Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Vierte Szene

Garten.

Der König, Agrippina, Andalosia.

König: Wie freu ich mich, daß Ihr dem Sinn gebietet,
Und nicht allein dem Blut und Zorn vergönnt
Das Wort zu führen: edel nenn ich den,
Der auch im Recht den Eifer zügeln kann,
Noch edler den, der um der Freunde willen
Sich seines Rechtes selbst entäußern mag,
Er hat den Gegner und auch sich besiegt.

Andalosia: Mein hoher Herr, Ihr rechnet viel zu hoch
Den leichten Sinn, der gern dem Mann verzeiht,
Der immer nur der Leidenschaft gehorcht;
Glaubt mir, er weiß nur selten, was er spricht,
Er findet nie das Wort, das er bedarf,
So muß er nehmen, was sich im Gedränge
Zuerst der ungelenken Zunge bietet:
Auch hat er kein so rohes Wort gesprochen,
Das nicht der Edelmann vergessen dürfte.

Agrippina: Das Volk war Zeuge, Andalosia,
Daß Ihr den ersten Preis und Dank verdientet;
Man zweifelt nicht, wer von der edlen Jugend
Der beste Ritter sei in jeder Übung,
Daß dies durch lauten allgemeinen Zuruf,
Daß Euch der Vorzug von den Damen all,
Ja selbst von seiner Gattin Dorothea
Einstimmig ward erkannt; das war es, was
Sein ungebändigt Herz nicht tragen konnte,
Denn eitel ist er, wie die Häßlichen.

Andalosia: Holdselge Fürstin, wie mein Alter wächst,
(Wenn meiner Jugend Ihr dies Wort vergönnt)
Erscheinen mir der Ritterspiele Kunst,
Der Rosse Tummeln, Ring- und Lanzenstechen,
Die Übungen, die sonst wohl alle Stunden,
Und ganz den jungen Sinn gefangennahmen,
Geringer; gibt es Augenblicke doch,
Wo ich mich still verwundre, wie mein Leben
Sich widmen konnte diesem leichten Tand;
Die trübe Stimmung zwar verschwindet mir
Schnell, wie sie kam, im fröhlichen Getümmel,
Doch kehrt sie wieder, weilet gastlich länger;
Und bald hat wohl des Ernstes dunkle Wolke
Mein Innres, still anwachsend, überschattet.
Drum gönn ich ihm den Ruhm: geschah es nicht,
Euch, teure Fürstin, wie die Sitte heischt,
Mit Lanzenkampf und Spielen zu begrüßen,
Trat ich ihm nie als Nebenbuhl entgegen.

König: Ich suche nochmals Euren Gegner auf,
Und führ ihn her, daß er sich Euch versöhne.
Kein Groll soll dieser schönen Tage Glanz
Und dieser Feste Heiterkeit mir trüben,
Will nicht der rohe eigensinnige Mann
Vernehmen, was Vernunft und Sitte sprechen,
So soll er fühlen, daß ich König bin,
Und Ihr mein Freund, der nächste meinem Herzen. Geht ab.

Agrippina: Ihr schlagt die Augen nieder, edler Ritter,
Oft trifft mein Blick in Euren Blick des Mißtrauns,
Ihr meidet meine Gegenwart, warum?

Andalosia: Muß ich vor Euch nicht mit Beschämung stehn,
Mir stets bewußt, wie tief ich Euch verletzt?
So wie ein Morgentraum fiel von der Seele
Die irre Blendung, und ich fühle klar,
Wie tief ich mich und Euren Wert verkannt;
Nun peinigt mich die Sorge, Euer Herz
Verachte mich, da mich die stille Ahndung
Oft überschleicht, ich müßte mich verachten;
Dann ruft mein Genius: Wie? dieses Bild,
Vermochtest du mit Rache zu verfolgen?
Ihr habt verziehn, ich kann mir nicht verzeihn.

Agrippina: Ich hör Euch mit Betrübnis und mit Freude,
Ich sehe nun, daß Ihr mich achten könnt.
Ist Blendwerk nicht und Rausch der Jugend Zeit?
Wir schmeicheln uns mit Trefflichkeit, und irren,
Wir zürnen uns, und irren wiederum:
Sind wir wahrhaft erwacht, so sei vergessen
Der wilde Fiebertraum der kranken Nacht.
Drum kränke mich der Argwohn nicht, ich könne
In Rache, die nur kleinen Seelen ziemt,
Euch selbst und Eures Reichtums Heimlichkeit
Verraten Euren Feinden.

Andalosia:                               Das ist's nicht,
Was stets mein Herz mit Sorg und Gram erfüllt;
Daß ich vergessen konnte, was Ihr seid,
Daß ich so mein Gefühl vernichten konnte.

