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64.

Basel, 14. Mai 1882.

Schon längst hätte ich Ihren Brief vom 10. April beantworten sollen, soweit solche zum Teil sehr weitschichtige Kunstfragen überhaupt zu beantworten sind. Ich bitte aber sehr, für diesmal mit ein paar Zeilen bloss als ein Lebenszeichen vorlieb zu nehmen, indem ich ein armes, geplagtes, vierundsechzigjähriges Tier bin, welches gegenwärtig mit einem schwierigen und so viel als neu zu arbeitenden Kollegium Burckhardt las im Sommer 1882 nach langer Pause wieder über Kulturgeschichte des Mittelalters. zu kämpfen hat und jeden Abend bis 9 Uhr oxen muss. Ich sorge mit dieser vielen Mühe freilich auch für weitere Zeiten, wenn es mir beschieden sein sollte, solche noch als Dozent zu erleben. Haben Sie also einiges Mitleid mit mir!

Ich lebe ausserhalb der Welt, gehe zweimal per Woche in die Halle und habe schlechterdings keine Art von Erholung mehr als abends von 9 Uhr an Klavierspielen und am Sonntag nachmittag womöglich einen Bummel.

Ich bin nun begierig, was Ihr Opus auf der Ausstellung macht; ganz übersehen werden kann es nicht. Zum Modellzeichnen meine besten Glückwünsche, wäre es auch nur wegen Übung der Hand und des Blickes, denn die Hauptsache tut Ihre sehr glückliche Begabung in Erfindung von Leuten und Gruppen, wie ich aus der Skizze ersehe. – Man verlangt ja für das Architekturbild nur a) einen bescheidenen, lebendigen Hergang, der als eine Art von Nebenmotiv dem Bild einen gleichsam zweiten Gehalt gibt; b) eine Ausführung desselben, welche nur nicht steif und nicht sonst choquant sein darf, sonst aber keine weitern Ansprüche macht. Auch für die Figuren übrigens ist die Kleinheit des Masstabes ein Vorteil, und es genügt, dass Sie sich vorher dieselben einmal in bedeutender Grösse entworfen haben, um ihrer dann in Miniatur völlig sicher zu sein.

Um Ihre Entdeckungsgänge im Louvre beneide ich armer in Büchern vergrabener Mensch Sie recht sehr. Auf Pieter de Hoogh und auf Wynants werden nun bald weitere Lieblinge folgen.

Nun muss ich abbrechen, um noch am Kolleg für morgen einige Notizen nachzutragen.


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