Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechste Szene

Stube.

Dietrich, Bertha.

Dietrich: Also immer und täglich soll ich den Verdruß einschlucken?

Bertha: Schlucke, was du willst, ich weiß nicht, was ich dir getan habe.

Dietrich: Was? Daß du mir nicht ewige Treue und Liebe schwören willst; daß du nicht einsehn willst, daß der Mann des Weibes Haupt ist.

Bertha: Des Weibes Narr, mein Bester: und was hast du denn im Vermögen, wovon eine Frau reputierlich bei dir leben könnte?

Dietrich: Man richtet sich ein, das findet sich.

Bertha: Das Finden und das Einrichten kenne ich. Pfui, schäme dich, Mensch, hast so lange bei dem reichen Verschwender Andalosia gedient, der auf Goldstücken ging, und jeden Blick bezahlte, den man an ihn warf, und bist doch ein armer Schlucker geblieben!

Dietrich: Kennst du mich denn so genau? Kannst du denn wissen, ob ich nicht mein Schäfchen ins trockne gebracht habe? Frauensleuten muß man nie Geheimnisse anvertrauen.

Bertha: Seht doch den Unverschämten! und er will doch noch behaupten, daß er mich liebhat. Das ist aber gewiß nur Aufschneiderei und Wind, denn sonst würdest du schon mehr geprahlt, mir auch hin und wieder ein Geschenk gemacht haben; solltest du aber ein so geiziger Filz sein, daß du es nur aus Knickerei nicht getan hättest, so würde ich dich mit den Füßen aus meiner Stube stoßen.

Dietrich: Präsente, nicht wahr? Kleider, und artige Frühstücke, und Ohrringelchen? Gelt? Ja, wenn ich mein bißchen Armut gestohlen hätte!

Bertha: Und wie anders bist du dazu gekommen, wenn du etwas hast, Gaudieb?

Dietrich: Gaudieb? Das ist bei uns zulande geschimpft.

Bertha: Kann sein.

Dietrich: O du Undankbare! Du weißt nicht, was ich dir zugedacht hatte. Sieh! du begreifst nicht, wie ich zu diesem Apfel gekommen bin: o du harte Seele, den wollte ich mit dir teilen.

Bertha: Kannst ihn ganz behalten, wenn du nichts Besseres hast.

Dietrich: Soll auch geschehn. Sieh, dir zur Ärgernis eß ich ihn, so, und so, und nun soll der Neid dich zerreißen, wenn du die Wirkung, die Herrlichkeit wirst gewahr werden.

Bertha: Mit solchem Narren soll ich gesegnet sein?

Dietrich: Und wenn es recht wirkt, recht, wie ich hoffe, so laß ich dich sitzen!

Bertha: Jämmerlicher.

Dietrich: Nun! Sieh mich einmal an! Wirst du nichts gewahr?

Bertha: Bist du betrunken? Bist du unklug?

Dietrich: O weh! Wie reißt es mir im Kopf! O weh! Hülfe! Ach, welche Schmerzen!

Bertha: Im Kopf?

Dietrich: O unerträglich. Nimm, liebster Engel, deine kleinen Händchen und drücke mir die Schläfen recht – so – noch stärker! – recht zusammen!

Bertha: Ich wende alle Kräfte an. – Garstiger Mensch! Stößt mir gerade ins Gesicht. Ist das mein Dank?

Dietrich: Ich? – Was ist mir denn da aus dem Kopfe gesprungen? Der Schmerz ist weg, aber es fuhr ja was wie ein Kloben heraus.

Bertha: Ums Himmels willen, Mensch, du bist ein Ungeheuer!

Dietrich: Was fühl ich? Was seh ich? Hörner? Wahrhaftige Hörner? Du Boshafte, Schändliche! Das hat mir mein Vater wohl vorhergesagt! O du Unverschämte! mir noch mit den eignen Händen die Hörner herauszudrücken! Und das vor der Hochzeit!