Agrippina: So knüpfe denn Vertraun erneut und stärker
Nur unsre Freundschaft fest und immer fester;
Entweicht in dunkeln Stunden Mut und Glaube,
So rettet Euch mit Zuversicht zu mir.

Andalosia: Welch eine Aussicht schließt dein schöner Mund
Auf Freundschaft, Glück, Vertraun holdselig auf!

Der König kömmt mit Theodor und Lady Dorothea.

König: Hier, teurer Freund, naht Euch Graf Theodor,
Er fühlt, daß nur ein Mißverstand euch trennte:
Graf Andalosia kennt Euren Wert;
Umarmt euch herzlich und im Freundesdruck
Versiegelt diesen Bund, der mich beglückt,
Und werft den Zwist tief in den Schoß des Meers.

Andalosia: Wenn meine Jugend unbedacht geirrt,
So seht Ihr nach als Freund, ich habe nie
Euch, edler Herr, und Euren Wert verkannt.

Theodor: Das sag ich auch, konträr, Ihr seid mir lieb;
Was tut's so groß, daß Ihr mal Flausen macht?
Es ist die Art des Südlands, spaßhaft sein:
Ich hab Euch ja in London schon gekannt;
Kurios, wenn man's nicht endlich lernen sollte
Freundlich zu sein mit Leuten, die fatal:
Doch geht das Euch nichts an, mein liebster Graf,
Ich dachte jetzt an Menschen dort in London,
Man schlägt den Sack und meint doch nur den Esel.

König: Sehr wahr, mein Lieber; folgt uns Andalosia,
Ihr müßt die Bilder sehn, dort aufgestellt.

Ab mit Agrippina und Andalosia.

Lady Dorothea: Tief, tief beschämt bin ich in Eurer Seele:
Ist das die Art, dem Edlen zu erwidern?
Der sich verleugnet, selbst sich Unrecht gibt,
Da Ihr ihn grob und roh beleidigtet?
Verachten muß er Euch, die Frau beklagen,
Die solchem Ungetüm verbunden ist.

Theodor: Papa ist tot, nun hofmeistert wer anders.
Frau, wißt, ich bin nun alt und groß genug,
Mir selber mein Gewissen auszukämmen
Wenn's not tut. Ja, der junge Naseweis,
Nicht wahr, der stünd Euch besser an zum Mann?

Lady Dorothea: Ja, glücklich wär, ich sag es unverhohlen,
Das Mädchen, der er sich ergeben wollte;
Die Zier, die Schönheit, Anmut und Gewandtheit,
Der feine Sinn und leichte Scherz und Witz –

Theodor: Potz Schwatzen! Wie 'ne aufgezogne Schleuse
Läuft nun und sprudelt das Lobpreisen her –
Seid's wohl schon wieder satt, mit glatter Stirn
Mich laufen sehn? Ihr denkt wohl schon daran
Mich neu zu equipieren, daß ich kann
Im Saal die Lichter ohne Stock anzünden,
Kronleuchter niederreißen? Sind wir nun,
Wie Ihr verlangtet, nicht recht weit gereist?
Wir geben Geld aus, mehr als ich nur habe,
Ich tu, was ich nur denke, daß es paßt,
Und immer kann ich nicht das Rechte treffen.
Nicht wahr? 'nen Stein am Hals und so ins Meer,
Daß mich die Fisch und Seegetiere fräßen,
Dann wär ich angenehm und complaisant?

Lady Dorothea: Auf solche Pöbelreden kann ich nur
Durch Schweigen und Entfernung Euch erwidern. Geht ab.

Theodor: Hm! Pöbel? Ja, das ist solch liebes Wort,
Ein Abgrund, alles dort hineinzuwerfen,
Was unsern Hochmut wohl inkommodiert.
Will's mir auch angewöhnen: gut für Pöbel!
Der Pöbel denkt so! Sprecht Ihr mit dem Pöbel?
Dergleichen fehlt mir noch im Hausbedarf. –
Doch darin hat sie recht, es mangelt Geld,
Die Reis hieher war auch nur Zufallssache,
Italien hat sie drüber nicht gesehn,
Wie ich ihr doch versprochen. Ja, verdammt,
Sie braucht zu viel, das Geld ist ziemlich rar,
Im Grunde bin ich auch ein geizger Hund. –
Ich spräche gern den Andalosia an –
Doch dessen: »kamt Ihr gestern« – »nächstens wohl« –
Et cetera ist mir in'n Tod verhaßt:
Man bringt 'nen frischen graden Wunsch ins Haus,
Und muß als Leichnam ihn zurückeschleppen. –
Auch hab ich mich jetzt mit dem Narrn gezankt,
Und also – jetzt erleb ich's an mir selbst,
Daß Stimmungen im besten Menschen sind,
In denen unsre englischen Highwaymen
Uns ganz natürlich dünken. Geld muß sein,
Sonst sieht sie mich nie wieder freundlich an,
Verliebt bin ich, und fehlt es ihr zu sehr,
Kriegt der da einen Stein bei ihr im Brett.

