Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Achte Szene

Wirtshaus.

Wirt. Rupert. Fortunat.

Wirt: Nur hier herein, meine lieben Herren, hier findet ihr ein sauberes Stübchen, wo ihr von den andern Gästen nicht gestört werdet.

Rupert: Dank, mein Herr Wirt. Nun, was kann ich mit meinem Freunde heute Gutes bei Euch haben?

Fortunat: Heut erlaubt mir einmal, den Schmaus anzuordnen, ich bin schon so oft Euer Gast gewesen.

Rupert: Nichts da! Ein andermal soll die Reihe an Euch kommen, aber heut, junger Herr, müßt Ihr mir die Ehre erzeigen, mit mir vorliebzunehmen. Nun also, Wirt, was habt Ihr?

Wirt: Je nun, wenn ich nur weiß, daß es die Herren nicht ungnädig nehmen, und daß es hübsch unter uns bleibt, denn Ihr wißt wohl, wenn es verlauten täte, daß so kostbare –

Rupert: Nur heraus, für meinen jungen teuern Freund, den ich liebe und ehre, ist nichts zu gut.

Wirt: Es sind zwei Fasanen in meine Küche geraten, die ich keinem lieber gönnte.

Rupert: Gebt sie her, durch die braven Wildschützen kommt so etwas auch an unsereins. Und der Wein?

Wirt: Einen Malvasier hab ich durch Protektion erhalten, wie er im Keller des gnädigen Grafen selber nicht besser sein muß.

Rupert: So gefallt Ihr mir, Wirt. – Stellt her – so – schenkt ein. – Wahrlich, ein guter Trunk. Auf Euer Wohlsein, mein edler Fortunat! – Nein trinkt aus, rein aus, nicht so zimperlich, so jungferlich. So ist's recht. Nun, Wirt, schafft uns auch gleich die Fasanen herein.

Wirt: Sie sollen sogleich ihre Aufwartung machen. Ab.

Fortunat: Ihr beschämt mich immer mehr und mehr, Herr Rupert, ich bin so reichlich vom Grafen und der Gräfin beschenkt worden, ich bin so glücklich gewesen, die ansehnlichen Preise zu gewinnen, ich bin also nicht im Mangel, und darum solltet Ihr Euch nicht für mich in Unkosten setzen, ohne jemals mein Gast sein zu wollen.

Rupert: Sprechen wir davon nicht, mein edler, schöner Jüngling. Ihr seid jung, Ihr braucht Euer Geld und Eure Kostbarkeiten noch, das ist mit mir altem Manne eine andre Sache, ich gebe nichts für Kleider und Schmuck aus, Frau und Kinder habe ich nicht: was soll ich mit meinem bißchen Armut machen? Seht, das verzehre ich denn gern, und mache mir mit Wein und Speise einen frohen Genuß, nun aber schmeckt mir allein kein Bissen. Mit wem soll ich schmausen? Ihr kennt ja selbst alle die ungehobelten Bengel im Schlosse, Menschen ohne Erziehung und Sitten, die nichts wissen, nichts verstehen und gesehn haben. Immer war es mein Wunsch, einmal einen Freund zu finden, der besser, verständiger, feiner wäre als ich, von dem ich lernen könnte; da seid Ihr unter uns aufgetreten, und gleich vom ersten Augenblicke sah ich, daß Ihr aus einem ganz andern Holze, als wir alle, geschnitzt seid, und darum muß ich Euch noch danken, daß Ihr Euch nicht zu stolz dünkt, mir dann und wann eine Stunde zu schenken.

Fortunat: Ich fühle Eure Freundschaft, und meine Eitelkeit will mich überreden, Euch Glauben beizumessen; aber wozu diese wiederholten Schmausereien.

Rupert: Laßt doch einem alten Mann seine Art und Weise.

Der Wirt kommt mit den Fasanen.

Wirt: Hier machen die guten Bursche ihr Kompliment, meine Herren, und wünschen nur, daß sie euch gut schmecken und bekommen mögen. Habt ihr sonst noch etwas zu befehlen? Denn ihr verzeiht mir wohl, wenn ich drinnen nach meinen unruhigen Gästen sehe: das ist so Pöbel, wildes Volk durcheinander, da ist der Teufel gleich los, wenn der Wirt nicht selbst bei der Hand ist, der eine will Wurst, der andere Braten, der Bier, der Wein, jener Kohl oder Rüben; da muß man einen anlachen, einen anschnauzen, mit jenem spaßen, Schlag nehmen und geben, grob sein und höflich, alert und brummisch: o glaubt, meine Herren, es ist ein beschwerliches und künstliches Ding, ein Wirt zu sein.

