Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechste Szene

Kreuzgang eines Klosters.

Pater Ambrosius. Pater Placidus.

Ambrosius: Heut ist unser gnädger Herr Abt wieder einmal wenig aufgeräumt.

Placidus: O Freund, ein böses Gestirn hat mich zu meiner Buße hieher versetzt; wie hatte ich es so gut in meinem vorigen Kloster, freundliche Vorgesetzte, wenig wurde die Strenge der Regel beobachtet, eine schöne Gegend, viel Freiheit und Spazierstunden; da führt mich der böse Geist in dieses Land voll Melancholie, Unzufriedenheit, Hunger und Kummer.

Ambrosius: Ja, wir müssen es empfinden, daß wir das Fegefeuer des heiligen Patricius in unsrer Nähe haben, die armen Seelen dort werden nicht mehr gemartert als wir.

Placidus: Wenn man nur wenigstens Wein hätte, um die Sorgen etwas zu zerstreuen, aber das schale, traurige Bier, die strengen Fasten, der Gehorsam, der mürrische, scheinheilige Abt, alles ist zum Verzweifeln.

Ambrosius: Ist doch kaum so viel Wein da, als die Messe bedarf. Der Wein ist hierzulande teuer, und der gnädige Herr verschreibt nur selten.

Placidus: O Irland! Irland! du trauriges, finstres Land! Und diese Gegend hier ist gewiß die unglückseligste der ganzen Insel.

Ambrosius: Warum habt Ihr aber auch im vorigen Kloster so wilde Streiche gemacht, daß sie Euch zur Strafe hieher setzten? Und wie müssen wir erst klagen, die wir ohne alle Vergehungen hier ein so strenges Leben führen müssen?

Placidus: Richtet Euch so ein, daß Ihr Eure künftigen Sünden hier im voraus abbüßt.

Bruder Marcus kömmt.

Marcus: Wo ist der Herr Abt?

Placidus: Er wandelt drüben im Garten; was gibt es denn?

Marcus: Pilgrime, die das Fegefeuer besuchen wollen, vornehme, reiche Leute. Schnell ab.

Ambrosius: Könnt Ihr's begreifen, daß sich immer noch zuzeiten Menschen finden, die da hinten in den finstern Löchern herumkriechen mögen?

Placidus: Einer tut's dem andern nach, um doch sagen zu können, er sei dort gewesen.

Ambrosius: Lange schon hat's uns an Besuch gefehlt. Wenn sie reich sind, werden sie gewiß gut aufgenommen werden.

Der Abt, Fortunat, Leopold, Diener, Mönche.

Abt: Gesegnet sei der Gang in diese Hallen,
Das fromme Herz, der tief gerührte Sinn,
Die demutsvoll zum Haus des Herren wandeln,
Zu schauen seine Unbegreiflichkeit.

Fortunat: Ihr nehmt uns wohl, ehrwürdiger Herr Abt,
Auf einen Tag in Euern Mauern auf.

Abt: Es ist dies arme Häuslein hochgeehrt,
Daß es herbergen darf den Wohltäter,
Der Armen Vater, der so viel uns lieh.
He! Pater Kellermeister! schafft den Wein,
Zwei große Fässer sind's, die der Herr Graf
Uns gnädigst hat verliehn, in Eure Keller:
Die Wohltat zwingt zu hoher Dankbarkeit,
Da selten hier der Trank des Rebenstocks.
Für dies und alles andre was ihr gabt
Soll stets inbrünstiges Gebet von uns
Für Euer Wohl zum Thron des Himmels steigen.

Fortunat: Ich bin schon viel gereist, und hörte oft
Von Sankt Patricius' Fegefeuer reden,
Sagt mir, Herr Abt, wie ist's um diese Sache?

Abt: In dieser rauhen Gegend, edler Herr,
Die rings von Felsen starrt und Tannenwäldern,
Lehrte zur Zeit, als hier noch Heiden wohnten,
Ein frommer, heilger Mann, Patricius.
Andächtig betend und im tiefen Sinnen
Verlor er sich im Wandeln bis hieher,
Wo vieler Höhlen unterirdsche Gänge
Sich weit verbreiten, hoch und niedrig bald;
Da hört er Windessausen und Geheul,
Furchtbarer Stimmen Klageton und Winseln,
Ein schrecklich Ächzen und dazwischen Lachen,
Und wie er betet, fällt von seinen Sinnen
Der irdsche Schleier, und auf seine Fragen
Wird ihm die Antwort von gequälten Seelen,
Daß sie allhier von Schuld gereinigt werden.
Seitdem ward hier vom heilgen Mann der Platz
Für eines Kirchleins Gottesdienst geweiht;
Dann hat man dieses Kloster aufgebaut,
Und hinter unserm Altar in der Kirche
Ist eine Tür, die in die Höhlen führt,
Wo fremde Pilger oft, die dort hineingehn,
Seltsam Geheul und Brausen, Klageton
Der armen Seelen immer noch vernehmen:
Und dies ist Sankt Patricii Fegefeuer.

Fortunat: Führt uns alsbald dorthin, ehrwürdger Herr,
Mich, meinen Freund, denn dazu kommen wir
Aus ferner Gegend her in diese Öde.

Abt: Geruht vorher noch Messe zu vernehmen,
Geht dann gestärkt zur Dunkelheit hinein.

Alle gehn ab.

 


 << zurück weiter >>