Limosin kömmt.

Limosin: So spekulierend, lieber Einsiedler?

Theodor: Man muß wohl spekulieren. Seid Ihr nie
Tiefsinnig, wenn das Geld Euch ausgegangen?

Limosin: Nein, Bester, denn seit vierzig runden Jahren
Bin ich in dem Systeme eingewohnt,
Da stutzt man nicht mehr, findet es alltäglich.

Theodor: Das lern ich nimmermehr. – Sagt mal, mein Freund,
Würd mir vielleicht der Andalosia helfen?

Limosin: Der tut es nicht, bin ich sein Oheim doch,
Und nie hab ich nur einen kleinen Taler
Loseisen können vom erfrornen Filz;
Wo es nicht Prahlen gilt, da gibt er nicht.

Theodor: Ein schändlicher, verdammlicher Charakter.

Limosin: Dazu habt Ihr Euch kürzlich erst entzweit,
Da könnt Ihr Ehren halb ihn nicht ansprechen.

Theodor: Wohl habt Ihr recht, das will sich nicht recht passen.

Limosin: Ihr seid von ihm beleidigt und gekränkt,
Ihr, Graf, der beßre Mann, der junge Fant
Schlüg's Euch mit Hochmut ab, und macht' Euch doch
Nachher zum Märchen unsers ganzen Hofs.

Theodor: So bräch ich ihm den Hals.

Limosin:                                                 Ihr kennt ihn nicht,
Er ist sehr stark, im Land der beste Fechter,
Und tolldreist schon von Kindesbeinen auf.

Theodor: Das ist ja wahre Höllenbrut.

Limosin:                                                   Ihr wißt
Zugleich, wie sehr ihn unser König liebt;
Habt Ihr den Blick vergessen, den beim Streit
Er auf uns beide warf?

Theodor:                             Wie ein Skorpion.
So bin ich denn und bleib auch auf dem trocknen.

Limosin: Ich habe diesen Neffen stets gehaßt.

Theodor: Mein Abscheu ist er. Gern tränkt ich ihm ein,
Was er an mir verschuldet, seinen Hohn,
Den Übermut, mit dem er mich beschimpft,
Sein Prahlen, sein Herabsehn, seinen Geiz;
Nun stellt er obenein nach meiner Frau,
Sie lächelt ihn schon an, sie winken sich –
Höll! Element! Wie kommt man ihm nur bei?
Ist es erlaubt, so bestialisch reich,
So ungeheuer – ei, wie sag ich doch?
Es fehlt ja nichts, als daß er ringsumher
Die ganze Atmosphär in Gold verwandelt –
Und ich – und Ihr – totschlagen wär das Beste.

Limosin: Nein, mäßigt Euch, mit Hitz und mit Gewalt
Ist hier nichts auszurichten. List! Verstellung!
Wir legen ihm wohl einen Hinterhalt,
Doch müßt Ihr klug sein, daß Verdacht uns nicht
Und die Entdeckung trifft.

Theodor:                                   Klug wie der Teufel.

Limosin: Ich wüßte wohl, wie wir ihn fangen könnten.

Theodor: O sagt! O sprecht! Mir wässert schon der Mund,

Limosin: Er hat ein Liebchen wohnen dort im Park,
Drei Stunden von der Stadt, und reitet oft
Des Abends hin mit wenigem Gefolge,
Im Hohlweg kann man ihn bequem erlauern;
Die fremden Diener, die Ihr mitgebracht,
Erkennt hier niemand, man verlarvt sie noch;
Was ihn begleitet, schlägt man tot, ihn selbst
Schleppt man gebunden fort in dunkler Nacht.

Theodor: Allein wohin?

Limosin:                           Fern an der Meeresküste,
In Wald und Fels versteckt, liegt mir ein Schloß,
Veraltet und Ruine, wenge Zimmer
Sind nur noch wohnlich, doch ein großer Turm
Steht fest und kann zum Kerker dienlich sein.
Dahin verirrt sich niemand, wenge wissen
Um dies Gebäu, ich selbst besuch es selten;
Ein alter Eisenfresser sitzt mir dort,
Der meinethalb wohl Rad und Galgen wagt.

Theodor: Laßt Euch umarmen, das nenn ich Verstand!

Limosin: Wir bleiben dann hier in des Königs Nähe,
Daß man uns nicht vermißt. Er muß bekennen,
Woher der unermeßne Schatz ihm kommt.
Dann teilen wir als Brüder und als Freunde.

Theodor: Das sagte mir mein Herz, als ich zuerst
Am Hof Euch sah, wir müßten Freunde werden.
Kommt nun zum König, zu den läppschen Festen.

Gehn ab.

 


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