Rupert: Wir bedürfen nichts weiter, und sind gern allein.

Wirt: Ja, wenn alle Gäste von solcher Extraktion wären! Geht ab.

Rupert: Nehmt, wie ich Euch vorgelegt habe. – Trinkt. – Seht, wie mir wohl ist, mit solchem Jüngling, der edel denkt, der schön gebaut ist, der zart fühlt, der die Welt gesehn hat, der alle Tage Edelmann und Graf sein könnte, ein Stündchen bei einem Glase Wein zu verschwatzen.

Fortunat: Ihr schlagt meinen Wert gar zu hoch an.

Rupert: Nicht ein Tüttelchen; Ihr seid zu bescheiden, Ihr wißt selbst nicht, was in Euch verborgen. – Stoßt an Teuerster, auf Eure baldige Beförderung.

Fortunat: Wie meint Ihr?

Rupert: Denkt Ihr denn, daß der Graf, der Euch so zärtlich liebt und auszeichnet, Euch so lassen wird, wie Ihr seid? Nein, ich sehe in Euch schon was Großes voraus, ich sehe die Zeit im Geiste, in der Ihr mein Beschützer werden könnt.

Fortunat: Also meint Ihr, daß der Graf mit mir etwas Besonders vorhaben könnte?

Rupert: Ohne allen Zweifel – ja, es ist schon – unter uns gesagt – beschlossen.

Fortunat: Ihr macht mich begierig.

Rupert: Eure Figur, Euer Anstand, Eure Art zu sprechen – nicht umsonst seid Ihr mit so edlen Talenten begabt; Ihr seht ja auch, wie alle Weiber Euch hold sind, wie gern Euch selbst die Gräfin sieht.

Fortunat: Ihre Tugend und Hoheit nimmt meine geringen Dienste gefälliger auf, als sie wert sind, die Dienerinnen werden mir nichts nachsagen können, das mir zum Nachteil gereichte.

Rupert: Natürlich nicht; Ihr seid nicht zu Ausschweifungen geneigt, Ihr wißt Eure Zeit besser anzuwenden. Ihr habt auch nie ans Heiraten gedacht?

Fortunat: Ich bin noch jung; Ehestand ist eine drückende Bürde für Dienstleute.

Rupert: Was Ihr in allen Dingen vernünftig denkt, über Eure Jahre hinaus – und drum kann ich es Euch wohl vertrauen – Euer Glück ist gemacht.

Fortunat: Wie denn? Sprecht, mein Freund, da Ihr mich liebt, so müßt Ihr mir nichts vorenthalten, das mich glücklich oder unglücklich machen kann.

Rupert: Das will ich auch nicht. – Nur einen Augenblick, ich will nur sehn, ob der Wirt nicht etwa horcht. – Alles gut. – Werter Freund, Ihr habt doch wohl in dieser Zeit bemerkt, wie unser Graf sich oft mit seinem Kanzler eingeschlossen hat?

Fortunat: Mehr als einmal, und ich habe mich gewundert, was sie so geheim beraten können.

Rupert: Alles geschieht nur Euretwegen.

Fortunat: Meinetwegen?

Rupert: Weil die Sache in unsern Gegenden eben noch nicht gebräuchlich ist, und man erst fürchtete, es könnte, vorzüglich beim Volk, einiges Aufsehn erregen, das gewöhnlich alles schief beurteilt, was nicht seit uralten Zeiten herkömmlich ist.

Fortunat: Was kann das alles auf mich für Bezug haben?

Rupert: Laßt mich nur ausreden. Wie gern Euch die Gräfin sieht, wißt Ihr selbst, der Graf hat auch nichts dagegen, sondern freut sich darüber, weil er Euch liebt: um Euch aber seiner Gemahlin ganz als Diener überliefern zu können und allen bösen Leumund unmöglich zu machen, der Gräfin Ehre auf immer sicherzustellen, sich auch vor der kleinsten möglichen Eifersucht zu bewahren und Euch so recht seine Freundschaft zu bezeugen, hat er nach reiflicher Überlegung mit seinem Kanzler beschlossen, Euch in diesen Tagen zum Eunuchen machen zu lassen.

Fortunat springt auf: Wie? Was?

Rupert: Eßt, mein Lieber, trinkt.

Fortunat: Mir widersteht, mir ekelt alles. Was sagt Ihr?

