Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Erster Akt

Erste Szene

Zimmer.

Gratiana, Lucie.

Lucie: Wie ich sage; wenn die gnädige Herrschaft so viele Dinge verlangt, so ist es auch wohl billig, daß sie den Lohn erhöht.

Gratiana: Bekömmst du nicht, wie immer? Wird dir etwas abgezogen?

Lucie: Seh ein Mensch! Als ich ins Haus kam, waren Bediente hier, Köche, Stubenmädchen, Kammerjungfern; und jetzt, da ich allein Köchin, Wäscherin und Stubenmädchen bin, und alle Aufwartung habe, alle Gänge zu tun, soll ich nicht mehr kriegen, wie damals?

Gratiana: Geh an deine Arbeit und mach mir den Kopf nicht warm.

Lucie: Mir ist der Kopf schon längst zu warm; schmale Bissen, elenden Lohn, und alle Hände voll zu tun, keine Minute für sich, und so Sonn- und Werkeltage: das ist schlimmer, wie in der Sklaverei! – Wie ich es nur durch meine Sünden verdient habe, daß ich bei den Großtuern hier Not und Kummer leiden muß. Geht ab.

Gratiana: Das ist ein Elend mit dem Gesinde! Und vollends, wenn sie recht haben.

Theodor tritt ein.

Gratiana: Nun, mein geliebter Gatte?

Theodor:                                                 Wieder nichts!
Wohin ich komm, ist jedes Haus verschlossen.
Armut wird mehr als Ansteckung vermieden:
Dieselben, die mich sonst geherzt, geküßt,
Die mir Vermögen, Blut und Leben boten,
Sind jetzt mit: geht's Euch wohl? – es tut mir leid,
Ein andermal – und solchen Reden fertig.
Noch andre tun, als kennen sie mich nicht;
Bediente müssen jenen ganz verleugnen;
Der reiste über Land und der ist krank:
Graf Nimian, der so oft an diesem Tisch,
In diesem Armstuhl saß, und sich recht gut
Den Wein und meine Tafel schmecken ließ,
Ist jetzt ein hoher fremder Moralist;
Es tut mir leid, daß man nicht besser haushielt,
Man wollt es stets dem höchsten Adel gleichtun,
Verließ die Sphäre, flog den falschen Flug,
Der Hänfling ist für Adler nicht geboren –
O ich bin müd, gib mir 'nen Becher Wein.

Gratiana: Das sind die Tischfreund, unsre teuren Freunde,
Die manches Tausend Mark, manch Landgut zehrten!
Die Wichte, die mit unserm Glück erkauft sind!
O wär uns doch der Himmel nur so gütig,
Daß wir den Übermut, den Hohn, die Falschheit,
Einst ihnen ebenso vergelten könnten!

Theodor: O ja, mein Herz! Wenn ich durch Glück und Fügung
Doch gleich in unserm Garten Schätze fände,
Uraltes Gold, daß wir's mit Scheffeln mäßen!
Und gegenüber mir der Herr Graf Nimian,
Verarmt, voll Schulden, wüßt nicht aus und ein,
Getraute mir nicht ins Gesicht zu sehn,
So nähm ich denn so hunderttausend Mark,
Ging' zu ihm, sagte: kann Euch das hier retten?
Da ist's! Und somit fort, ohn Dank und Quittung,
Daß er sich schämen und bereuen müßte.

Gratiana: Du bleibst der alte. Sahst du nicht die Vettern?

Theodor: Zum letztenmal; das ist noch schlimmer Volk;
Den Blick, den so ein reicher Kaufmann hat,
Wenn er verarmte Borger wittert! jedes Zwinkeln
Des Auges ist dukatenschwer Gewicht,
Jedwede Mien ist groß wie Beutel Golds,
Der Atem klingt nach Münze, und man fühlt
Daß die Gedanken nur von Silber sind:
Nein! tausendmal die schlimmer, als der Adel!
Da liegen bei dem Schwager Haufen Golds,
Man wechselt, tausend Stück sind abgewogen –
Was mich der Bettel doch inkommodiert!
So ruft er – fort! daß andre kommen können!
Und hundert mir, und funfzig, zwanzig, zehn,
Verweigert er mit dürftgem Achselzucken.
Das sind die Deinen, deine Blutsfreundschaft!

Fortunat kömmt herein.

Theodor: Woher, Landstreicher?

Fortunat:                                       Von der Beize komm ich.

Theodor: Ging's gut?

Fortunat:                     Der Wind war fast zu stark, der Falk
Ist noch was jung. Dann war ein wildes Pferd,
Das ritt ich für den Grafen Eglamor.

Theodor: Der auch ist von den alten sonstgen Freunden.

Fortunat: Man spricht davon, daß bald Turnier und Rennen
Gehalten wird, der König kommt zurück.

Theodor: O meine Hengste! meine Hengste! hätt
Ich nur ein einzig, einzig Pferd behalten!

Fortunat: Ja, Vater, fast sollt man bereuen, daß
Man lebt, 's ist wahrlich nicht der Mühe wert.

Theodor: Schweig still, ich habe schon Verdruß genug.
Am Ende – ja, um dich tut's mir nur leid –
Groß ist er, stark, nicht ohne Witz und Sinn –
Und bleibt doch immer nur ein Tagedieb.

Fortunat: Still, Vater, Zypern ist ja nicht die Welt,
Da drauß ist's groß und frei, wer weiß, wo noch
Mein Glück mir blüht; ich fühle Mut und Kraft,
Ich bleibe nicht wie Ihr, so heimisch, still
Auf einem Flecke sitzen; und dann gibt sich's
Wohl noch einmal, daß ich mit meinem Zuge,
Mit schönen Pferden, Dienern, Falkenjägern
Einreit; Ihr steht dann vor der Tür, begrüßt mich,
Ich tret ins Haus, Ihr ladet mich zu Tisch,
Und haltet mir beim Waschen selbst das Becken.

Theodor gibt ihm einen Backenschlag:
Da nimm vorerst den Handschlag drauf du Bube!
Dein eigner Vater dir, du Unverschämter,
Das Silberbecken halten, sich vergessen?

Fortunat: Schon gut, noch ist nicht aller Tage Abend,
Und über Nacht blüht manchem wohl sein Glück. Geht ab.

Theodor: Bei alledem recht adliche Gesinnung.
Ihm 's Becken halten? Hm, so übel nicht,
Wenn er als Graf, als Herzog mal so käme –
Ein hoher Geist ist in dem dummen Jungen.
Er kennt die Welt noch nicht, wird schon einmal
Die wilden Hörner sich vom Kopfe rennen.

Lucie tritt ein:
Ich habe drin das Essen aufgetragen.

Theodor: Komm, Frau, 's ist angerichtet.

Gratiana:                                                     Doch, der Sohn –

Theodor: Laß ihn, er wird schon kommen, wenn ihn hungert.

Sie gehn ab.

 


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