Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Achte Szene

Palast.

Die Königin. Agrippina.

Königin: Aber du wagst doch nicht zu viel, meine Tochter? Du hast doch den Säckel genau betrachtet, und dieser, den du bestellt hast, ist genau ebenso, mit denselben Schnüren, denselben Bändern?

Agrippina: Traut mir nur zu, liebe Mutter, daß ich ihn nicht bloß obenhin angesehn habe. Ich habe ihn auch zerrieben, und im Grase liegen lassen, damit er ganz das Ansehn von einem solchen bekäme, den man schon viele Jahre gebraucht hat.

Königin: Nur vorsichtig, liebes Kind, ich zittre für dich.

Agrippina: Seid unbesorgt, Mutter; Agrippina hat den Schlaftrunk schon bereit, dem er nicht widerstehn kann.

Königin: Ich höre kommen.

Agrippina: Entfernt Euch, er ist es gewiß. – Margarethe! nimm den Herrn in Empfang.

Sie gehn.

Margarethe tritt auf.

Margarethe: Das ist doch bei alledem ein sonderbarer Auftrag, wenn mir nicht so sehr viel versprochen wäre, so möchte ich dem gnädigen Herrn wohl die ganze Sache verraten, denn er ist der freigebigste Mensch von der Welt; indessen, wes Brot ich esse, des Lied ich singe: scheint's ja bei alledem nur ein ganz unschuldiger Spaß zu sein, um den die Mutter selber weiß.

Andalosia tritt ein.

Margarethe: Da seid Ihr ja, schönster Herr Graf, die Prinzessin wird den Augenblick erscheinen.

Andalosia: Hier, gute Alte, nimm für deine Liebe und Treue diesen Beutel mit Gold, als ein geringes Unterpfand meiner Erkenntlichkeit, denn deine Dienste sollen noch anders belohnt werden.

Margarethe: Laßt mich die schönen, lieben, weißen Hände küssen, göttlicher Mann, Ausbund aller Schönheit, ach! Ihr verdient das allerhöchste Glück, das der Himmel nur den Menschen bescheren kann.

Andalosia: Das wird mir heut.

Margarethe: Gewiß, gewiß, doch –

Agrippina tritt ein, Margarethe ab.

Andalosia: O meine Sonne! mein Himmel! wie glorreich gehst du mir auf! Warum trittst du mir so geschmückt mit diesem Geschmeide entgegen?

Agrippina: Zittr' ich nicht vor dem Augenblick, in welchem dein Wahn der Entzückung von dir möchte genommen werden, und dein ernüchtertes Auge dann keinen der Reize mehr sehn, die du jetzt an mir bewunderst? Recht glänzend möcht ich dir erscheinen, die schönste Frau der Welt wünscht ich um deinetwillen zu sein.

Andalosia: Bist du es nicht? Und nicht die Schönheit ist es ja allein, die mich heut entzückt über die Sterne hebt; daß du, du Himmlische es bist, das ist es, was mich heut in deinen Armen wahnsinnig zu machen droht.

Agrippina: Laß uns hier nebeneinander sitzen, und uns Aug in Auge spiegeln, Red in Rede flüstern, und Kuß auf Kuß drücken, um unsre Schwüre zu besiegeln.

Andalosia: Komm dort hinein, Geliebte, in das letzte, heiligste Asyl unsrer geheimen Liebe, entlade dich dort dieses beschwerlichen Schmucks, daß ich nichts sehe, nichts fühle als dich allein.

Agrippina: Mein Teurer, noch wenige Zeit; ich zittre, meine Mutter dürfte noch wachen, ihr Gemach ist nicht fern vom meinigen.

Margarethe kömmt mit einem Becher.

Margarethe: Hier ist der Trunk, gnädiger Herr Graf, bevor Ihr Euch niederlegt. Geht ab.

Andalosia: Kredenze mir, Geliebte, und wo du deine Lippen andrücktest, nehme ich den Kuß dem Becher wieder, um reinen Nektar aus dem Golde zu saugen.

Agrippina: Auf dein Wohl, auf deine Liebe!

Andalosia: Meine ganze Seele dürstet, dir diesen süßen Gruß zu erwidern. Trinkt.

Agrippina: Hast du ihn geleert, den Becher?

Andalosia: Kein Tropfen ist zurückgeblieben, denn keine ungeweihte Lippe soll von dem flüssigen Golde genetzt werden, in welchem teurer als die teuerste Perle der Wunsch deiner Liebe zerlassen ist.

Agrippina: Ich sinne, wie ich die Fülle deiner Liebe erwidre.

Andalosia: Bist du denn nicht mein? Diese Liebe unsrer beiden Herzen ist ja nur eine Liebe, was in dir klingt tönt auch in meiner Brust, und wie Wellen fließen unsre brünstigen Seelen ineinander.

