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48.

Basel, 8. Okt. 1880.

Jetzt muss es sein, sonst komme ich vor Arbeit und Sitzungen lange nicht mehr zu einer Antwort auf Ihr Reichhaltiges vom 28. September. Ich bin seit elf Tagen wieder hier.

In Frankfurt ist Haustein, Backstein, polierter Stein, Majolika usw. an so vielerlei Bauten angewandt, dass ich nicht mehr erraten kann, welches von Jäger komponierte Palais Sie meinen. Aber Ihre Äusserung über die deutsche Renaissance und die Art, wie die Nation so etwas betreibt, hat mich höchlich gaudiert, ferner Ihr grosses Rezept: sich nie langweilen und nie erzürnen – ja, wer's immer könnte!

Was das Wohnen gegen das Grüne und überhaupt das Wohnen nach Gusto betrifft, so ist dies auch bei den mässigsten sonstigen Bedürfnissen in grossen Städten eine der teuersten Sachen, die es gibt. In Paris z. B. müsste man ein eigenes, unvertreibbares Haus haben gegen den Parc de Monceaux oder gegen den Luxembourggarten hin – und was täte man dann? Vielleicht verkaufte man es, sobald ein saftiger Gewinn dabei herausschaute, und ginge in eine gewöhnliche Strasse wohnen. Glauben Sie mir, die Schwierigkeit, in einem vernünftigen Wohlbefinden zu verharren, liegt in uns selbst.

Einstweilen, was Paris betrifft, habe ich mich an zwei herrlichen Zola-Artikeln im Figaro erquickt, auf welche hin ich ein Partisan dieses Mannes geworden bin. Sie haben dieselben gewiss auch gelesen? Der Inhalt ist in kurzem der: ihr Sackermentsintriganten tutti quanti, wollt ihr endlich einmal die Schnurre Das Maul. halten und uns im Frieden arbeiten und geniessen lassen? – Mir scheint, es war für Zola eine sehr tief erwogene Reklame, dass er zum Figaro überging, mit möglichstem Eklat.

Wir haben jetzt auch Theater hier, letzten Sonntag wurde mit Trovatore (ganz leidlich) der Anfang gemacht, und heute gedenke ich die zwei letzten Akte des Freischütz zu hören.

Da der Barometer etwas steigt und im Lauf des Abends sich der Himmel (nach einem abscheulichen Vormittag und einer dito vorangegangenen Gewitternacht) aufgehellt hat, stellt sich bei mir die angenehmste Hoffnung ein, die ich unter jetzigen Umständen hegen kann: die auf einen guten, wenn auch einsamen Sonntagsbummel. Ich will dann Ihrer gedenken, da Sie ja Sonntags ebenfalls auf den Beinen zu sein pflegen. Es ist allerdings wahr, dass diejenigen, welche die Umgegend von Paris als prachtvoll in Ruf gebracht haben, genügsame Leute gewesen sind, denn selbst der Blick von Meudon aus ist nur sehr eigentümlich, weil man sonstwo nicht gewöhnt ist, eine solche Häusermasse mit einem Blick zu schauen, aber doch keineswegs, was man schön nennen könnte. Ich glaube aber, die Reputation der Environs de Paris kommt – abgesehen von der allgemeinen Prahlerei, welcher dem Namen Paris in allen Dingen anhängt – noch aus einer besondern Quelle her: im Lauf der Jahrhunderte haben viele geistvolle Leute in besagten Environs gute Stunden verlebt, und der Reflex hievon in ihren Romanen und Gedichten tut's. Dazu noch einige blendende Erinnerungen aus der Geschichte. – Und man würde sich ja allen möglichen Charme dieser Gegenden in Gottes Namen bereitwillig aufreden lassen, wenn nur das Einkehren nicht so gottlos teuer wäre. – Ein Duval in St. Germain, Versailles usw., nur an Sonntagen geöffnet, würde glänzende Geschäfte machen. Sie sehen, ich komme in allen Briefen auf Geschäftsprojekte. Das war in meiner Jugend nicht so, und ich glaube ganz ernstlich, die letzten Jahrzehnte haben mich angesteckt.

Also neulich hat's wieder am Eingang der Galerie du Louvre gebrannt! In der Amtswohnung, ich weiss nicht, welches Citoyen. Man sollte Euch Parisern die alten Kunstsachen völlig wegnehmen. Nun ist es Zeit, Ihnen Adieu zu sagen. Ich freue mich wieder auf ein Stück Freischütz.


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