Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Dritte Szene

Zimmer.

Daniel allein.

Daniel: Nun hab ich einmal das Regiment allein, die Diener sind fort, Herr Ampedo ist im Walde, ich will heute mein Geld abzählen. Was will denn zu mir? Herein, nur herein; das kann die Tür nicht finden, es muß fremd sein.

Dietrich kömmt.

Daniel: Dietrich! Sehn dich meine Augen einmal wieder? Herzenskind, es ist ja eine Ewigkeit, daß ich nichts von dir gehört habe.

Dietrich: O lieber, lieber alter Vater –

Daniel: Verschnaufe dich, Junge, sammle dich: – sieh, das kann ordentlich weinen, das hab ich nie möglich machen können. Dietrich, die Tränen sollen dir bares Geld eintragen, denn so gerührt, wie jetzt, bin ich in meinem Leben nicht gewesen.

Dietrich: Ach, lieber Vater, man bleibt doch am Ende ein Mensch, wenn man auch ganz unmenschliche Schicksale erlebt hat.

Daniel: Setz dich. Da, trink. Hast du viel erlebt? Mit wem kommst du?

Dietrich: Mit einem Grafen Theodor; der bringt die Königin her.

Daniel: Bleib jetzt hier im Hause, es ist für alle Fälle besser. – Nun erzähle.

Dietrich: Von meinem Herrn Andalosia ging ich weg, als er alles durchgebracht hatte.

Daniel: Das weiß ich von ihm selbst.

Dietrich: Ich kam zu dem Grafen Theodor, der mir schon lange gut war. Aber es war nicht so, wie ich gehofft hatte, der Herr war geizig, sah selbst nach allem, und mein bißchen, was ich mir erspart hatte, mußte ich ihm auch geben, es mir aufzuheben, wie er sagte. Ich soll's noch wiederkriegen.

Daniel: Dummkopf! War's viel?

Dietrich: Doch an zweitausend Goldstücke, die nach unserm Gelde mehr als viertausend Dukaten machen.

Daniel: Teufel! Und der saubre Graf ist jetzt hier?

Dietrich: Als Gesandter; jetzt könnt er bezahlen, denn sein Vater ist gestorben, und er hat eine reiche Frau geheiratet.

Daniel: Wart, hinter den will ich mich machen, ich versteh's; mit Winseln und Grobheit; mich einem seiner Freunde entdecken und laut heulen, ihn in Gesellschaften mahnen und so weiter. Es soll schon gehn. Nun?

Dietrich: Ach, nun muß ich weinen – seht, ich verliebte mich, und meine Geliebte war meine Braut, konnte mich aber nicht ausstehen, also, natürlich wie wir uns auch einmal stritten, faßt sie mich beim Kopfe und zwei starke lange Hörner schießen mir aus der Stirne vor.

Daniel: Was?

Dietrich: Wie Ihr mir geweissagt hattet, daß es so in unsrer Familie läge, nur daß sie bei mir doch wirklich hervorkamen.

Daniel: Narr, vor der Hochzeit?

Dietrich: Natürlich, sie wollte mich ja nicht haben. Wie ich nun böse wurde, und in die Tür geriet, mußte mich ihr Liebhaber lossägen, ich schlief ein und wurde geknebelt, bei Nacht und Nebel fortgeschafft – ach! ach! – und nun zeigten sie mich für Geld in Flecken und Dörfern, und endlich auch in London selbst.

Daniel: Wer denn?

Dietrich: Denkt nur, wie fürchterlich; meine Braut und ihr Liebster. Ich passierte nämlich für eine Waldgottheit von der griechischen Kirche. Zum Glück kam ein Mensch mit einer langen Nase, der gab mir Pillen ein, und die Hörner fielen ab.

Daniel: Dietrich! Dietrich! Daß du draußen in der Welt ein Windbeutel geworden bist, dagegen hätt ich nicht so viel, aber daß du deinem eigenen Vater den Hals so voll lügst, und gleich in der ersten Rührung, das ist sündlich.

Dietrich: Fragt doch den Grafen Theodor, wenn Ihr mir nicht glauben wollt, der hat mich so gesehn und viele Millionen Menschen – und da, hier sind ja die nämlichen Hörner noch, die ich zum ewigen Angedenken für Kind und Kindeskind auf heben will.

Daniel: Zeig. Das wären also zwei Stücke von meinem leiblichen Sohn, Bein von seinem Bein gewesen?

Dietrich: Nach meiner Kur wollte mich Graf Theodor nicht wieder in Dienste nehmen, weil er sich meiner schämte, er hatte aber selbst Hörner, trotz dem Besten, bis ich ihn davon kurierte: nun hatt ich keinen Groschen, denn noch andre tausend Goldstücke, die ich versteckt hielt, waren mir von meiner Braut gestohlen; nun nahm mich der rote Doktor zu sich, ich mußte aber Hanswurst werden.

Daniel: Sohn, was erleb ich an dir?