Agrippina: Wie süß tönt in stiller Nacht von des Geliebten schöner Lippe die Rede über die Liebe, die Einsamkeit ist wie ein langer ruhender Kuß, und unser Innres erzittert, wie es sich der unsichtbaren Welt und den Liebesgeistern entgegensehnt.

Andalosia: Doch warum sprechen wir und küssen nicht?

Agrippina: Auch das Wort, das Geständnis der Liebe trägt Wonne in sich.

Andalosia: Mein Hoffen, mein inbrünstiges Sehnen, die plötzliche Erfüllung, der blendende Glanz meiner Seligkeit, deine süße Gegenwart in holder heimlicher Nacht, das Nachtigallenflöten deines Mundes, alles, alles umfängt und umwebt mich mit Strahlen von Wonne, und schaukelt mich auf den Wogen von Paradiesesflüssen, daß dieses sterbliche Wesen des Leibes in holdseliger Ermattung verschwimmt, und alle Gedanken und Empfindungen verdämmern in der Blumenumlaubung deiner Nähe.

Agrippina: O wie versteh ich dich so ganz und freue mich des zarten Sinns.

Andalosia: Ja, eine selige Ruhe, eine himmlische Müdigkeit, ein Ermatten, wie das zum Himmel Entsterben der Heiligen rieselt, flutet, flüstert durch mein ganzes Wesen und singt dem Geist ein Wiegenlied, wie Venus es wohl dem Amor sang.

Agrippina: Deine Reden fallen so lieblich in mein Ohr, wie im Frühling die Blüten vom Baum.

Andalosia: Wie schön gesagt, wie friedlich – wie sanft und –und – hold? nicht wahr? gähnt. Verzeih, ich weiß nicht, warum ich dich unterbreche.

Agrippina: O mein Süßer, mein Trauter!

Andalosia: Wahrlich, du Engelsbild, noch nie – gähnt. Nie, niemals – Was sagtest du doch?

Agrippina: Nichts, mein Teurer.

Andalosia: Nichts? Nichts? gähnt. Nichts, mein Engel, will viel sagen, denn – gähnt. Ich weiß nicht – es muß schon spät sein, denn die Augen wollen mir zufallen – aber du sprichst auch gar nichts.

Agrippina: Ich höre dir zu, du Wonne meines Herzens.

Andalosia gähnt: Ja, es hört sich gut zu, wenn Leute so reden – vollends – gähnt so recht begeistert über das Himmlische gähnt der Liebe – nur nicht Geschwätz, wenn ein Mensch schlafen will, denn alsdann – mein Schatz, ist es zur Unzeit –und den Fehler scheinst du mir zu haben.

Agrippina: Ich? Ist dir meine Liebe jetzt schon gleichgültig?

Andalosia: Nein, das nun eben auch nicht – gähnt aber – Ruhe muß der Mensch haben – denn Ruhe – sieh, ist der Ruhe wegen notwendig. – Ei, mir deucht, ich falle mit dem Kopf auf den Tisch. – Tisch! Tisch! Ein einfältiges Wort. – Warum muß nun hier gerade ein Tisch stehn? – Dietrich! Dietrich!

Agrippina: Was soll er? –

Andalosia: Was du sollst, du fauler Mensch? Mich zu Bett bringen – das dünkt dem Fratzengesicht wohl zu viel – Dietrich – ah! liebster Engel! Du bist da? Verzeih, ich war ein wenig in Gedanken.

Agrippina: Du bist müde und schläfrig.

Andalosia: Ja, mein Kind, weil der Dietrich nun wieder hineingelaufen ist – hole mir doch mal den Flegel, er muß in der Nähe sein – ich muß mich niederlegen.

Agrippina: Komm, daß ich dich selber führe. – Margarethe! Margarethe!

Margarethe kömmt.

Andalosia: Ja, Dietrich, ja, du bist eine ganz gute Haut – nur taugst du nichts – kein gutes Haar an dir – immer gähnend.

Agrippina: Lege dich auf dieses Ruhebett hier, mein Trauter.

Andalosia: Ich traute dir ja – freilich – je nu – kömmt Zeit, kömmt Rat, Affengesicht.

Sie gehn in das zweite Zimmer.

Margarethe: Er weiß sich vor Schlaf nicht zu lassen; es ist zum Lachen, was sich die Prinzeß für Schmeicheleien von ihm muß sagen lassen. Nun schläft und schnarcht er schon: ich dachte wohl, daß der starke Schlaftrunk so schnell wirken müsse.

Agrippina kömmt.

Agrippina: Hier, Margarethe, nimm diese Tasche, und nähe sie dem Festschlafenden schnell und behende so an das Wams, wie er diese trug. Aber nimm dich in acht, daß er nicht munter wird.

