Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Achte Szene

Unterirdische Gänge. Finsternis.

Fortunat. Leopold.

Fortunat: Mein Leopold, bist du in meiner Nähe?

Leopold: Ja, edler Herr, ganz nah an Eurer Seite.

Fortunat: Wie geht es dir, mein guter treuer Freund?

Leopold: Recht tief um Euch bekümmert, lieber Herr.

Fortunat: In dieser wüsten, schreckenvollen Nacht,
Wo sich kein Ausgang beut und keine Hülfe,
Kein Mensch uns hört, weit in das Labyrinth
Der unterirdschen feuchten Höhlungen
Verirrt, hier, Freund, hier sollen wir verschmachten,
Und nie das Licht des Tages wieder grüßen?

Leopold: Wir haben uns zu weit hineingewagt,
Ihr seid zu kühn, es kennt Eu'r starkes Herz
Nicht Furcht und Vorsicht, und nun muß ich klagen,
Daß ich Euch hier mit Rat nicht nutzen kann,
Euch keine Hülfe hier gewähren, daß
Der Edelste, der Freundlichste der Menschen,
Der meinem Weib und meinen Kindern hülfreich
Und gütig war, der alle reich gemacht,
Für den ich Blut und Leben möchte opfern,
Daß er in frischer Jugend hier vergessen,
Verschmachtet, hier begraben bleibt auf ewig.

Fortunat: Ja, schrecklich! schrecklich! welche schwache Neugier
Trieb mich in dieses höllische Geklüft?
Sehr bald erloschen uns die Lichter, bald
Verscholl der Mönche Singen fern und ferner,
Ein dumpfer Hauch wie Tod zog uns entgegen,
Trübselge Einsamkeit lag vor uns da:
Was haben wir gesehn und was gehört?
Ein Windessausen, das der Strom der Luft
Durch diese vielverschlungnen Höhlen weht,
Oft klang's wie höhnend zischendes Gelächter,
Daß sich ein Tor in dieses Grab gebettet.
Mein Leopold, geh nochmals in die Ferne,
Und rufe laut, vielleicht vernimmt man dich.

Leopold: Wenn ich die Richtung nur behalten hätte,
So komm ich wohl dem Kloster immer ferner.

Er geht, man hört ihn nachher fern rufen.

Fortunat: Bisher konnt ich noch stets von Unglück sagen,
Wenn mich mein leichter Sinn in Torheit führte:
Der Graf von Flandern wollte mich beschimpfen,
In London ward von Weibern ich betrogen
Und falschen Freunden, wie so oft geschieht,
Nur Unglück war es, was mich in den Sturz
Des Hieronymus verwickelte;
Auch war's allein nicht Unbesonnenheit
Die mich zum Kerker des Waldgrafen führte:
Doch das, was mich auf diesen Stein gesetzt,
Ist nur mein eigner dumpfer, schwacher Sinn.
Nun hilf dir, Tor! Was nützt dir nun dein Säckel?
In diese finstern Todeskammern mag
Selbst niemals nicht die heitre Göttin dringen. –
Mein Leopold! o weh, er ist versunken –
Weitab verirrt – und jeder stirbt dann einzeln,
Selbst ohne Freundestrost in letzter Stunde –
Mein Leopold! – Auch ihn stürzt ich dem Tode
In seinen grausenvollen Schlund hinein!
He! Leopold!

Leopold ganz fern:
                        Herr Graf!

Fortunat:                                 Ha! ha! Herr Graf!
Ich möchte rund um diese Felsenkeller
Ein wildes höhnendes Gelächter senden,
Daß ich so reich bin, daß ich Graf mich nenne,
Daß ich in meiner letzten Stunde noch
Ein Grabmal mir von Gold auftürmen kann.
Herauf! ihr Seelen, wenn in Feuerschlünden,
In Seen von kristallnem Frost ihr heult,
Herauf aus eurem grimmen Bett der Schmerzen,
Mit euch zu nehmen den Verzweifelnden,
Der gleich sein Hirn an diesen Felsenkanten
Ausschmettern wird, daß nur der Geier Hunger
Ihn nicht von innen schaudervoll verzehrt.

Leopold kömmt zurück:
Geduldet Euch mein lieber, guter Herr,
Nur nicht verzweifeln, sammelt Eure Seele,
Laßt nicht dem bösen Feinde so Gewalt.
Als ich dort unten, ganz dahinten war,
Da dünkte mir, als wenn aus fernster Ferne
Ein ganz verlornes Schimmerlein aufblickte,
Wie Widerschein von Widerschein, daß kaum
Die schwarze Nacht davon durchäugelt ward:
Entweder ist es Licht von Menschen, uns
Zu suchen, oder ferner Schein des Tages,
Darum seid mutig, denn noch leben wir;
Solang wir leben, sollen wir auch hoffen.

Fortunat: Wohl hast du recht, mein guter Leopold.
Sieh, ist es Traum, ist's Blendung meines Auges,
Ist's wirklich, daß ein Glanz dort unten sprüht
Und rings die feuchten Felsen schnell umleuchtet?
Ja, Lichter seh ich, Stimmen hör ich auch!
Das sind vielleicht die Wunder dieser Höhle,
Die irren Geister in der Qual hier unten.

Leopold: Nein, es sind Menschen, Herr; hieher! hieher!
Sie suchen uns, laßt uns entgegengehn.

Fortunat: So war der böse Traum denn auch vorüber.

Der Abt, Marcus, Michael, Daniel, Diener.

Abt: Gottlob! da seid Ihr, liebster Herr! Was wir uns um Euch geängstigt haben! Dieser gute Meister Michael unternahm es endlich, Euch vermittelst Seile und Faden wieder herauszuwinden.

Daniel: Hübsch gegrüßt am Tageslicht, mein Herr, das noch nicht da ist! Willkommen hier in der dunkeln Finsternis!

Fortunat: Nur wer so lebendig eingegraben lag, und an Hülfe und Rettung verzweifelte, kann fühlen, mit welchem Dank sich das Herz zum Himmel erhebt; darum laßt uns in die Kirche eilen, und an geweihter Stätte, mein Leopold, wollen wir unser gerührtes Herz dem darbringen, dessen Auge uns auch in diesen Gewölben zu finden wußte.

Abt: Ihr seid in allen Dingen ehrwürdig und löblicher Gesinnung, edler Herr.

Fortunat: Dann soll dieser Meister Michael mit meinem Dank eine ansehnliche Belohnung empfangen, da wir ihm unser Leben schuldig sind. – Kommt, Herr Abt; aber das versichr' ich Euch, weder des Patricius noch ein andres Fegefeuer wird von mir wieder besucht, ehe nicht meine Seele selbst hingesandt wird, um mit andern Gebrechen und Torheiten auch diese abzubüßen, daß ich hier hineingegangen war.

Alle gehn ab.

 


 


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