Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Siebente Szene

Zimmer.

Fortunat. Leopold.

Fortunat: Es ist schon spät, und da wir morgen früh
Mit Tagesanbruch abzureisen denken,
So werf ich mich bekleidet auf das Bett.

Leopold: Ich folge gern dem Beispiel, doch Euch, Herr,
Der Ihr des ungewohnt, wird es ermüden.

Fortunat: Ich habe größere Beschwer erduldet.

Leopold: Nach Eurer Heimat zu geht jetzt die Reise?

Fortunat: Ja, du hast mir die Sehnsucht aufgeweckt,
Und, sonderbar, daß ich nicht früher schon
Des Vaterlands, der teuren Eltern dachte;
Der Trieb, mir Land und Städte zu besehn,
Verdeckte ganz mir mein Gemüt und Herz.
Die Nacht ist still, kein Lüftchen regt sich jetzt,
Kein Schall, kein Atem in der Einsamkeit –
Nun schlafe wohl – das Auge fällt mir zu. Entschläft.

Leopold: Lieg hier, mein Schwert, daß, wenn Besuch uns wieder
So unvermutet kömmt, du ihn begrüßest;
Doch Fenster, Türen sind zu gut verwahrt,
Es kann kein Geist, kann keine Hexe sein. Schläft.

Abel kömmt unter dem Bette hervor.

Abel: Still! sacht! – es ist doch fast zu finster hier –
Der Wein war stark, ich finde nicht das Lager;
Wo bin ich denn? Im eignen Haus verirrt?
Hier liegt er ja: behend und fein ihr Finger!

Leopold schlägt ihn:
Da, nimm dein Handgeld erst, du Diebeshund!

Abel: O weh! mein Haupt! O weh! ich bin verloren!

Leopold springt auf:
Ihr Diener auf! Besetzt mir schnell die Tür!
Bringt Licht, Gesellen! Auf, mein gnädger Herr!

Fortunat: Was gibt es denn? Warum mich so erschrecken?

Leopold: Ich habe unsern saubern Dieb gepackt,
Er soll nicht mehr entrinnen. Bringt doch Licht!

Daniel kömmt mit Licht.

Daniel: Habt Ihr den Schelm? Herr Jes! Gehorsamer Diener!
Der saubr' Herr Wirt, so wie er leibt und lebt.

Fortunat: Weh, Unglückselger! was hast du getan?

Leopold: Im Finstern mißt sich's schwer, das Schwert ist ihm
Zu tief die Schelmengurgel eingedrungen.

Abel: Laßt mich nur los, ich sterb, entrinn euch nicht –
Mir widerfährt mein Recht – o weh mir! weh!
So unvermutet muß ich enden – hier,
Im Frevel – weil ich selbst ein Mörder bin:
Der gute alte Rittersmann in London,
Herr Oldfield, den ich um Kleinod' erschlug –
Er mahnt mich jetzt mit seinem Silberhaupt!

Fortunat: Ihr wart der Mörder jenes guten Herrn,
Weshalb Hieronymus unschuldig litt?

Abel: So kennt Ihr die Geschichte? Wohl, ich war's,
Und floh geängstet aus Europa fort,
Ward Muselmann in Alexandria,
Doch fand ich nirgend Glück: so kehrt ich um,
Fand hier Beschützer, Freunde, die mich wieder
Zu Wohlstand brachten, doch des Herzens Tücke –

Fortunat: Er ist schon tot! O weh! kein Zeuge hier
Seines Geständnisses, wir fremd und freundlos!
So muß denn immer Unheil mich verfolgen?
Nun bin ich selbst hier wie Hieronymus,
Wir haben nichts, den Totschlag zu vertreten,
Und jeder Richterspruch wird uns verdammen.

Leopold: Beruhigt Euch, und sammelt Eure Geister,
Wir finden wohl noch Mittel zu entkommen.
Daniel, hinaus, kein Wort von deinen Lippen,
Was du hier hast gesehn! Treib alle Diener,
Daß sie in schnellster Eil die Rosse satteln,
Die Bündel, das Gepäcke schleunig schnüren,
Daß binnen einer Stunde schon die Stadt
In unserm Rücken liegt, und laß sie singen
Und fröhlich sein, sing selbst mit lauter Stimme,
Daß jeder sehe, wie vergnügt wir sind.

Daniel: Herr Leopold, ich hab nur schlechte Stimme,
Und was ist's denn, was wir so singen sollen?

Leopold: Fort, Narre! Liebeslieder! Was ihr wollt!

Daniel: Als wenn sich's auf Kommando singen ließe! Ab.

Leopold: Noch ist es finster, niemand wach im Hause,
Es liegt ein alter Brunn hinter den Ställen,
Da werf ich in den tiefen Raum den Schelm;
Der Born wird nicht gebraucht, da find't ihn keiner,
Und find't man ihn, sind wir schon weit entfernt.

Trägt den Leichnam fort.

