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10.

München, Freitag, 3. August 1877.

Die Tagesevenements sind hier Einstürze von im Bau begriffenen Häusern, bis jetzt vier binnen zehn Tagen; ein Philister bei Pschorr (herrliches Bier!!) behauptete gestern, es seien schon sechs, und erklärte mir die Sache: man maure nämlich ohne Kalk, so dass die Ziegel beim ersten Anlass wieder auseinanderwichen; das Haus werde gewöhnlich, noch bevor es fertig sei, geschwind einem Toren angehenkt, und wenn es dann einstürze oder, kaum bezogen, gleich wieder geräumt werden müsse, so gebe das eine schöne Reputation für die »kenigliche Residenzstadt Minchen«! Wer ein Haus kaufen wolle, der möge um Gottes Willen ein altes kaufen! …

Samstag.

Es hat wieder ein im Bau begriffenes Haus gestern eilig apart gestützt werden müssen. Dies nur beiläufig. Im übrigen pflegen Sie Ihre Erkältung und glauben Sie, dass man »in unserm Alter« selbst auf der Schützenmatte und im Hörnlipavillon Ersteres ein Restaurant in Basel. Der Hörnlipavillon am Fuss des Grenzacher Horns am Rhein. nicht ungestraft »unter Palmen wandelt«. Hier in München nimmt sich jedermann (auch der sonst unvorsichtige Diener Ew. Hochwohlgeboren) beständig in acht und an den drei glutheissen ersten Tagen dieser Woche hatte alle Welt den Überzieher über dem Arm. Gestern wagte ich mich in eine »Würzburger Weinstube« und fand gutes, aber doch sehr teures Getränk und Leute, aus deren Gespräch ich merkte, dass es besser sei, nicht anzubinden, überliess mich daher meinen Träumen und befand mich wahrscheinlich besser dabei. Profane Menschen werden nun gleich von einem stillen Suff reden, aber es war im ganzen nur ein Schoppen! worauf ich heimging und neun Stunden an einem Faden schlief, und das ist auch ein Lob für einen Wein. Was sagen Sie aber dazu, dass die zwei frequentesten Cafés, Propst und Tanner, schon abends acht Uhr zumachen? Für die Münchner, die um diese Zeit schon in ihren Bierlöchern sitzen, lohnt sich's freilich nicht, länger offen zu halten, aber eine Fremdenstadt wie München sollte doch noch andere égards kennen. Das Beste ist, dass manche Leute sich nun einbilden, die Cafés müssten um acht Uhr schliessen. Bei diesem Anlass jedoch wurde bewahrheitet, dass ein Café de la Métropole bei der Frauenkirche bis Mitternacht offen halte, und dieses will ich heut aufsuchen.

Zu meiner grossen Satisfaktion hört ich heut, dass es bei dem Photographieverteurer X. schon bei Lebzeiten schlecht gegangen und der Absatz stillgestanden; seit seinem Tode werden beträchtlich Arbeiter abgedankt. Ich komme nicht bloss deswegen immer auf dieses Sujet zurück, weil ich dabei Geld verliere, sondern weil ich mit Sicherheit weiss, dass es mit der Zeit anders und zwar wohlfeiler werden muss, wenn auch sonst alles in der Welt nur teurer wird. Im Nationalmuseum verkauften sie publice ganz charmante Blätter zu 60 Pfennig, wie der Händler sie jetzt immer nur zu 1 Mark ablässt, und um den Gotteswillen tut's ja das Museum auch nicht.

Der Jud Rosenthal, Antiquar, hat mich in der Klemme mit einem Band, in welchen über zweihundert Lepautres aller Art eingeklebt sind; Shylock will 150 Mark, ich habe 100, ja 110 Franken geboten. Tun Sie ein stilles Gebet zum Herrn Zebaoth, dass er mich hierin glücklich führen möge! – Es sind von den leckersten Lepautres mit dabei, Plafonds und ganze Wände u. dgl.


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