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41.

Basel, Dienstag, 22. Juni 1880.

Soeben erhalte ich Ihren zweiten inhaltreichen Brief und will nun sogleich antworten, um nicht wiederum in Rückstand zu geraten. Sie müssen mit mir Nachsicht haben, ich bin ein armes starkbeladenes Tier und muss wegen einer übernommenen Sache Burckhardt besorgte damals die 2. Auflage der »Zeit Konstantins des Grossen«; das Vorwort ist datiert Juli 1880. dies Jahr hindurch jeden Abend bis 9 Uhr arbeiten und mir jede Stunde absparen; Ferien wird es für mich kaum geben. Sodann passiert hier nichts. Ihnen wünschen wir alle von Herzen Glück, dass Sie so bald haben in eine Tätigkeit kommen können, mag dieselbe auch vorerst wenig einbringen und mühselig sein. Von Paris und seinem Anblick bleibt dabei doch unendlich vieles Ihr Eigentum und Sie schwimmen in einem grossen Wasser. Das politische Elend aber regiert hier en miniature wie zu Paris im grossen; der Grosse Rat hat wieder einmal eine Konzession an die Radikalen, einen jener abgeschmackten sog. Fortschritte geboren, die gänzliche Abschaffung des Schulgeldes auch für die höhern Schulen; wirklich talentbegabte Arme hatten schon bisher alles frei, aber jetzt hat's der mittelmässige épicier auch für seine Brut legal ertrotzt. Und fortan deckt's »der Staat«.

In Paris aber, statt Amnestie zu dekretieren usw., sollte man doch endlich der Schande ein Ende machen, dass ganze kolossale Depôts von Kunstwerken entweder erbärmlich eng und schlecht beleuchtet aufgestellt sind wie die im Luxembourg oder überhaupt gar nicht sichtbar sind, wie z. B. im Louvre unerhört viele Gemälde in den Magazinen liegen, indem frühere Ignoranten, welche Direktoren waren, deren Wert und Herkunft einfach nicht erkannt hatten. – Für Val de Grâce weiss ich nur den Rat: wenn Sie einmal in der Nähe sind, so fragen Sie den Concierge – ja nicht, ob er Ihnen aufschliessen könne, denn das darf er um kein Geld der Erde, sondern: welches der Öffnungsnachmittag oder vormittag sei, denn ein solcher hat früher existiert. Place du Trône Place de la Nation mit den zwei Pavillons von Ledoux. habe ich in meinem Leben nie gesehen, und Vincennes auch nicht. Dass die leidlichen Exkneipen um Paris herum schon teuer und die guten rasend teuer sind, ist ein rechtes Leiden; mancher Parisien nimmt seinen Proviant mit und verzehrt ihn im Freien, worauf er in irgendeiner Ortschaft eine Tasse Kaffee oder einen Schluck Wein trinkt. Das Teuerste ist, wenn Sie es noch nicht wissen sollten, der Pavillon Henri IV. zu St. Germain. – Das Innere von St. Eustache ist ein recht interessanter Baster von gotischen Proportionen und modernen Formen und sonst nichts; die neuere Fassade – Louis XIV. oder sogar XV. – ist auch nach meiner Überzeugung eine von den guten und geistvollen. – Was Sie von den Häuserreihen am Boulevard extérieur beim Père Lachaise schreiben, veranlasst doch die Frage: wer alimentiert diese kostbaren Anstalten in jener Gegend? Es muss auch dort Leute geben, die sich's was kosten lassen.

Um eine Aufführung des Tell im grand opéra beneide ich Sie unter allen Umständen; hätte ich das im letzten Herbst wieder dort erwischen können statt der Muette! Die Dicknasigkeit der Herren vom Orchester in der Probe hat mich sehr divertiert, aber ich fürchte, es ist wieder nur ein Stück von der allgemeinen Renitenz der Dienenden.


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