Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Dritte Szene

London. Zimmer.

Lord Herbert. Lady Herbert.

Herbert: Vergeblich bleibt nur alles was wir kämpfen,
Der teure König ist verwandelt ganz
Seit dieser unglückselige Adept
Hier unser London nur betrat, Gehör
Und blind Vertraun des gnädgen Herrn gewann,
Sind wir wie überflüssig: Reymund, heißt's,
Soll kommen! was wird Reymund dazu sagen?
Hat keiner Reymund heute noch gesehn?
Reymund hat mir ein neues Buch versprochen;
So schlägt die Glock zur Messe, Non und Vesper,
Und wir die alten Günstlinge am Hof
Sind unbeachtet wie verjährte Moden.

Lady Herbert: Doch ist ja unser Sohn nun Kammerherr,
Der Platz soll ihn, hoff ich, zu höhern heben.

Herbert: Wir wollen sehn, es läßt sich nicht erzwingen;
Das ist ein andrer Gram, und zwar der größte,
Daß unser Sohn jedes Talents entbehrt,
Er wird sein Glück am Hofe niemals machen,
So sehn wir unser Alter nur mit Sorgen,
Mit gegenwärtgen, Sorgen für die Zukunft,
Am Tor des Todes, ach! so schwer belastet.

Lady Herbert: Stets klagst du um den Sohn, geliebter Mann.
Er ist so übel nicht, er sieht dir ähnlich.

Herbert: Ich will nicht eitel meine Jugend loben,
Doch wahrlich er gleicht weder mir noch dir,
Man hielt mich hier am Hof für wohlgebaut,
Du selber lobtest meine Zier und Anmut,
Die Fremden priesen mich (in jener Zeit,
Wo es noch schwierig war an Höfen glänzen)
Als Blume aller Zucht, des Geistes, Witzes:
Du warst in London hier die schönste Frau,
Ich segnete mein glückliches Gestirn,
Das durch den sonderbaren Fall mit jenen Steinen
Und deines Mannes Tod dich mir verband;
Und, fast als wollten uns die Himmel strafen
Vielleicht um Eitelkeit, erzeugen wir
Nach manchem Jahr, als du schon wähnen wolltest
Es sei dein Leib für immer unfruchtbar,
Den Sohn, so häßlich und so mißgestaltet.

Lady Herbert: Nur das Gesicht, sonst ist er gut gewachsen,
Hat auch Verstand, wär nur der Fehler nicht
An seiner Zung, der ihn am Reden hindert.

Herbert: Ein trauriges Gefühl, sich sagen müssen,
Daß man ein ungestaltes rohes Wesen
Ins Dasein rief; und hätt ich die Verblendung
Der meisten Väter nur, so wär ich glücklich.

Lady Herbert: Da kommt er, laß dich gegen ihn nichts merken.

Theodor kömmt.

Herbert: Warst du bei Hofe, Sohn?

Theodor:                                           Nun freilich war ich,
Ich habe Seine Majestät gesprochen,
Er war sehr gnädig, der Monarch, bis endlich
Der Goldmacher, der fremde Wunderdoktor,
Der Wursthans zu ihm trat ins Kabinett.

Herbert: Was ist das für 'ne Art sich auszudrücken,
Und kannst nicht lassen das verdammte Stottern?

Theodor: Ihr nennt es St–ottern? Weiß nicht, wie es heißt,
Ich weiß nur, daß der Hals mir so gewachsen,
Da klemmt sich's, schnurrt und gurgelt wohl ein bißchen.
Doch wer nicht scharf aufpaßt, hört's gar nicht, Vater,
Ich denke: Sprechen, ei! ist immer Sprechen,
Unter Millionen doch kaum einer, seht,
Dem 's Maul Catonische Sentenzen immer
Und tiefe Abstraktionen liefern täte;
Wo Mehl gemahlen wird da kommt auch Kleie.

Lady Herbert: Es ginge wohl noch mit, wenn du nur ließest
Dies Faltenziehen, dies Gesichterschneiden.

Theodor: Ist Ausdruck, gnädige Mama, nichts weiter,
Erklärt mit wengen Druckern was ich meine;
Das ist nicht mein Geschmack, wie viele Menschen,
Die sprechen, denken, fühlen und entzückt sind,
Und rührt sich auch kein Fältchen im Gesicht:
Das ist die Grazie eines Haubenstocks.

Herbert: Schweig! Ausdruck! Dummes Zeug, es dürfte wohl
Bei dir Auspressung sich betiteln können.
Drückt nicht die Meerkatz von inwärts heraus
Als wollt er Platz durch eigne Haut sich machen?

Lady Herbert! O lieber Mann.

Theodor:                                     Laßt reden, gnädge Frau,
Seht, der Papa ist noch aus alter Zeit,
Das galt wohl damals, das ist jetzt vorbei,
Wir sind jetzt gottlob ungeniert und besser.

Lady Herbert: Wie geht es denn mit deiner Freiwerbung
Bei Lady Dorothea?

Theodor:                       Ganz passabel,
Sagt sie nicht ja, sagt sie doch auch nicht nein.
Wer Festungen, Frau Mutter, will blockieren,
Der muß hauptsächlich nicht Geduld verlieren:
Ich bin jetzt dran, die Dame auszuhungern,
Kein kluges Wort sprech ich mit ihr seit Wochen,
So ohne Zufuhr muß sie sich ergeben.

Herbert: Wenn sie durch dich nur den Verstand empfängt.

Theodor: Was Neu's ist in der Stadt hier vorgefallen,
Aus Zypern, oder Kreta, weiß Gott wo,
('ne Art Kretin ist dieser saubre Bursche)
Ist da ein fremder Graf, ein Haselant,
Ein Schnurrenmacher angekommen; Hengste,
Arabscher Zucht, Geschmeide, prächtge Kleider,
Viel bunte blanke Diener, fremde Phrasen,
Und Gold, das er so mir nichts dir nichts wegwirft,
Bringt mit sich der geschniegelte Dummerjan.

Herbert: Anständig sprich! mir wird ganz übel, hör ich
Dergleichen grob gemeine Redensarten.

Lady Herbert: Laß ihn doch reden, denn sonst fehlt ihm ja
Die Übung, sich geschickter auszudrücken.

Theodor: Laßt's nur, genier mich doch nicht, gnädge Mutter;
Alter macht wunderlich, ist wahres Wort.
Wollt Ihr nicht glauben, wie ich ihn beschrieben
Den Hasenfuß, tretet zum Erker dort
In jene Stub; er tummelt auf dem Markt
Die Hengste eben, die von vorn und hinten
Ihr Wiehern hören lassen, wie sie springen.
Kommt, gnädge Frau, 's ist schon der Mühe wert.

Sie gehn ab.

 


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