Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Neunte Szene

Kloster. Sprachzimmer.

Äbtissin, Nonnen.

Äbtissin: Ja, meine Kinder, immer dringender
Wird unsre Not, und Hülfe seh ich nicht,
Wenn sie der Herr uns nicht in Gnaden sendet:
Des Landes Teurung und des Jahres Mißwachs,
Der Brand, der unsre Speicher aufgezehrt
Und schnell vernichtete den schmalen Vorrat;
Kein Reisender, der hieher Opfer brächte;
Die Felsen trennen uns von aller Welt,
Die wüste Einsamkeit verscheucht die Menschen;
Der Bischof ist, ihr wißt es, selbst bedrängt: –
So weiß ich denn nicht Hülfe, Rat, noch Rettung.

Die Pförtnerin tritt herein.

Pförtnerin: Ein fremder Herr will Euer Gnaden sprechen.

Äbtissin: Entfernt euch, meine Kinder. – Laß ihn ein.

Die Nonnen gehen ab, Andalosia kömmt.

Andalosia: Hochwürdge Frau, verzeiht dem Weltlichen,
Der's wagt, die fromme Einsamkeit zu stören,
Im Namen einer Armen tret ich ein,
Die Euren Trost begehrt und eine Zelle,
Um abgeschieden sich und Gott zu leben.

Äbtissin: Mein edler Herr, Ihr seht ein armes Kloster,
Das Mißwachs, Unglück, Brand, noch ärmer machten;
Wir, selbst der Wohltat dürftig, können nicht,
Wie unser Herz gebeut, Almosen spenden.

Andalosia: Reich ist die Jungfrau und von edlem Stamm,
Sie schätzt es Glück genug, in Eurem Schutz
Nur Monden hier zu sein, und da sie schon
Die Kunde Eurer Leiden hat vernommen,
So sendet sie Euch hier Goldstück' eintausend.

Äbtissin: Die Hülfe kommt uns wie vom Himmel selbst.
Doch wird das zarte Bild die Einsamkeit
In früher Jugend auch ertragen können?

Andalosia: Sie sucht die fern' und abgeschiedne Ruhe,
Denn wie sie auch mit Schönheit ist geschmückt,
Entstellen doch zwei Hörner wunderbar
Die edle Stirne, so daß sie sich scheut
Den Menschen zu begegnen, darum fleht sie,
Daß sie verschweigen darf der Eltern Namen,
Verhüllt gehn, daß ihr niemand lästig falle,
Wenn sie nicht selbst entgegengeht den Schwestern,
Im Kloster und der Kirche, wie im Garten.

Äbtissin: Sehr gern ist alles ihr von mir gewährt.

Andalosia: So tretet ein, verehrte Agrippina.

Agrippina kömmt.

Äbtissin: Wohltäterin des Hauses, seid willkommen,
Naht freundlich uns, sucht Euch die Zelle selbst,
Die Ihr bewohnen wollt, befehlt, wie alles
Gehalten werde, daß Ihr gern hier weilt.

Agrippina: Ich hoffe, Trost soll mir die Stille geben. –
Nicht ganz, mein Freund, vergeßt mich in der Ferne.

Andalosia: Ich denke Eurer, so gehabt Euch wohl. Geht ab.

Äbtissin: Faßt nun Vertrauen, vielgeliebte Tochter,
Zu mir bejahrten Frau, die Euch so freundlich
Empfangen möchte wie ein holdes Kind.
Hinein geht und erfrischt Euch von der Reise,
Dann ruht am hellsten Ort, am freundlichsten,
Des wir uns nur in unsern Mauern freun.

Agrippina: Vielleicht kann ich an Eurem Busen weinen!

Sie gehn ab.

 


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