Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Vierte Szene

Ein andres Zimmer.

Daniel, Jakob, Adam, Ulrich.

Adam: Setzt Euch daher Kamerad, denn ich höre ja, daß Ihr ehemals auch von unserm Stande gewesen seid, hier laßt uns eins trinken, wo niemand uns sieht, alles schläft, auch unser Herr Abel ist zu Bett gegangen, und wir können nun einmal ungehindert fröhlich sein.

Jakob: Hier, Daniel, versucht einmal diesen Wein.

Daniel: Auf eure Gesundheit, Freunde und Kameraden. Er schmeckt trefflich.

Ulrich: Er ist ein Gewächs von den griechischen Inseln.

Daniel: Will's glauben, denn ich bin doch nun schon weit mit meinem Herrn herumgekommen, der immer auf Reisen ist, aber solch liebliches Getränk ist mir noch nirgend durch die Kehle geflossen.

Adam: Was ist denn Euer Herr eigentlich?

Daniel: Seht, Mann, da werft Ihr mir eine Frage vor, die mir zu schwer und hart ist. Was er ist? Er weiß es vielleicht selbst nicht recht, so etwas Besonderes muß er sein. Oft denk ich, er ist ein Kaiser, der inkognito reist, oder der Priester Johann von Indien, oder der ewige Jude, oder noch was Kurioseres. Geld hat er immer, und immer das schönste Gold, er bezahlt ohne sonderlich nach dem Preise zu fragen, wir alle leben bei ihm im Überfluß, aber keiner weiß, wo er's hernimmt.

Jakob: Vielleicht hat er ein Bündnis mit dem Teufel gemacht und ihm seine Seele verschrieben.

Daniel: Das hab ich auch schon gedacht, aber er ist fromm und versäumt nicht leicht seine Messe; auch liest er oft; er ist ein stiller, tugendhafter Herr.

Ulrich: So hat er wohl den Stein der Weisen?

Daniel: Das muß sein, denn aus sich selbst kann er doch das Geld nicht münzen.

Adam: Und wer weiß. Seht, Freunde, was man in der Welt Fratzen, Märchen und Alte-Weiber-Geschichten nennt, hat oft seinen guten Grund in den Geheimnissen der Natur; die Folgezeit, ich will sagen, was nach der Vorzeit zu kommen pflegt, erklärt oft, und macht das begreiflich, was wir früher, oder in der Vorzeit einen Aberglauben genannt haben; so sind nun von tiefsinnigen Männern schon viele Geheimnisse entdeckt, und so kann jene wunderliche, beinah abgeschmackte, von vielen Kunstverständigen für unanständig erklärte Figur, die manche Leute wohl ihren Kindern zu Weihnachten zu schenken pflegen, doch auch als alte Sage und Tradition ihren guten Grund in der Wirklichkeit haben, und Euer Herr ist vielleicht selbst ein solches Männchen.

Daniel: Teufel, Adam, Ihr seid ein tiefsinniger Denker, Ihr bringt mich da auf einen nagelneuen Gedanken. So müßte man nur einen rechten Gelehrten über ihn schicken, um seine Beobachtungen über solch Naturwunder anzustellen.

Adam: Der Lamadienst hat gewiß dieselbe Veranlassung gehabt, der erste Dalai-Lama war ein so begabter Mann; seine Nachfolger haben es ihm freilich nicht nachmachen können, und darum verfällt die Religion auch von Jahr zu Jahr. Der eigentliche wahre Lamadienst ist in der ganzen kultivierten Welt verbreitet.

Daniel: Wie seid Ihr, große Seele, mit den Kenntnissen und Eurem Ahndungsvermögen nur zum Aufwärter in einem Wirtshause geworden?

Adam: Bei uns in Griechenland sind zu viele Denker, und darüber bleibt keinem was Rechts zu denken übrig, tausend teilen sich in die Masse, und keiner bekömmt deshalb das Maul voll. Will man mit einer Ansicht herausrücken, so haben sie alle Menschen schon gehabt und wieder vergessen, so wie sie vorgeben. Ich wollte mich erst zum Denker aufwerfen; ich habe die Welt gesehn, ich kann gründlich und umfassend sprechen, ich bin nicht ohne Gaben; aber mein Beifall verlor sich bald, und da ich außer meiner geistigen Kraft eine große Inklination zum Trinken habe, so dachte ich mich an die Quelle zu begeben, und bin darum in diesem Wirtshaus als Küfer in Dienste getreten.

Daniel: Und geht's Euch nicht, wie den Lehrlingen der Zuckerbäcker, denen man das Naschen erlaubt, weil sie sehr bald übersättigt werden, und nachher aus Ekel nichts von den Süßigkeiten mehr anrühren mögen?

