Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Achte Szene

Andalosia mit Agrippina schnell herein.

Agrippina: Weh mir! zum zweitenmal so grausen Schreck!

Andalosia wirft die Verkleidung ab:
Erkennst du mich, Verruchte? Diesesmal
Wird nicht mein Leichtsinn, schwachgemute Rührung
Dich meiner Rach und deiner Straf entreißen.
Zuerst denn! Zieht ein Messer.

Agrippina kniet:   Weh! O teurer, edler Mann!
O du Verehrter, Unbegreiflicher,
Nur meines Lebens, meiner Ehre schone.

Andalosia: Ich bin kein Mörder, nur mein Eigentum,
Um das ich viel erduldet, sei mir wieder.
        Er schneidet den Säckel ab.
Ich halte dich in meinen Händen! ja,
Die List gelang, die Feindin liegt im Staube.
Was sag ich dir, du wandelbar Verstellte?
Nein, zittre nicht, du bist bei mir gesichert,
So ferne der Begier, als wenn in heilger
Klausur dich strenge Klostermauern hielten.
O steh, steh auf, mir ekelt diese Stellung;
Darf so die Königstochter sich erniedern?
Von Ehre sprachst du? O ihr Unbescholtnen,
Hoffärtigen, von Hochmut Aufgeschwellten,
Ihr brüstet euch mit leerem Wort und Klang,
Sinnloses Schellenläuten euer Prunk:
Ihr seht verschmähend auf die Armen hin,
Die, von der Kraft der Göttin überwältigt,
Im Arm des Liebsten aller Welt vergessen,
Und mit dem Teuersten ihn gern beglücken;
Ihr niedern Buhlerinnen schmäht und lästert,
Und solltet still demütig hier verehren,
Daß Herzen ganz und voll sich dem ergeben,
Dem sie allmächtig Liebe unterwirft;
Ihr Ehrenvollen, Hochgestellten, Reinen,
Die ihr noch schlimmer als die Sklavin seid,
Die öffentlich mit ihren Reizen wuchert,
Denn ihr verkauft um schnöden Sold das Höchste,
Des Herzens Herzen, Wahrheit, Liebe, Treue,
Den Stolz, der nur den Menschen macht zum Menschen.
Was könnte dich gefährden? Jenes heilge
Jungfrauentum des Herzens, jene Süße
Der Kinderunschuld, deiner Liebe Blüte,
Hast du für alle Ewigkeit dem Teufel,
Dem schmutzigsten des Geizes bar verkauft.
Drum blitzte falsche Liebe dieses Auge,
Die holden Pfänder, die die Seelen knüpfen
In Lieb und Andacht, Schwur, Bekenntnis, Flehn,
Sie, alle gleich dem Heer verruchter Räuber,
Entsprangen aus dem Wahrsam schöner Lippen.
Ich Blöder, sah die Brandmal nicht und Ketten!
Ja deine Küsse blühten buhlerisch
Wie giftge Rosen mir, das Auge weinte
Die Lügentränen, die dem Liebenden
Im Wonneschmerz den Himmel niederziehn. –
Und alle die Entheiligung – warum?
Um schnödes Gold! Nur darum wurden alle
Empfindungen der Seligkeit verraten,
Elysium zur schmutzgen Winkelgasse,
Die Götter all in Kuppler umgemarktet.
Dann wurde dem Betörten Hohn und Lachen
Auf seinem armen Wege nachgesandt;
Indessen ich, verschmäht, betrogen, abseits
Zur Armut mich, zur Reue wenden mußte,
Und gern noch Glück und Leben opferte,
(Auch wenn mich dein Besitz niemals beglückt)
Daß Wort und Blick nur nicht betrogen hätten,
Das als das Bitterste im Schmerz empfindend,
Daß ich geliebt, wo ich verachten mußte.
Wo willst du Worte finden, wo die Lüge,
(Die fernste taugt dir nicht) dies abzuleugnen?

Agrippina: Noch einmal werf ich mich vor dir zur Erde,
Nur flehen kann ich, nimmer mich entschuldgen.
Dein ist das Recht, du hast mich so besiegt,
Daß mir die Kraft zum Leben selbst ermangelt,
So sticht mir jedes Wort ins Herz ein Messer.
Was mein Gewissen dunkel mir und leise
Oft zugeflüstert, ach, die bittre Reue,
Die ich betäubte, hast du nun erweckt,
Daß ihre Stimme laut und lauter mahnt,
Und mich ihr grauser Donnerton betäubt.
Ach, Andalosia, nicht fleh ich dir
Um meinethalb, weil ich die Königstochter,
Daß du mich achten möchtest, ehren, schonen,
Nein, bei dir selbst, bei dem Gefühl im Busen,
Das einst geliebt die tief Unwürdige,
Bei deinem eignen Wert beschwör ich dich,
Entweihe nicht das Herz, das mir geschlagen,
Wirf mich nicht hart der öden Wildnis zu,
Dem Wahnsinn, Tieren, noch der Krankheit Graun!
Nein, du erbarmst dich, denn du bist es noch,
Des Auge Lieb und Sehnsucht auf mich blickte.

Andalosia: Elende, woran mahnst du mich? Dies Wort,
Es könnte wetzen meine Grausamkeit.
Doch nein, dir sei Verzeihung, doch auch Strafe,
Du sollst jetzt nicht zurück zu deinen Eltern –

Agrippina: Ich will es nicht, ich mag den Hof, die Stadt
Nicht wiedersehn, solang ich mir ein Scheusal,
Den Feinden Hohn, dem Volk Gelächter bin.

Andalosia: Ja, dies Gefühl sei jetzt noch deine Qual,
Doch werd ich deiner nicht vergessen, werde
Den Zauber dann dir lösen, wie ich kann.
Schau dort hinab, in jener Felsenbucht
Liegt einsam und versteckt ein armes Kloster
Von frommen Nonnen, allem abgeschieden
Sehn sie nicht Stadt, noch Dorf, noch Menschen je,
Denn keine Straße führt durch diese Schluchten,
Nur gegenüber sieh und fern erhaben
Auf dürren Klippen zwischen dunklem Wald
Des heiligen Patricius Fegefeuer;
Hier sollst du büßen und bereuend wohnen,
Daß deine beßre Seele auferwache;
Dann führ ich dich nach einger Zeit zurück,
Und du wirst mir des Geistes Heilung danken.

Agrippina: Ich danke dir schon jetzt, wohltätger Freund,
Daß Böses du mit Gutem willst vergelten.
Hier, fern von Menschen, lern ich bald mich finden.

Andalosia: So folge mir, das Kloster ist nicht weit.

Sie gehn ab.

 


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