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17.

Nürnberg, Freitag, 31. Aug. 1877.

Gestern nachmittag fuhr ich hieher und kam gerade noch an, um den deutschen Kronprinzen durch eine ehrfurchtsvolle Double Haye von Nationalliberalen nach dem Bahnhof fahren zu sehen. Abends hiess es in der Weinkneipe unter verschiedenen Philistern: »Der Mann is auch geplagt!« – In der Tat: was meinen Sie dazu: etwa vierzehn Tage lang stets fünf Uhr aufstehen und Revuen abnehmen zu müssen? Der Philister empfand offenbar aufs tiefste, was dies heissen will.

Dass ich aber abends in der Weinkneipe sass und nicht in den von G. in verjährtem Enthusiasmus angepriesenen Bierlöchern, das versteht sich von selbst. Ich hatte noch in der Abenddämmerung in das »Wurstglöckle« hineingeschaut und mich viel zu alt gefunden, um dort noch eventuelle Fidelitäten anderer Leute mit anzusehen. Vollends in die »Wolfsschlucht« hätten mich keine vier Pferde hineingebracht; es sass dort alles dick bis weit auf die Gasse, weil daselbst das einzige anständige Bier verzapft werden soll, während sonst in Nürnberg (laut Schimpfens in den Zeitungen) das Bierelend allgemein sein soll.

Propos des beuveurs aus den letzten Tagen: »Es ist eine Schmoch für Siddaitschland, dass wir koan oanzigs politischs Witzblott hoben, ausser die Frankfurter Lotern!« – Wenn ein Kladderadatsch II in München oder Regensburg entstände, wäre diesen Dubeln Baslerisch: Tölpeln. geholfen. – Ein stocktauber Mensch wird, als dernière ressource, von einem guten Freund in eine Wagnersche Oper mitgenommen und genest im vierten Akt, aber dafür war im fünften Akt der gute Freund taub geworden. – »Wann 's Wasser schlecht ist und 's Bier gut, dann trinkt man erst recht Wein.« – Dies stammt aus der Weinkneipe von gestern abend, wie Sie wohl erraten werden. Sonst aber befand sich dort ein ältlicher Herr, den man »Herr Professor« titulierte, und der so bedenkliche Lügen aus der Naturwissenschaft vorbrachte, dass ich mich heimlich wegen unseres gemeinschaftlichen Titels zu genieren anfing. So u. a., dass die Karpfen bis fünfhundert Jahre alt würden, und dass man in den Bassins von Versailles noch die Individuen aus der Zeit des Louis XIV. kenne, weil sie damals seien gezeichnet worden. Ich dachte: wenn doch du nur einmal einen zweihundertjährigen Karpfen fressen müsstest!

Nürnberg steckt voll von schönen und merkwürdigen Sachen, und schon im Germanischen Museum habe ich mich zwei Stunden lang dumm gelaufen. Aber zum Wohnen möchte ich die Stadt nicht, es ist mir zu eng zwischen den himmelhohen Häusern mit den hohen Spitzdächern. Und das, was mir sonst den Aufenthalt versüssen könnte, nämlich wohlfeile Photographiepreise, davon ist in erschreckender Art das Gegenteil der Fall. In Regensburg habe ich noch einen tüchtigen Stoss anderer Helgen bei einem vernünftigen Antiquar gekauft und bereue es jetzt, nicht noch mehr gekauft zu haben. Hier in N. ist alles ausgekauft, wie ich schon vor zwei Jahren erfuhr, doch werde ich nun noch einen letzten Versuch wagen. – Ferner macht mir die Umgegend von Nürnberg förmlich übel, dies sandige Wellenland mit Fichten und Rüben; auch erfuhr ich, dass hier heftig Tabak gepflanzt werde, und glaube sogar, dass diejenige Havanna, welche ich eben jetzt rauche, aus leidlicher Nähe stammen möchte. – Kein wahrer Weiser mehr raucht dunkle Zigarren, solange er helle haben kann, denn all jenes Zeug ist sauciert, und als ich heute im Laden eine darauf bezügliche Bemerkung wagte, hiess es: Ja, da haben's recht! – Doch muss ich zum Lobe Nürnbergs noch beifügen, dass auch viel Meerrettich gepflanzt wird, welchen ich sehr liebe. Doch genügt Meerrettich noch nicht, um über eine ganze, absolut weinlose Gegend einen verklärenden Schimmer zu verbreiten. Auch pflegt er etwas aufzustossen. Daher ich mich denn nicht wenig auf Bamberg und Würzburg freue. Solche alte Pfaffenstädte haben immer etwas Verlottertes und Fideles, wie ich es gern habe.

Unmittelbar nachdem ich meine letzte Sendung in den Briefkasten geworfen, wandte ich 2 Mark dran und liess mir in der Residenz die Prachtzimmer Karls VII. zu ruhigem Betrachten und Notieren aufschliessen, erfuhr auch: der Hofphotograph Albert habe alles photographiert. Ich wagte mich auch nachher zu selbigem Albert, erhielt aber den Bescheid: verkäuflich seien diese Sachen nur mit Spezialerlaubnis Sr. Maj. des Königs – worauf verzichtet wurde.


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