Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Dritte Szene

Garten.

Graf Nimian, Gräfin Marfisa.

Marfisa: Was Ihr mir da gesagt, mein Herr Gemahl,
Ist allerdings wohl des Erwägens wert,
Als Mann so großen Reichtums dürft er wohl
So glänzende Verbindung aspirieren,
Wenn er nur auch als Name etwas gälte,
Stammt' er von den Orsinos, den Colonnas,
Wär er verwandt allhier den hohen Häusern;
Man weiß ja kaum wie man ihn nennen soll.
Er muß doch fühlen welchen Schritt er tut,
Er kömmt mit Königsthronen in Verwandtschaft.

Nimian: Gemahlin, darin geht Ihr doch zu weit.

Marfisa: War nicht ein Ahnherr von Jerusalem König?

Nimian: Ja, wenn Ihr Euch so weit hinauf versteigt
In leere Anwartschaft: wo lag sein Reich?

Marfisa: Das schadet nicht, Euch blieb wie ihm der Anspruch,
Als einem seiner Deszendenten; wohl
Mag noch der Glauben einst das Grab erkämpfen,
Da steht Ihr da als erster Prätendent.

Nimian: O lassen wir die Torheit, freilich wohl
Wie diese Herren Könige in partibus,
Bin ich nun auch bald Graf in partibus.

Marfisa: Der fremde Titel ist mir unbekannt.

Nimian: Die Bischöf, deren Sprengel eingebildet
In Ländern liegt, die Türken innehaben,
Sind Herrn in partibus infidelium;
Ein Gläubiger ist offenbar ein Christ,
Die nicht mehr meine Gläubger werden wollen,
Sind infideles, darum bin ich bald
Ein Edelmann nur noch in partibus.

Marfisa: Ihr seid gewiß, Herr Graf, sehr tief gesunken,
Lateinschen Scherz, Schulmeistern gleich, zu üben.

Nimian: Was soll's der Worte mehr? der König will's,
Der wünscht, den reichen Mann im Land zu halten,
Er denkt Wohltäter uns zu sein, dadurch
Daß er ihn uns verknüpft, und so zu lösen
Dem Hause die Verbindlichkeit, die lange
Schon seine Ahnen unsern Vorfahrn hatten:
Versäumt den Augenblick, er kehrt nie wieder,
Tragt mit der Armut noch des Königs Zorn.

Marfisa: Wenn denn die Notdurft gar zu streng gebietet,
So geb ich meine freie Zustimmung.

Nimian: Leicht wird es unser Eidam möglich machen,
Daß dieses kleine Gut uns doch verbleibt.

Marfisa: Doch wenn er kommt, das sag ich Euch, mein Herr,
Ich steh nicht auf, ich geh ihm nicht entgegen.

Nimian: Er naht, so seid ihm freundlich mindestens.

Fortunat, Leopold und Diener kommen.

Fortunat: Ich bin beglückt, daß mich der König würdigt,
Als Diener solcher Dame mich zu senden,
Ich überreich Euch dieses Blatt von ihm.
Herr Graf, mich freuet Euer Wohlergehn.

Nimian: Da Ihr heut unsern armen Landsitz würdigt,
So hoff ich auch, Ihr bleibet unser Gast;
Am Abend fahren wir zur Stadt zurück,
Die Königin will meine Kinder sehn.
Ich geh, um alles eilig zu bereiten. Geht ab.

Marfisa: Setzt Euch, Herr Graf, ich wünschte lange schon
Den Mann zu kennen, der der Edelste
Von Männern, und der Angenehmste auch
Von allen holden Frauen wird genannt.

Fortunat: Wenn Ihr mich würdgen wollt, als Freund und Diener
In diesem schönen Land den Irrenden
Gern aufzunehmen, dann bin ich beglückt.

Die drei Töchter kommen.

Marfisa: Graf, seht da meine Töchter: Adelheid
Die älteste, die zweite hier Cephise,
Kassandra dort die jüngste; Töchter, hier
Stell ich euch vor den Grafen von Lanfranco,
Den vielbekannten, weitgereisten Mann.

Fortunat: Mir ist, ich seh die Grazien vor mir wandeln,
Ich sah noch keine Schönheit, schwört, ihr Augen,
Daß ihr erst heut zu sehen habt gelernt.

Adelheid: Man hört, Herr Graf, daß Ihr an Höfen wart,
Die Schmeichelei ist Eurem Mund geläufig.

Fortunat: Dann würd ich übertreiben, Falschheit reden;
Nie wünscht ich noch mir das Talent des Dichters,
In schönes Wort zu kleiden, was ich fühlte,
Als jetzt, um würdig in Gesang zu sprechen,
Wie diese Gegenwart mich hoch entzückt.

Cephise: Doch meinen viele, daß des Dichters Rausch
Nur schöner Wahnsinn sei, der bald erlischt,
Und dem genesnen Auge, das ernüchtert,
Nur Reue schafft und tiefes Mißbehagen,
Nicht jener zu gedenken, die aus Vorsatz
Die Unwahrheit in Liedesworte kleiden,
Drum müssen Fraun mit Argwohn Reime hören.

Fortunat: Zum erstenmal hör ich von jungen Lippen,
Vom schönsten Mund des Mißtrauns Lehre predgen;
Ihr werdet, Reizende, nicht Schüler ziehn,
Wohl aber hochbegeisterte Poeten.
Eu'r Lächeln, liebliche Kassandra, sagt,
Daß Ihr des Unbeholfnen Reden spottet.

Kassandra: Mitnichten, mein Herr Graf, geziemte Spott
So unerfahrner, blöder Jugend wohl?
Weil Ihr mich fragt, so sag ich, was ich dachte,
Es schien mir nur, der Schwester gegenüber,
Wärt Ihr zum Dichter selber schon geworden.