Adam: Nein, Herr Kamerad, im Gegenteil, je länger ich mich unter den Fässern umtreibe, je mehr ich probiere und koste, um so mehr komm ich auf den richtigen guten Geschmack. Unter uns, Freunde, ich saufe oft mehr als die Gäste, besonders wenn dummes Volk ins Haus kommt, das nichts davon versteht, die müssen das hiesige gesunde Brunnenwasser mit einschlucken, so daß den Neulingen der Wein gewiß nicht schädlich wird. Wenn mir mein Herr nur nicht so vorarbeitete. Aber der sitzt selbst tagelang im Keller, in chemischen Prozessen, und versucht die Verwandtschaft des Wassers zu den Weinen, der Gewaltsspitzbube!

Daniel: Ist es denn wahr, daß er Türke, und vorher schon Christ gewesen ist?

Adam: Er hat alle Religionen kursorisch durchlaufen. Er wird bei der Auferstehung viel Verwirrung anrichten, denn man wird nicht gleich wissen, ob man den Kerl als Juden, Heiden, Türken, oder Ketzer verdammen soll; er gehört in zu viele Rubriken.

Ulrich: Das ist ein Halunke, der nicht nur die Gäste schindet, was mancher ehrliche Mann tut, sondern auch seine eigenen Leute.

Jakob: Und zu betrügen sucht er uns bei jeder Gelegenheit, heftet uns falsches Geld auf, gibt uns die Auslagen nicht wieder, nimmt oft, wenn wir nicht gleich bei der Hand sind, das Trinkgeld nach sich, und sagt, die Gäste wären Hungerleider gewesen und hätten nichts gegeben, und solcher Kniffe mehr, in denen er unerschöpflich ist.

Daniel: Arme Männer! Aber ihr schert ihn doch rechtschaffen wieder?

Adam: Lieber Mann, darin braucht uns gewiß der größte Virtuos keine Stunden zu geben. Was wir ihm nur an den Augen absehn können, tun wir ihm zum Possen.

Daniel: Und wo Wein auslaufen will, wo Geschirre umstürzt, wo das Essen verdirbt, wo gestohlen werden könnte, da seid ihr doch auch nicht zu schnell bei der Hand, um den Schaden zu verhüten?

Jakob: Gewiß nicht, wenn's platzregnet, lassen wir gern die Fenster zu den besten Stuben auf, das hat noch den Vorteil, daß der Zugwind oft, wie die Tür aufgeht, sie zerschlägt, die guten Möbeln lassen wir in der Sonne stehn, daß sie sich werfen müssen, wo wir Motten merken, stören wir sie gewiß nicht, die Mäuse noch weniger, so daß der gute Bursche mit dem Haushalt auch alle Hände voll zu tun hat.

Daniel: Recht so! so hab ich's auch immer gemacht, und habe doch wohl bei zwölf Wirten gedient. Sie treiben's einem wohl danach, daß man die Tugend einbüßen muß.

Adam: Ei was, es ist Tugend, solchen Schelmen das Leben recht sauer zu machen.

Abel tritt herein.

Abel: Wie? Was? Es sitzen hier noch die Gesellen
So spät, daß es bald wieder Morgen wird?
Schert euch zu Bett, ihr Tagedieb, es fehlt noch,
Daß ihr die Nächt in Saufgelagen hinschwelgt!

Adam: Wir sprechen hier in aller Lieb und Güte
Als gute Freund und Kameraden nur
Von Euch, mein bester Herr, und Euren Gaben.

Daniel: Und ich, mein Herr, bin sozusagen Fremder,
Ein Gast bin ich, und kann für bares Geld
Essen und trinken, wann, und wo ich will.
Ich bin nicht da, um angeschnauzt zu werden;
Es kann sich fügen, daß Ihr selber mir
Den Wein auftragen müßt, Herr Wirt! Verstanden?

Abel: Vollkommen, aber diesen meinen Leuten
Hab ich das Recht zu sagen: marsch! fort! packt euch!
Und wenn Ihr klug seid, Gimpel, geht Ihr auch!

Daniel: Ein Gimpel? Lieber noch als Eul und Schufut.

Sie gehn ab.

Abel: Ja, zum Verzweifeln ist's, und unbegreiflich!
Erbeutet nichts, als zwanzig Stück Dukaten.
Ich mache mich da unterm Bett hervor,
Wo meine Falltür ist, sie schlafen all,
Da schneid ich still dem Leopold den Säckel
Und finde zehn, den andern Dienern auch
Und finde zwei und drei und wieder zwei,
Und so bis zwanzig Stück beisammen sind,
Nun zitternd schon vor Freude, atmend kaum,
Mach ich mich an den großen Prahler selbst,
Das scharfe feine Messer nimmt auch gleich
Die Schnüre weg; ich habe schon den Säckel,
Den er an seinem Leibe immer trägt,
Und fühl ihn leicht und leer von außen schon,
So daß ich ihn im Zorn weit hin von mir
Dort unter's Bett hinwarf: drauf macht ich schnell
Die Fenster auf, als wären nächtlich Diebe
Hereingestiegen. Wie in aller Welt
Will er die Ausstattung nur möglich machen?
Am nächsten Tage mir bezahlen? Fort,
Daß er nicht glaubt, ich hätte noch gewacht. Ab.

 


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