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15.

München, 24. Aug. 1877.

Schönsten Dank für ihren Brief vom 19. Wenn Sie wüssten, wie sehr mich jedes Lebenszeichen von der Bande erfreut, woraus ich ersehen kann, dass wenigstens alles fidel und wohlauf ist! – Die Schicksale sind unterschiedlich! Meinem verehrten Freund Paul Heyse z. B. ist vor sechs Wochen das einzig (von dreien) übriggebliebene Kind seiner zweiten Ehe gestorben und der Schwiegervater ist seit vierzehn Tagen schlagflüssig und nun ist er und seine Frau vom Schicksal völlig eingeschüchtert; sie müssten ihre Haushaltung sozusagen von neuem anfangen.

Gestern habe ich dem Notieren und Umschreiben ein Ende gemacht und das Geschriebene in ein Paket getan, und diese vier Tage bis Dienstag wird nun endlich gebummelt und mit Heyse konversiert. Das Wetter ist endlich wieder etwas kühler geworden, aber das Innere der Gebäude glüht noch hie und da. Gestern abend z. B. war's im Opernhause nicht auszuhalten. Man gab Goethes Iphigenie, und ich hatte lange geschwankt, ob ich dieses auf der Szene sterbenslangweilige, obwohl in Intention und Diktion wunderschöne Schauspiel sehen sollte – dachte aber am Ende: es wird ja ganz leer und also nicht sehr heiss sein, und am Ende hörst du gut rezitieren; – aber o Täuschung! 1. Das Münchener Publikum hört noch klassische Stücke um ihrer selber willen und das Theater, so riesig es ist, war sehr gut besetzt und mordioglutheiss, – 2. die Schauspieler waren insoweit gut, dass Iphigenie wenigstens nicht störte, Arkas aber nur ein gutes Organ zu einer geringen Figur hatte und permanent falsch betonte, d. h. immer den Akzent auf das Adjektiv legte, wo er auf das Substantiv gehörte, und umgekehrt. Dieser Arkas wurde von Herrn Possart gegeben, und nun genierte ich mich, einen Nachbar zu fragen, ob dies der berühmte Possart sei; man nimmt sich mit einer solchen Frage so fürchterlich provinzial aus. Die Konsequenz hievon war, dass ich nach einer Viertelstunde mein Geld im Stiche liess, meinen Überzieher fest um meine Lenden und Schultern schlug und nach dem Ratskeller stürmte, wo es denn besser war. Ich traf einen Kunstfreund, der eben aus Italien kam, und wir mokierten uns den ganzen Abend über die Taufen der hiesigen Pinakothek. Es war auch sonst ein interessanter Mann von sehr speziellen Kunst- und Geschichtsstudien.


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