Bertha: Er hat Hörner bekommen und den Verstand verloren. Was kann ich dafür, daß sie Ihm tief im Gehirne stecken, so daß man Ihm nicht den Kopf ein wenig anfassen darf, so schießen sie hervor wie Springfedern! Hat Er mir nicht beinah die Augen ausgestoßen? Vielleicht kann man sie Ihm wieder zurückdrücken, und sie weichen Ihm im Kopfe wieder auf, denn Er hat doch nichts als Buttermilch drinne.

Dietrich: Buttermilch? Du Ungetreue! Von dir, von deiner Untreue rühren sie her. Ich habe meinem Vater nicht glauben wollen, und muß nun die Wahrheit an mir selber erleben! O verfluchte, verfluchte Liebe! Verflucht die Stunde, wo du mir zuerst jenen Kapaunenschenkel heimlich zustecktest, denn damals war es um mein Herz geschehn! Verflucht jedes Glas, das ich auf deine Gesundheit ausgetrunken habe! Und schon vor der Ehe! Weg da! Ich renne dich mit diesen Hörnern von deiner Fabrik durch und durch! Ich stoße das ganze Haus um! Ich ruiniere die Stadt!

Bertha: Die Bestie verdirbt alle Möbeln, die Türen; – was soll das werden?

Dietrich herumwütend: Hier! und da! und alles soll zu Trümmern gehn! Halt! er rennt sich mit den Hörnern in dem Türpfosten fest. Mach los! Mach los!

Bertha: Ja, daß du noch mehr herumrasest.

Dietrich: Ich sitze fest, die Hörner sind tief hineingefahren: zieh! zieh! mach los!

Bertha: Du siehst, wie ich arbeite, ich kann nicht, meine Kräfte sind zu schwach.

Dietrich: So lieg ich nun hier fest im Hafen der Liebe; soll ich denn hier wie eine Säule steckenbleiben?

Bertha: Es ist alles vergeblich.

Dietrich: Ich verwachse mit dem Hause in eins, die Hörner greifen durch bis ins Mauerwerk, und wenn die Feuchtigkeit erst eintritt, so quillen sie vielleicht bis in die Fundamente hinein. Zu welchem Schicksal bin ich geboren! Alle Fälle, die mir mein Vater vorhergesagt, alle Ratschläge passen auf diese vermaledeite Situation nicht, hier eingenagelt, mit gebücktem Kopfe stehn zu müssen. Hilf los!

Bertha: Kann ich die Mauer umreißen? – Da läuft der junge Tischler mit seinem Geräte vorbei! klopft ans Fenster. Hier herauf! Hieher, lieber Martin! – Er muß dich aus dem Pfosten lossägen, sonst seh ich keine Rettung.

Dietrich: Was muß der Mensch denken?

Martin tritt herein.

Martin: Was soll ich, schönes Kind? – Ei, was ist denn das für ein Spektakul? Das ist ja der Musje Dietrich! Im Holze fest! Mit Hörnern!

Dietrich: Nur nicht viel gesprochen! Helft mir schnell los!

Martin: Es ist wohl erlaubt, sich ein wenig zu verwundern, denn so was sieht man nicht alle Tage, wenn man auch weit darum reisen wollte. Das hat noch keine Raritätenkammer aufzuweisen.

Bertha: Nehmt die Säge, Lieber, und arbeitet ihn los.

Martin sägt: Die Tür wird aber ruiniert, das muß ja nachher von neuem gebaut werden. Je nun, so kriegt mein Meister desto mehr Arbeit.

Dietrich: Nehmt Euch in acht, Freund, schwatzt nicht, daß Ihr mir nicht in die Hörner sägt, oder wir werden uns sprechen.

Martin: Wenn Er viel Flausen macht, Spaßvogel, so lasse ich Ihn hier im Holze sitzen, bis Ihn mit der Zeit die Würmer herausbeißen.