Margarethe: Hat nichts zu sagen, gnädigste Fürstin, drei Schneider könnten sich jetzt auf ihn setzen, und arbeiten und bügeln, er merkte nichts davon. Ab.

Agrippina: Endlich errungen! – Ich fasse hinein – richtig, zehn schöne goldne Münzen – und wieder – und wieder – o welche Wonne! Ich entfliehe mit meiner Beute in die innersten fernsten Gemächer, bis er fort – und dann, o du himmlisches, glänzendes, lachendes Gold, dann will ich immer mehr der tönenden Liebesreden aus diesem welken, unscheinbaren Munde ziehn, und dir, nur dir leben und sein. Geht ab.

Margarethe kömmt zurück.

Margarethe: Nun wäre das auch geschehn. – Er schnarcht aber so stark, daß es unanständig wird, denn die Schildwachen draußen müssen ihn hören können. Sie müßten denn etwa denken, es wäre des Königs Majestät selbst, der sich bei der Königin befände, und es ist wahr, der hohe Mann kann auch in diesem Orgelspiel etwas leisten, was man nicht alle Tage hört, denn er hat besonders die tiefen Töne so in seiner Gewalt, und die schnellen gurgelnden Passagen, die dann plötzlich in die Höhe hinauftremulieren, und mit einem Schnelltriller wieder in den ruhigen gesetzten Ton herabspringen, daß man über die ungeheure Fertigkeit erstaunen muß. Wenn dann die liebe alte Königin auch anfängt einzustimmen, die sich mehr auf die Lachtöne gelegt hat, und immer ganz plötzlich mit einem Seufzer abschnappt, ohne die Kadenz zu Ende zu führen, dann ohne alle Harmonie und Übergang mit den abgebrochenen röchelnden kurzen Sätzen wieder anfängt, so schnarchen und fugieren die beiden Herrschaften ein äußerst wundersames Duett. – Was aber der einfältige Spaß mit der Vertauschung der Säckel nur bedeuten soll? Und dazu die vielen Anstalten, die Heimlichkeit, die Gefahr seinen guten Namen zu verlieren? Ja, die Langeweile treibt die Menschen zu wunderbaren Sachen. – Er wird immer noch nicht munter, und der Morgen fängt schon an zu dämmern. Wie wird der gute Mensch verdrüßlich werden, wenn er merkt, daß man ihn mit dieser Liebe nur genarrt hat. Ich muß ihn aufwecken und aus dem Schlosse schaffen, meine Reputation könnte selbst dabei leiden. – Er rührt sich, ja. – Seht doch die Impertinenz, nur um sich auf der andern Seite wieder zurechtzulegen. – Nein, mein gnädiger Herr Graf, sie geht hinein so ist es nicht gemeint, das darf hier nicht sein; rüttelt ihn ermuntert Euch doch, und seht um Euch, daß das hier keine Schlafstelle für Euch ist.

Andalosia erwacht: Wo bin ich?

Margarethe: Wo anders als im königlichen Schlosse? ums Himmels willen, es wird schon Tag, macht Euch davon.

Andalosia taumelt heraus: Wie bin ich denn hierhergekommen?

Margarethe: Je nun, die Jugend – die Liebe – Prinzessinnen, so hoch geboren sie sind, bleiben doch auch Menschen –

Andalosia: Die Prinzessin? – Ich erinnre mich – wo blieb sie?

Margarethe: Das arme Herz, wie sie sah, daß der gnädige Herr so sehr schläfrig war, und ungeachtet aller Liebkosungen, aller zärtlichen Worte immer wieder einschlief –

Andalosia: Ich? alter Narr!

Margarethe: Habt Ihr denn nicht noch eben auf dem Ruhebett dort schnarchend gelegen?

Andalosia: Himmel! Wie ein Tier habe ich alle Besinnung verloren.

Margarethe: Recht ist es nicht, bester Herr, und die gnädige schöne Prinzeß wird Euch nun wohl recht böse sein.

Andalosia: Ich verdiene ihren Zorn, ich Unwürdiger. Noch weiß ich mich nicht zu sammeln, mein Kopf ist schwach, mein Gehirn erschöpft; o wie werd ich erschrecken, wenn ich meine volle Besinnung wiederfinde. Leb wohl und schweig. Geht ab.

Margarethe: Gimpel! Schweig! Was gibt's denn hier zu verschweigen? Ich fürchte, die Königin und die Prinzeß werden Euch selbst damit aufziehn und Euch in die Nase lachen, daß Ihr Euch aus Eitelkeit so leicht betören ließet. Schweigt! Er spricht, als wenn er ein König wäre, der fremde unbekannte, wetterwendische junge Herr. Geht ab.

 


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