Rupert: Ihr habt ja wohl bei Euch zulande selbst zuweilen dergleichen Leute gesehn, die die Ratgeber, die Vertrauten, ja mehr als die nächsten Freunde und Verwandten ihrer Herren sind. Unser Graf hat nebenher, daß er beim Heiligen Grabe seine Andacht verrichtet hat, auch auf fremde Gebräuche und Sitten sein Augenmerk gerichtet, und denkt diese nun mit Euch, weil er Euch so vorzüglich liebt, nachzuahmen.

Fortunat: Weil er mich liebt? Entsetzlich! Weil er mich liebt, will er mich elend, ein Ungeheuer, einen Spott, eine Schande der Menschen aus mir machen?

Rupert: Ihr seid erschrocken, und ich dachte Euch recht freudig zu überraschen.

Fortunat: Ich muß fort! Wenn Ihr mich liebhabt, helft mir fort, noch diese Nacht, gleich, diesen Augenblick!

Rupert: Was hör ich? Ihr wollt es also nicht werden?

Fortunat: Könnt Ihr noch fragen? Ich zittre, bis ich die Stadt, das Land hinter meinem Rücken habe.

Rupert: Ich dachte, weil Ihr doch so züchtig und verständig seid, auch keinen Schatz habt, und den Ehestand nicht liebt –

Fortunat: Lebt wohl, mein guter Rupert.

Rupert: Bleibt doch; seht, wär ich in Eurer Stelle, gleich ließ ich es mir gefallen; aber in meiner Jugend war kein Mensch hier herum noch auf solchen Gedanken geraten.

Fortunat: Ich gehe, ich muß fort.

Rupert: Wie eilt Ihr denn so sehr? Jetzt ist es Nacht, die Tore sind, wie Ihr wißt, alle verschlossen, bis auf die eine Pforte. Wenn Ihr denn durchaus Eurem Glücke aus dem Wege gehn wollt, so nehmt sacht Eure Kleinodien und Euer Geld zu Euch, besteigt Euer Pferd, nur laßt es erst Tag werden, vielleicht besinnt Ihr Euch morgen oder übermorgen eines Besseren, denn wie ich ohne Euern Umgang leben soll, kann ich noch nicht einsehn.

Fortunat: Wenn Ihr mich nicht umbringen wollt, so haltet mich nicht länger.

Rupert: Ich darf Euch nicht begleiten, man muß nicht erfahren, daß ich Euch das Geheimnis verraten habe. – Aber so setzt Euch doch noch, trinkt Euren Wein aus, den Fasanen habt Ihr auch noch nicht aufgezehrt.

Fortunat: Der Boden brennt unter mir, der Himmel stürzt über mir ein. Laßt Euch umarmen, treuer, biedrer Mann; daß Ihr mir diese Schändlichkeit entdeckt habt, werde ich Euch zeitlebens nicht vergessen. Tröstet Euch über meine Abwesenheit, und gedenkt meiner in Liebe, wie ich Eurer gedenke. Eilt fort.

Rupert: Der kömmt nicht wieder, nein, er ruhet nicht
Bis Wald und Land und Meer von hier ihn trennen!

Der Wirt kommt.

Wirt: Was ist's, Herr Rupert? Unser junger Herr,
Bleich wie das Tischtuch, zitternd, voller Angst,
Rennt wie ein Blitz an mir vorüber, sagt nichts,
Steht mir nicht Rede, ruft nur: ich muß fort!
Muß fort! fort! schnell! Was hat es denn gegeben?
Ihr sitzt ja ruhig noch beim Glase Wein?

Rupert: Wißt Ihr, mein Wirt, was man Dummköpfe nennt.

Wirt: So ziemlich, seht, als Gastwirt lernt sich's schon.

Rupert: So'n Vogel ist der junge Fortunat.

Wirt: Dacht's immer mir im stillen, wenn er gierig
Wie süßen Wein das Lob so in sich zog,
Dacht immer: ei! Herr Rupert ist kein Pinsel,
Der bohrt gewiß dem nur ein Eselsohr.

Rupert: Das bitt ich mir indessen aus, Herr Wirt,
Er, der den Malvasier verzapft, den ihm
Der Keller unsers Grafen liefert, der
Fasanen seinen Gästen vorsetzt, die
Der Tafel unsers gnädgen Herrn gehören,
Daß ihn der Teufel (hört Er!) nicht versucht
Auch nur 'ner Katze zu gestehn, daß ich
Heut nacht mit dem Maulaffen hier gewesen,
Wenn man Ihm nicht den Hals umdrehen soll. Ab.

Wirt: Ei! ei! was solche Kundschaft alles schwatzt!
Was man im Scherz, im Ernst sich bieten läßt!
Was geht's mich an? In Gottes Namen mögen
Sie alle doch einer den andern fressen. Geht ab.

 


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