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12.

München, Samstag, 11. August 1877, abends.

Ihr Urteil über das Maximilianeum ist leider nur zu gerecht; es ist ein Kartonmachwerk, und wenn man die kümmerliche Rückseite sieht, wird einem vollends schwach. Ich habe nur deshalb einige Dankbarkeit für das Gebäude empfunden, weil es wenigstens äusserlich in die Formen der Renaissance hinüberleitet und den Geist von dem jämmerlichen Gotisch der Maximiliansstrasse befreit.

Den Lepautre habe ich noch nicht; dieser Tage stand Shylock unter der Tür seiner Bude, als ich vorüberging; ich grüsste nur sehr freundlich. – Einstweilen habe ich zum Trost – allerdings um 1 Mark – ein grosses Blatt von Bibiena (Augsburger Nachstich) erworben, welches die fabelhaftst tollste Barockprachthalle mit einer phantastischen Perspektive nach allen Seiten darstellt. Es ist mein Leib- und Hauptblatt.

Heute liess ich mich mit einem Strom von Menschen durch die Säle der Residenz treiben, die Sie ohne Zweifel kennen. Von den Fresken sage ich nichts; in den zwei Schönheitskabinetten des Königs Ludwigs I. musste ich aber gestehen: trotz der faden, almanachmässigen Auffassung des Hofmalers Stieler, von welchem alle diese Porträts herrühren – es war an sich ein königlicher Gedanke und nur ein König konnte ihn ausführen. Dem reichsten Privatmann zu Gefallen hätte man nicht die Erzherzogin wie die Schusterstochter gleichmässig bewegen können, zum Malen zu sitzen, damit eine vom Stand unabhängige, völlig neutrale grosse Konkurrenz der Schönheit entstehe. – Himmlisch war, wie der Kustode von all den Damen sagte, wo sie noch lebten und mit wem sie verheiratet seien! – Am Trumeau des einen Kabinetts hing 1856 einsam das Bild der Lola Montez mit ihren zwei schreckhaften und schönen Augen; dasselbe war jetzt ersetzt durch Frau X, »geborene Daxelberger, Tochter eines Kupferschmieds von Minchen«, predigte der Kustode. – Der Thronsaal allein, mit den zwölf goldenen Statuen hat etwas Grossartiges, wenngleich diese goldenen Wittelsbacher sämtlich vom Rücken her beleuchtet sind. – Aber nun kam die Hauptsache, die Sie vielleicht noch nicht gesehen haben, nämlich die Zimmer Kaiser Karls VII., aus den Jahren 1730-1740 usw., geradezu der herrlichste Rokoko, der auf Erden vorhanden ist, und an Erfindung und elastischer Eleganz sogar den Prachtzimmern von Versailles überlegen. Man wird jetzt mit dem ganzen Schwarm durchgetrieben, aber ich lasse mich noch ein paarmal durchtreiben, um mir diese wunderbaren Formen noch kräftig einzuprägen. Und zwar ist es ein Crescendo, von den Vorsälen bis zum Schlafzimmer und verrückt prächtigen Toilettenkabinett. Das grosse Prachtwerk über die Residenz muss diese Räume wohl mit enthalten, wenn es schon so weit gediehen ist.

Die Teuerung der Photographien in den eigentlichen Kunstläden erreicht hier einen ganz lächerlichen Grad; z. B. für ein Blatt von höchstens fünf auf dreieinhalb Zoll, welches zugestandenermaassen nicht nach einem Bilde der Pinakothek direkt, sondern bloss nach der alten Lithographie photographiert ist: 1 Mark 70 Pfg. Und als ich so frei war, einiges Erstaunen an den Tag zu legen, wurde mir frech bemerkt: Ja es gibt's eben hier nicht anders. Mein Trost sind natürlich die Antiquare, wo man sog. Ausschussblätter, bisweilen das Wünschbarste und Schönste, für 80, ja für 40 Pfennig haben kann. Überhaupt bin ich mit den Antiquaren, auch mit dem tauben Vogel, ganz wohl zufrieden.


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