Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Neunte Szene

Zimmer.

Andalosia allein:
So wandelt dumpf ein Tier in Paradiesen,
Und sieht nicht Blum und Frucht, so reißt der Wahnsinn
Den Freund und die Geliebte roh zerfleischend
Sich selbst mit grimmen Biß die Glieder wund;
So bin ich selbst mein eigner dummer Feind,
Durch eigne Schuld aus meinem Paradies
Schmachvoll vertrieben, ich im blöden Sinn
Zerriß selbst meine Liebe. – Wie nur war es,
Wie möglich nur, daß dieser tiersche Schlaf,
Der dumpfe Sklave der Natur, den Geist,
Der himmelan mich trug, bewältgen konnte?
Die schwere Schuld muß ich sogleich versühnen,
Ein prächtiges Bankett soll wiederum
Den ganzen Hof in meine Gärten ziehn,
Die schöne Fürstin wird durch Flehn erweicht,
So schnell kann Herzensliebe nicht ersterben,
Sie übersieht den Fehl und Venus sendet
Aus ihrem Himmel meine Wonnestunde.
Doch wenig Gold hab ich in Vorrat noch,
Ich eile um den Reichtum herzustellen. –
Wie? – Was ist das? – Leer, immer leer der Säckel? –
Ich träume nicht – wie, sollte Ampedo,
Der Blöde, recht mit der Vermutung haben?
Ist wohl die Zauberkraft erschöpft und tot? –
O nein, ich Blöder, Blöder, Rasender!
O ich Getäuschter, plump, arg, arm Betrogner!
Wie man Schulknaben wohl und Gassenjungen
Um Äpfel oder Nüsse hintergeht,
Wie Bauernvolk in dem Gelag der Schenken
Mit grob gesponn'nem Witze übertölpelt –
Ja, Tölpel, Narr, Blödsinniger, Dummkopf ich!
Bedurftest du des Schlaftrunks wohl, in der
Betäubung dummer, alberner zu werden?
Nimm diesen Kopf, der mit Verstand nicht dient,
Der kaum den Sinn hat Gras dir aufzufinden,
Dem Hörner nur noch mangeln Tier zu sein,
Nimm ihn, zerschmettr' ihn an der ersten Wand!
Was bleibt mir als Verzweiflung? – Was mir bleibt?
Das Leben noch, die Jugend, die Gesundheit,
Die Hoffnung, künftig klüger noch zu werden,
Die Kraft, die eigennützge Täuscherin
Mit ganzem vollem Herzen zu verachten.
So sei es, und dann den Versuch gemacht,
Was ich verloren wieder zu erobern.

Der Haushofmeister kömmt.

Haushofmeister: Ich komme, von dem Munde meines Herrn
Befehle zu empfangen, wie das Fest
Nach seinem Wohlgefallen einzurichten.

Andalosia: Vorerst ruft schnell die ganze Dienerschaft.
        Haushofmeister ab.
Nicht in Bedrängnis Rat zu finden wissen,
Ist nicht des festen Mannessinnes würdig,
Hinweg, du falsche Scham, geschehe frei,
Mit Heiterkeit, was doch geschehen muß.

Alle Diener treten ein.

Andalosia: Ihr guten, treuen Leute, die bisher,
Das müßt ihr selbst bezeugen, frohe Tage
Mit mir gelebt, die ich beschenkt, gepflegt,
Und nie gedrückt: es ist anjetzt mein Wille,
Einsam und unbekannt in fremden Landen
Gelübden treu auf einge Zeit zu leben;
An Lohn bin ich bei keinem in der Schuld,
Ihr habt voraus, behaltet was ihr habt,
Die kostbaren Livreen, Pferd' und alles,
Zwei Pferde nur behalt ich mir; lebt wohl!
Erwidert nichts; wozu, daß wir uns rühren?
Je mehr ihr mich geliebt, zeigt um so mehr,
Daß ihr mit Schweigen alle mich verlaßt.
        Diener ab.
Du, Dietrich, bleib. Mich zwingt ein seltsam Schicksal,
Allein und sparsam nach dem Vaterland
Nach Zypern heimzukehren, und ich will
Mit dir die Reise machen.

Dietrich:                                   Aber ich
Will nicht, mein Herr; ei, seht mir doch den Antrag!
Ich also bin der einzge, schlecht genug
Und gut genug, auf knapper Pilgerfahrt
Euch wie 'ne Kürbisflasche zu geleiten,
Die man nur unterwegs mit Wasser füllt,
Da Ihr die andern alle fortgeschickt?

Andalosia: Ich glaubte, mich gefällig dir zu zeigen,
Da du aus Zypern bist, und deinen Vater
Gern wiedersiehst; was willst du unter Fremden?

Dietrich: Sorgt nicht, mein Vater läuft mir nicht davon,
Wenn er nicht etwa stirbt, Zypern noch weniger;
Hier hab ich unter Diensten nur zu wählen,
Ein trefflicher ist mir schon zugesagt.

Andalosia: So bleib, du Taugenichts, ich geh allein.

Dietrich: Viel Glück zur Reise! Der Graf Theodor
Kömmt außer sich, daß ich nun zu ihm ziehe. Geht ab.

Andalosia: So vieles Gold besitz ich noch, um einsam
Nach Zypern heimzureisen, sei's zu Land,
Sei's auf dem kürzern Weg zur See. Leb wohl,
Du undankbares London, lebe wohl
Betrügerin, die mit der Liebe heuchelt!

Theodor tritt ein.

Theodor: Verzeiht, mein Teurer, daß ich frank und frei
So zu Euch trete, längst hab ich gewünscht,
Daß wir als Freund' uns näherkommen möchten,
Wozu der Zeremonien und der Fratzen?

Andalosia: Ich bin in Eil, kann ich Euch worin dienen?

Theodor: Recht sehr: mich freut's, daß Ihr ohn Umschweif sprecht,
So macht's der brave Mann, so Ihr, so ich.
Ihr könnt mich glücklich machen, Euch verbinden
Auf Lebenszeit, wenn Ihr, mein Vater stirbt bald,
Bis dahin mir zehntausend Pfunde borgt.

Andalosia: Nennt Ungefälligkeit nicht dieses Lächeln
Und Achselzucken, kamt Ihr gestern zu mir,
So stand die Summe wahrlich Euch zu Diensten,
Doch jetzt bin ich zu helfen nicht imstande.

Theodor: Ja, »kamt Ihr gestern« ist Geschwisterkind
Mit dem verruchten Balg »ein andermal«,
Die Lumpen-Sippschaft stammt von Lug und Trug,
Und Kargheit säugte sie an schlaffen Brüsten,
Wohin man kömmt, sind die Unholde da
Mit ihrem dummen Zähneflesch und Grinsen.
Ich dachte nicht, so abgeführt zu werden.

Andalosia: Wenn Ihr mich kenntet, würdet Ihr nicht zweifeln.

Theodor: Mag Euch nicht näher kennen, als ich tu,
Wär eine miserable Perspektive
In leeres Herz und Eingeweid zu schaun.

Andalosia: Ihr könnt mich nicht beleidgen, so lebt wohl. Geht ab.

Theodor: Doch dir den Hals umdrehen, filziger
Verschwender! karger Hochmutsteufel, du!
Mich ärgert, daß ich ihm das Wort vergönnt.
Die Zeit find't sich, ihm das noch einzutränken. Geht ab.

 


 


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