Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Fünfte Szene

Palast.

Reymund allein: Höchst sonderbar! des Königs Majestät,
Der ich sonst nie zu oft mich nahen konnte,
Ist nun seit lange nicht für mich zu sprechen,
Und trau ich dem Gerücht, so laboriert
Der Herr allein, und hat den Stein der Weisen,
Das große Elixier allein gefunden,
Wohl wie ein blindes Huhn: der Schüler eilt
Voraus dem Meister, und was nächtlich Wachen
Und Fasten, Keuschheit, Andacht nicht vermochten,
Das wirft der blinden Göttin kindsche Laune
Uneingeweihten hin zum Spott der Weisheit.

Der König kömmt mit dem Leibarzt.

König: Aha, mein Guter! da seid Ihr ja auch.

Reymund: Ich warte lange schon auf den Befehl –

König: Vorbei, mein Lieber, diese Jugendträume,
Die Schwärmerei, Kastein und Beten, alles;
Ihr seid auf falschem Wege. Saht Ihr wohl
Die neuen goldnen Münzen ausgegeben
Aus unserm Schatz? Wir haben's, Freund, wir haben's!
Doch Eur' Merkur und Jovis Glanz und Venus,
Das alles ist nur Fabelei. Wißt Ihr
Woraus denn die Materie besteht?

Reymund: Wir suchen sie nun schon seit vielen Jahren
Zu läutern, zu verklären, zu erziehen
Durch Kunst zur goldnen Lilienblüte –

König:                                                           Nichts!
Viel simpler ist's, ich hab sie, Freund, ich hab sie –
Soll ich's Euch nennen? he?

Reymund:                                     – Mein hoher Herr –

König: Nun sperrt den Sinn mal auf, sucht zu begreifen,
Ins Ohr will ich's Euch sagen: – Leder ist's!

Reymund: Vernehm ich recht? Wie? Leder?

König:                                                               Leder, ja!
Nicht wahr, das will Euch nicht zu Kopf? Verdutzt,
Verdummt steht Ihr da vor mir – ja, mein Freund,
Kennt Ihr nicht die Sentenz: es gibt manch Ding
Im Himmel und auf Erden, wovon Eure
Schulweisheit sich nicht träumen läßt. – Adieu. Ab.

Leibarzt: Nun, Mann der Weisheit? Seht, wie gesund, vollständig, aufgeräumt der König jetzt ist, wie richtig er denkt, wie wohl er aussieht, nun er sich alle die ungewaschnen Grillen aus dem Gehirne gespült hat.

Reymund: Hat er denn wirklich die Kunst gefunden?

Leibarzt: Narrenpossen, dummer Mensch! Er hat Euch ja nur zum besten. Eine neue Taxe hat er aufgelegt, auf alles Leder im Lande, auf Schuh und Stiefeln, Hohlkopf! man geht jetzt nicht ohne seine Erlaubnis, und nächstens wird er darauf antragen, daß kein Mensch barfüßig einhertreten darf, damit noch mehr Leder konsumiert wird: seht, das sind die Geheimnisse. Geht ab.

Reymund: Nicht möglich! – Da kommt die Prinzessin, die zur Messe geht.

Agrippina kömmt mit Margarethe.

Reymund:                           O gnädge, schöne Fürstin,
Ist's wahr was man gesagt, was selbst der König
Mir jetzt gestanden? Daß ihm Sol gelächelt,
Und er die hohe Kunst –

Agrippina:                             Wie man es nimmt,
Glaubt mir, die Sach ist, wer sie einmal kennt,
Höchst einfach, denn man streckt die Hand nur aus,
Doch freilich ist es nicht gleichviel wohin,
Wir haben jetzt das rechte wahre Wesen,
Nur gibt es auch viel Schein und Nachgemachtes. Ab.

Reymund: Versteht Ihr etwas von dem Geschwätz?

Margarethe: Ja, mein bester Herr Ineptus, man darf es nur nicht jedermann auf die Nase binden; ich habe auch dabei geholfen, abschneiden, annähen, und nun ist die Prinzeß tagelang auf ihrer Stube und tut nichts anders, als daß sie heraus und herein spielt, und ist so glücklich dabei, und lacht und freut sich, und der alte Papa hilft manchmal, und nicht alle dürfen darum wissen, und das ganze Land ist glücklich, denn der Finanzminister ist seitdem völlig abgeschafft. Geht ab.

Reymund: Sind sie toll! Bin ich verrückt? Ist dies Sprache der Kunst, ist es Aberwitz? Ich muß in mein einsames Gemach, um bei meinen Büchern meinen Verstand wiederzufinden. Geht ab.

 


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