Fortunat: So folgt mir denn Gefahr stets auf der Ferse? –
Man zieht uns ein – wer sag ich, daß ich bin?
Mich kennt hier niemand. Man wird tiefer forschen
Nach meinen Schätzen; die verderben mich! –
Sollt ich den Säckel einem Treuen lassen,
Ihm dessen Kraft entdecken? Daß er mich
Durch Gold vom harten Richterspruch erlöse?
Dem alten Bürger etwa? Der schien redlich.
Doch wird man fragen, woher er so reich
Urplötzlich worden, mit der Folter dann
Ihm das Geheimnis zu erpressen wissen.
Auch gibt es keinen Sterblichen, der einmal
Des Säckels Kraft erkannt, ihn willig wieder
Aus seinen Händen läßt, ich selber würde
Mein Leben gern an solches Kleinod setzen.
Drum, wie es kommen mag, soll selbst in Folter
In Todesnot den Lippen nimmermehr
Dies teuerste Geheimnis mir entschlüpfen.

Leopold kömmt zurück.

Leopold: Begraben besser als er es verdient
Liegt nun der saubre Herr, den Kopf nach unten,
Und Stein' und Erde über ihn gewälzt.
Die Pferde stehn bereit, die Diener warten,
Nur heiter, gnädger Herr, so laßt uns ziehn,
Und keiner ahndet was von diesem Vorfall.

Diener treten ein. Daniel.

Daniel singt:
    Und soll es denn gestorben sein,
    So lebe wohl zu tausendmal,
    Gehst du vorbei dem Rabenstein,
    Gedenke meiner Lieb und Qual.

Leopold: Was ist das für ein dummes Lied, du Narr?

Daniel: Jedweder Vogel singt nach seinem Schnabel. –
Die Leute aus dem Hause sind schon auf.

Fortunat: Hol mir den Mantel aus dem andern Zimmer.

Daniel ab.

Adam, Ulrich, Jakob kommen.

Adam: Nun reist Ihr wieder ab, hochedler Herr?

Fortunat: Teilt, Freunde, dieses Gold für eure Dienste.

Jakob: Wir danken, königlich freigebger Herr.

Daniel kömmt mit Mantel und Degen.

Daniel: Hier ist der Mantel und das Schwert, Herr Graf. singt:
    Ach, du warst mein Verlangen!
    Seit lange dacht ich dich zu frein,
    Dein vielgeliebter Mann zu sein,
    Und soll nun morgen hangen.

Leopold: Ist nicht der Mensch besessen mit den Liedern?
Kannst du nichts Beßres singen, halt dein Maul!

Daniel: Ich falle so auf alte Liebeslieder.

Fortunat: Bring mir den Malvasier, der dorten steht,
Es geht ein Trunk noch grade einmal um.

Daniel ab.

Adam: Im Haus ist hier was Großes vorgefallen.

Fortunat: Wie so? Doch nichts Bedenkliches und Schlimmes?

Adam: Nein, gnädger Herr, nur allgemeiner Aufstand,
Der Herr hat alle Mägde durchgeprügelt
Als gestern früh, die sind nun diese Nacht
Auf und davon. Es fehlt ihm an Konduite,
An Einsicht: unsre Dienstzeit ist auch um,
Wir gehen alle noch heut morgen fort.

Leopold: So bleibt das Haus ja leer?

Ulrich:                                                   Nicht wahr, es ist
Sich krank zu lachen, wenn der Kerl erwacht
Und find't so sauber alles ausgefegt?

Daniel: kömmt mit Wein.

Daniel singt:
    Und muß es denn gestorben werden,
    So schlage lind den Kopf herab,
    Bestattet ehrlich mich zur Erden,
    Dann weint mein Schatz auf meinem Grab.

Leopold: Woher, du Vieh, hast du die Galgenlieder?

Daniel: Als ich mit Euch in Deutschland draußen reiste,
Hab ich sie so den Sängern abgehört,
Liebherzig, treu, sanftrührend ist ihr Ton.

Fortunat: Hier, Leopold, trink, laß den Becher umgehn.

Leopold: Da, Leute. Auf des gnädgen Herren Wohl.

Alle: Er lebe, lebe viele tausend Jahr!

Fortunat: Viel Dank; wenn unser guter Wirt hier wäre,
Er tät uns auch auf diesen Trunk Bescheid.

Leopold: Ei, laßt den schlafen, alles ist bezahlt,
Und setzt Euch auf, der Morgen dämmert schon

Adam: Ja, laßt den alten Bär nur dorten schnarchen,
Es schmeckt uns nur, wenn er nicht bei uns ist.

Fortunat: Lebt wohl, ihr guten Leute, künftgen Monat
Gedenk ich wieder hier zu sein und kehrte
Da gerne ein, wo ich euch wiederfinde.

Jakob: Nur nicht bei diesem Menschenschinder hier

Fortunat mit den Dienern ab.

Daniel: Lebt wohl, ihr Freunde.

Adam:                                             Macht! der Herr ist schon
Zu Pferde.

Daniel:             Lebt denn alle wohl. Adieu! Geht ab.

Jakob: Schnell laßt uns in ein gutes Wirtshaus gehn,
Und da verzehren, was man uns geschenkt.

Ulrich: Wir wollen uns mal gute Tage machen
Nach all den Plackereien hier.

Adam:                                               Recht so.
Hu! wie die reiten! Alle sind sie fort!
So liebe Gäste kommen niemals wieder.
Zum Keller steig ich noch einmal hinab,
Und bringe einge Flaschen Wein für uns,
Dann fort, die goldne Freiheit zu genießen.

Alle gehn ab.

 


 


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