehr gemissbraucht werden kann. – Also doch! Jeder Zweifel hört nämlich auf, wenn man dabei gewesen ist.

Gestern war hier Aufführung eines weltlichen Oratoriums von Händel, »Herakles«, mit einigen ganz wunderschönen Partien, aber einer Mehrzahl von Perückenmelodien, welche gar kein Ende nehmen wollten. Eine solche Arie besteht aus einem ersten Teil und einem zweiten, nach welchem der erste ganz umständlich wiederholt wird; man hatte zwei Drittel dieser Arien weggelassen, aber der Rest war noch immer lang genug. Da jedoch der Saal ganz voll war, wollen es die Leute offenbar nicht anders haben.

Mieux vaut tard que jamais, sonst muss ich sagen, dass es für einen so alten und langjährigen Pariser wie Sie einigermassen eine Schande ist, bis jetzt den Hémicycle in der École des beaux arts nicht gesehen zu haben, denn der wurde von jeher gezeigt. – Als ich denselben 1860 zum erstenmal sah, wurde mir fast übel, indem ich zugleich deutscher Fresken gedachte. Welche enorme soziale Überlegenheit des Delaroche! Mit welcher ungezwungenen guten Lebensart sitzt und steht das alles durcheinander! – Ganz jämmerlich stinkt daneben ab Kaulbach mit seinem Reformationszeitalter, der den Delaroche offenbar zu überbieten glaubte. – Dass Müntz die Gipsabgüsse sichtbar gemacht hat, dafür werde ihm Lohn in bessern Welten. Es war eben hohe Zeit. – Seine gar zu freundliche Äusserung über meine Wenigkeit hat mir auch Geymüller geschrieben.

Besagten Geymüllers Grossquartanten muss ich nun allgemach in freien Stunden mit den Helgen vergleichen. Gott sei Lob und Dank, dass dies kolossale Werk nun fertig ist Die ursprünglichen Entwürfe für St. Peter in Rom, 1880 abgeschlossen.; ich glaube, es wird die Folge haben, dass für grosse Publikationen man von Seiten der Behörden ihn wird bald hie bald da in Anspruch nehmen. (NB. Alles nur, wenn Frieden bleibt.) Es gibt in ganz Europa kein halbes Dutzend Leute, welche eine so vielseitige Fähigkeit und eine solche Energie miteinander verbinden. Das Nächste wird also Lionardo da Vinci als Architekt sein.


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