Marfisa: Nur wenig noch waren am Hof die Kinder,
Weil wir zumeist auf unsern Gütern lebten,
Doch ließ ich sie erziehn nach ihrem Stande,
Tanz, Lautenspiel, die Sprachen und Gesang
Sind ihnen wenigstens nicht fremd. Verzeiht,
Wenn wir Euch einen Augenblick verlassen.
Wir kleiden uns ein wenig um, der Ehre
Des edlen Gastes unwert nicht zu scheinen,
Und nach der Mahlzeit Euch zur Stadt zu folgen.
Herr Graf, auf Wiedersehn in kurzer Frist.

Fortunat: Die schönen Gänge werd ich hier durchwandeln
Und einsam nicht, denn diese süßen Bilder,
Der Klang der holden Rede folgen mir,
Mit Strahlenfittich meinen Sinn umgaukelnd.
        Die Damen gehn ab.
Bleib, Leopold, ihr andern all verlaßt mich. –
Mein Leopold, ich bin nun fest entschlossen
Mich zu vermählen, häuslich hier zu bleiben,
Du sahst die jungen Fräulein, hörtest sie,
Jetzt rate mir, welche ich wählen soll.

Leopold: Mein gnädger Herr, ein jeder Rat ist mißlich,
Allein beim Ehestand am allermeisten,
Ich selber bin noch leidlich durchgekommen,
Doch fühlt ich, welche schwere Last ich trug;
Seitdem hab ich die Weiber nicht beachtet,
Mein Sinn war auf der Städt und Länder Sitte,
Auf Schiffahrt, Krieg und Kaufmannschaft gerichtet,
Ihr saht an Höfen, in den feinsten Zirkeln
Der Damen manche, bildetet den Sinn,
Ihr laset viel und habt noch mehr gedacht,
So wird es Eurer Weisheit leichter fallen
Den besten Rat zu fassen, als dem Diener,
Der unbeholfen Euch wohl nur erzürnte.

Fortunat: Ich kenne dich, daß du mir scharfem Auge
Die Menschen prüfst, nicht leicht in ihnen irrst,
Ich fordre die Ergebenheit von dir,
Denn ohne dich will ich mich nicht entschließen.
Erwäg, ich wandle diesen Gang hinab,
Kehr ich zurück, verlang ich die Entscheidung. Ab.

Leopold: Ein Wort in Ehesachen sprechen, heißt
Den Brand in Stroh hinwerfen, ob es brennt,
Den bißgen Hund in seinen Rachen fassen,
Ob uns sein grimmer Zahn verletzt, ob nicht:
Allein er duldet keinen Widerspruch,
Er ist zu reich und hochgewöhnt, als daß
Man sprechen dürfte so wie Freund zu Freund;
Er hat gewiß schon vorgefaßte Meinung,
Und treff ich die, werd ich ihm lieber noch;
Noch weiser und erfahrner schein ich dann,
Er meint, sein Glück hab er mir mit zu danken;
Doch lenkt zu einer andern sich mein Sinn
Als die er sich erwählt, gelt ich als Tor,
Als alter eigensinnger Wunderlich,
Und er trägt mir es wohl zeitlebens nach,
Und sie noch mehr, denn sie erfährt es doch,
Ich mag nun wider, ich mag für sie stimmen.
So steh ich endlich doch auf jenem Punkt,
Den ich mit Klugheit stets vermeiden wollte,
Daß seine Gunst am Zufalls-Faden hängt.
Es hat noch keinen reichen Mann gegeben,
Dem seine Laune nicht Gesetz gewesen.

Fortunat kömmt zurück.

Fortunat: Nun, lieber Freund, hast du das Wort gefunden?

Leopold: Mein gnädger Herr, Ihr würdigt mich zu hoch
So ernster Sache Euch bei mir befragend,
Doch wag ich auch sehr viel in Eurer Gunst:
Sagt Ihr zuerst die Meinung, wißt Ihr wohl,
Daß ich um nichts Euch widersprechen würde,
Drum wollt Ihr, zu erfahren, wie ich denke,
Daß ich mit meinem Rate Euch vorangeh;
Treff ich nicht Euren Sinn, so zürnt Ihr mir,
Auch wenn Ihr anders wollt, im stillen fort,
Ihr stutzt, und ich weiß nicht, wie Ihr's gemeint;
Laßt beid uns drum zugleich durch Zeichen sprechen:
Es stehn der Blumen viele dicht im Garten,
Die Lilien mögen Adelheid bedeuten,
Die bunten Nelken hier Cephisens Namen,
Kassandra diese kleinen roten Rosen,
Der Blumen eine brech ich hier für mich,
Und berge still sie unter meinen Hut,
Ihr tut dort drüben heimlich dann dasselbe,
Zugleich eröffnen wir die Lose drauf,
Und sind sie ungleich, müßt Ihr mir vergeben.

Fortunat: So sei's, du Muster der Vorsichtigkeit.

Leopold: Nun lenke meine Hand, du gutes Glück.

Fortunat: Deck auf! – Sieh, Bester, beides rote Röschen,
Nun geht mir auch mein holder Glücksstern auf,
Im süßen Glanz der reizenden Kassandra.
Laß dich umarmen, Leid- und Freudgefährte,
Und nimm an meinem Glück den vollsten Anteil,
Stets sollst du mir ein Freund und Bruder sein.

Ein Diener kömmt.

Ein Diener: Es ist, Herr Graf, für Euch nun angerichtet.

Fortunat: Und nun zur Werbung! Süße Töne möge
Der Gott der Lieb auf meine Lippen legen.

Sie gehn ab.

 


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