Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Dritte Szene

Gasthof.

Abel allein.

Abel: Das ganze Wesen mit meinem Gaste ist mir ein Rätsel. Er tut so reich, er hat so viele Pferde und Menschen bei sich, sein Benehmen ist so vornehm, und doch kein bares Geld! Nun will er ein Mädchen ausstatten – und wovon? Ein kluger Wirt läßt sich nicht gern bei der Nase führen; ich habe da unter ihrer Schlafkammer einen Eingang in ihre Stube, von dem sie sich nichts träumen lassen, und wie ich vergangene Nacht meine Visitation anstelle, ist doch auch in keinem von allen ihren Beuteln ein einziger Kreuzer. Die Leute muß ich genauer beobachten.

Fortunat kömmt.

Fortunat: Nun, Herr Wirt? Habt Ihr meinen Auftrag besorgt?

Abel: Gnädiger Herr, ich muß die Ehre haben zu versichern, daß das Menschengeschlecht im ganzen gar nichts taugt; geht man aber vollends ins Detail, so stehn einem ehrlichen Mann die Haare zu Berge, und läßt man sich endlich gar mit den sogenannten Armen ein, so findet man doch auch nichts, als die ausgemachteste Niederträchtigkeit.

Fortunat: So?

Abel: Ich komme dahin zu den Leuten, ich kann wohl sagen, mit gerührtem Herzen; ich trage das gnädige Anerbieten, die unerhörte Großmut vor, und bilde mir ein, die Leute werden in der niedrigen Stube vor Freuden bis an die Decke springen; und was wird mir? Grobe Begegnung, die Tür wird mir unter anzüglichen Redensarten gewiesen, und ich muß froh sein, nur ohne körperliche Mißhandlung davonzukommen.

Fortunat: So?

Abel: Kuppler nennt man mich, und gibt Euch, mein gnädiger Herr, diesem Wohltäter, die ehrenrührigsten Schimpfnamen. Selber kann der fremde Patron sich herscheren; schreit der großmäulige Vater, wenn es ihm ums Großtun so sehr zu tun ist, ich schicke meine Tochter keinem solchen liederlichen Laffen ins Haus! und dergleichen mehr, wie ich mich nie unterstehen werde, gegen einen solchen vornehmen Herrn nur in den Mund zu nehmen.

Fortunat: So?

Abel: Drum dächt ich, wir ließen dieses gemeine Geschlepp fahren, das in seinem Bettel ein Privilegium zur Grobheit zu haben glaubt. Es finden sich wohl andre, würdigere Subjekte in dieser großen Stadt, die eine so ungeheure Wohltat mehr zu würdigen verstehn.

Fortunat: So?

Abel: Oder wollen der gnädigste Herr doch in denselben Gesinnungen, trotz des Unwertes der Menschen, fortfahren, so könnte die unerhörte Großmut mehr als einen beglücken, wenn der Wohltäter es dem Mädchen bei der Aussteuer (die, wie ich mir denken kann, ansehnlich sein wird) zur unerläßlichen Pflicht machte, Euer Gnaden untertänigsten und unwürdigsten Diener, den Gastwirt Abel zu heiraten, da mir das schöne Mädchen schon längst mein Herz geraubt hat.

Fortunat: So?

Abel: Ich bitte um Verzeihung, wenn ich vielleicht zu dreist gewesen bin.

Fortunat: Herr Wirt, von dem Mädchen und den Eltern kann ich darum nicht schlimmer denken, weil sie nicht zu mir kommen will; morgen früh führt mich zu ihr, und ich will ihr die Aussteuer einhändigen, die ich ihr zugedacht habe. Ab.

Abel: So? Und wo das Geld hernehmen, mein allerliebster hochfahrender So-Herr? Das ist ein Geheimnis, dem ich noch auf den Grund kommen muß. Gewiß haben sie's eingenäht in Kleider und Wäsche, denn er bezahlt jede Mahlzeit, den Wein, jedes Futter für die Pferde gleich bar und ohne etwas abzudingen. Also nun will er, wer weiß wieviel Zechinen, an ein armes Mädchen wegschmeißen? So? die ich aber besser brauchen kann. Ich muß aber nicht versäumen, noch diese Nacht meine Operation vorzunehmen, denn morgen zahlt der Narr das Geld und reist dann vielleicht fort; hab ich's, dann heißt es: mein Geld ist fort! Und ich: So? und immer wieder mein: So? ebenso unschuldig und kaltblütig wie er, mein: So? Ab.

 


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