Dietrich: Vater, das war ein Dienst, daß ich gern wieder Waldteufel geworden wäre. Fasten und Schläge, und wieder Schläge und Fasten, dabei Narrenpossen machen und springen und Gesichter schneiden, und witzig sein; und daß ich meinen Herrn kurierte und mit Königen umging, machte die Sache um nichts besser. Mit einem Male war der Rotnasige weg, als wenn er gen Himmel gefahren wäre; nun war ich kein Hanswurst mehr, sondern ein Bettler. Endlich erbarmte sich Herr Theodor, und hat mich für die Kost und ohne Lohn mit auf die Reise genommen, und nun bin ich hier.

Daniel: Deine Erzählung ist zwar etwas konfuse, aber ich sehe doch, daß sich die Welt seit meiner Jugend sehr muß verändert haben, denn so was war damals nicht möglich. – Nein, Sohn, dagegen hab ich einen andern Lebenswandel geführt. Was wirst du sagen? Ich habe in meinen alten Tagen noch wieder geheiratet; aber auch welche Frau! Eine Fremde, die mir ein fünftausend Dukaten zugebracht hat; doch ist das nur das wenigste. Sohn, ich dachte, ich könnte zusammenraffen, ersparen, erkneifen, mit Rechnungen umgehn, den Herrschaften was vormachen – aber ein unschuldiges, dummes Kind war ich, und habe von neuem in die Lehre gehn müssen. – Frau! Komm doch heraus, mein lieber, mein einziger Sohn ist angekommen.

Bertha tritt herein, sie und Dietrich fahren voreinander zurück.

Bertha: Welches Schicksal!

Dietrich: Es ist die Möglichkeit!

Daniel: Nun? Was soll das? Sohn, umarme die Stiefmutter; Frau, sei zärtlich wie gegen einen Sohn.

Dietrich: Papa – Vater – Alter – das ist ja dieselbe, meine vorige Geliebte – die mich für Geld hat sehn lassen – davon hat sie ja das viele Geld; es ist Blutgeld, Papa, aus meiner Seele herausgepreßt.

Daniel: Also ist die ganze Geschichte doch wahr?

Bertha: Verzeihung, lieber Alter, ich wurde dazu von meinem vorigen Manne verführt; vergib mir, lieber Sohn; der böse Mensch ist dafür auch auf der See gestorben.

Daniel: Vertragt euch, umarmt euch, alles vergeben und vergessen, im Grunde ist doch auch nichts Böses dabei; was ich habe, Dietrich, erbst du ja doch einmal alles. Sorgt nur, daß die dumme Geschichte nicht unter die Leute kommt, damit sie uns nicht auslachen.

Bertha: Ja, mein guter Dietrich, ich will immer eine liebevolle Mutter gegen dich sein.

Dietrich: Und ich ein folgsamer Sohn. Seht, es ist im Grunde so besser, Frau Mutter, denn nun bin ich sicher vor Euch, da Ihr einmal Inklinationen habt, die dem Manne Schaden bringen. Vater, Ihr seid, glaub ich, zu alt, bei Euch wächst wohl nichts mehr?

Daniel: Deine Mutter ist jetzt die Tugend selbst, und ich kann sicher sein.

Bertha: Du wirst mich kennen und ehren lernen.

Benjamin kömmt herein.

Benjamin: O Herr Daniel, was habt Ihr versäumt! Das war ein Aufzug! Und nun das Stechen und Turnieren, und die Preise, und die Ritter, und das Jubeln des Volks –

Daniel: Nun, nun – da ist mein Sohn von seinen Reisen wiedergekommen –

Benjamin: Gehorsamer Diener. – Und, Frau, die Damen hättet Ihr sehn sollen, und wie Herr Andalosia um alle her ist; und dann ist da ein englischer Graf, er stottert, der hat den höchsten Preis gewonnen, aber sie sagten alle, es wäre nur eine Artigkeit des Königs gegen die Königin und die Engländer, Herr Andalosia hätte den Preis erhalten sollen, der verdiente ihn, und das Volk brachte ihm ein Vivat, und der andre Herr fing an Reden herauszuwürgen, und da lachten alle. O das hättet Ihr sehn sollen, und die Pracht, und die Pferde –

Daniel: Fang nur nicht wieder von vorn an. Wir müssen nun Dietrichs wegen eine andre Wirtschaft machen. Frau, richte alles mit Benjamin ein, ich komme gleich mit Dietrich nach, ich will erst nur mit ihm in Geschäften zum Herrn Theodor gehn.

Bertha: Komm, Benjamin, hurtig. Adieu indessen, Dietrich.

Geht mit Benjamin ab.

Dietrich: Vater, nehmt Euch vor Benjamin in acht, wegen der Familienkrankheit.

Daniel: Mein Benjamin sollte so an mir handeln? Meine liebe Frau? Nein, Sohn, mach dir keine unnütze Grillen.

Gehn ab.

 


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