Bertha: Eilt Euch, lieber, guter Martin, die Herrschaft möchte kommen.

Dietrich: Das ist wohl einer von deinen Liebhabern, der liebe Martin, nicht? Du Schandfleck der Natur!

Martin: Hör Er, Freund, Er steht hier mit seinem krummen Rücken und Hintern so anziehend da, daß, wenn Er noch mehr sein loses Maul braucht, ich Ihm ein funfzig aufzählen werde. Er kann sich ja nicht einmal wehren, armseliger Naseweis, Er!

Dietrich: Still, sägt, Freund, sägt, das eine Horn wird schon lose.

Martin sägend: Dank Er doch Gott, daß man Erbarmen mit Ihm hat; wo wollte Er denn schlafen, wenn wir Ihn hier eingefugt stehn ließen? – Nun, nicht gerissen, ruhig ausgehalten; gleich ist Er frei.

Dietrich reißt sich los: Das wär vorüber. Diese Abhängigkeit war sehr drückend.

Martin: Wie kommt Ihr nur zu dem Gewächs, Freund? Wenn mancher Kunstfreund Euch so sehn sollte, er böte viel Geld für Euch.

Dietrich: Ich kann nicht viel Rede stehn, der Schmerz, die Angst – ich bin so müde, so zerschlagen, daß ich mich kaum aufrecht halte. Erlaube, Bertha, mich dort ein wenig niederzulegen.

Bertha: Komm, mein armer Dietrich, leg dich ein wenig auf mein Bett, und erhole dich von dem Schlage. Sie führt ihn hinein.

Martin: Was soll man davon denken? Der Mensch stellte ja den Liebhaber von der Mamsell Bertha vor, auf die ich auch längst ein Auge hatte, und die mir nicht ungewogen ist. Ei, den Kerl möcht ich haben, so wäre mein Glück gemacht.

Bertha kömmt zurück.

Bertha: Der arme Mensch schläft fest und schnarcht gewaltig; die ganze Sache ist mir völlig unbegreiflich, er klagte über Schmerzen, da drückte ich ihm den Kopf ein wenig, und wie ein Paar junge Ziegen sprangen mir die Hörner entgegen, und nun sitzen sie fest und unbeweglich.

Martin: Ist es denn aber denklich, daß ein so schönes, liebes Kind, wie unsre Bertha ist, sich mit einem so verwandelten Menschen, aus dem noch, wer weiß was, werden kann, verheiraten wird?

Bertha: Er hat mir schon ohne Hörner nicht sonderlich gefallen, viel weniger jetzt, man müßte sich ja vor allen Menschen schämen. Was müßte der Priester nur sagen, wenn wir so vor den Altar träten?

Martin: Und die Kinder könnten auch solche Waldteufel werden.

Bertha: O pfui, mein Lieber, denken wir daran nicht.

Martin: Schönes Mädchen, mir fehlt nur eine Summe, um Meister zu werden, sonst hätte ich schon lange um dich angehalten: den Kerl müssen wir festhalten, so wie er da ist, der kann unser Glück machen; mein Vetter, der Gesell beim Theaterschneider, macht mir einen Satyrpelz für ihn, ich baue einen schönen Käfig, und so ziehn wir mit ihm herum und lassen ihn für Geld sehn, erst in den kleinern Städten, und dann hier in London; ich gebe ihn dann für einen wahrhaftigen Satyr aus, die Hörner sind ja auch echt, und so können wir reich durch ihn werden.

Bertha: Martin, den Verstand hätt ich Euch nicht zugetraut; das ist ein Einfall, der sein Geld wert ist.

Martin: Kommt nur jetzt mit hinein, und helft mir ihn festbinden und knebeln, daß er uns nicht entläuft, dann muß ich auch die Tür wieder instand setzen, dann bau ich den Käfig, und dann wollen wir unser Glück mit ihm versuchen.

Sie gehn ab.

 


 << zurück weiter >>