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IX.
Das Kaffeehaus

Nach einigem Umherstolpern in der Umgebung der Stadt kam Yatsuma München wieder näher. Nach Nordosten hinausgegangen führte ihn sein Weg nun in ostsüdlicher Richtung dem Häusermeer wieder zu, dessen Silhouette dunstig im regnerischen Grau schwamm. In München regnet es oft und viel und stark, das muß wahr sein. Aber es regnet ja auch schließlich anderswo. Und wenn es anderswo regnet, dann regnet es in München mindestens genau so, das kann uns hoffentlich niemand verbieten. In Gegenteil, wenn es anderswo auch nicht regnet, dann regnet es in München erst recht, wir lassen uns da absolut nichts dreinreden. Es soll Gegenden auf dem Erdball geben, in denen es jede Viertelstunde regnet. Gut, schön. In München regnet es jede Viertelstunde eine halbe Stunde lang. Und für den Fall, daß es einmal nicht regnen sollte, der allerdings seit Erschaffung der Erde noch nicht vorgekommen ist, für diesen Fall aber haben wir vorgesorgt: dafür steht die Feuerwehr in ständiger Bereitschaft, dann wird gespritzt. Auch wenn es einmal schlecht regnet, dauernd zwar, aber etwas zu dünn, dann rückt einfach der städtische Spritzenwagen aus und hilft ein wenig nach.

Für dieses Mal mag als Entschuldigung gelten, daß es immer noch April war, denn wo etwas nicht stimmt, fehlt es nie an Ausreden. Es regnete in Strömen, es goß und schoß, schüttete, brauste und sauste, rauschte, plätscherte, quirlte, strömte, platschte und klatschte, die menschenleeren Straßen waren in Seen aufgelöst, die Häuser schwammen wie Archen Noahs. Aus diesen Anzeichen schloß Yatsuma anfänglich, daß er sich Tobolsk oder Nishne Kolymsk nähere. In der Gegend der äußeren Dachauerstraße jedoch änderte er seine Ansicht, wie wir sehen werden.

Da er sich nirgends unterstellen konnte, blieb nichts anderes übrig, als, gemäß seinem Grundsatz, keinen Unbilden der Witterung auszuweichen, sich gehörig waschen zu lassen. Was oben hineinging, floß ja unten wieder heraus. Durchweichter konnte er nicht mehr werden, und auf Bügelfalte und bemalten Teint brauchte er nicht zu achten.

»Der Regen,« sagte er, »diese kostbare Himmelsgabe, ist den Menschen etwas Unangenehmes und Peinliches, vor dem man sich in Sicherheit bringen muß. Welche Feigheit dieses Menschengeschlechtes, vor einem Naturprodukt davonzulaufen!«

Als er bei den ersten Häusern angelangt, diesen Gedanken bei sich aussprach, platschte ihm aus einer schadhaften Dachrinne ein armdicker Wasserstrahl auf den Kopf. Er erschrak ein wenig und wäre beinahe ausgeglitten. Dazu peitschte ein wütender Wind ( made in Germany) um die Ecke, den man in nassen Kleidern besonders empfindlich spürt. Das war ihm nun der Erfrischung langsam etwas zu viel und so stellte er sich in einen Hausflur, um zu warten, bis wenigstens das ärgste Schütten vorüber war.

Es standen da mehrere Menschen, nach seiner Ansicht irgendwelche Azteken oder Eunuchen, die den triefenden Ankömmling mit leisen Ausrufen des Bedauerns betrachteten, wobei sie froh waren, selbst nicht so patschnaß zu sein.

Bekanntlich werden Irrsinnige manchmal mit kalten Bädern behandelt, und deren hatte Yatsuma in diesen Tagen genug genossen. Anscheinend aber ohne jeden Erfolg, denn er hielt die Leute, wohl aus einer Nachwirkung der überreichlich genossenen Lektüre von Livingstone, Stanley, Schillings »Blitzlicht und Büchse« und Schweinfurths »Im Herzen von Afrika«, zuletzt für Eingeborene aus dem regenreichen Gebiet des Tanganjikasees, die sich in ihren Maisstrohhütten, Pfahldorfbauten und Wigwams aufhielten. Über den Namen der Stadt, in der er sich befand, machte er sich keine Kopfschmerzen, denn es konnte ebensogut Kassongo als Nyangwe oder Tabora sein, das kam auf eins heraus. Kaum eingetreten, vernahm er eine dumpfblechener Musik, denn der Hausflur war der rückwärtige Eingang zu einem Kaffeehaus, wie es schien, von Niggertrommeln, Bambusflöten und anderen exotischen Instrumenten hervorgebracht. Menschenstimmen, Schreie von Papageien und sonderbare Tierlaute schwirrten dazwischen.

Kaum hatte Yatsuma sich dem Zauber dieser fremdartigen Eindrücke einen Augenblick lang hingegeben, da spürte er, wie jemand ihn am Rock faßte und ihn sachte mit sich zog. Eine Tür öffnete sich in dem dunklen Gang, er sah sich in einem blendend erleuchteten, qualmigen, von lärmenden und gestikulierenden Menschen überfüllten Raum hineingezogen, aus dem ihm die Musik schallend und rasselnd entgegensprang. Der Mann, der ihn festhielt, ein kurzbeiniger, fetter Herr mit bleich aufgeschwollenem Gesicht, in welchem kleine Äuglein staken wie Stecknadelknöpfe, zog ihn an einen kleinen marmornen Tisch, an dem ein anderer Herr saß, der auch sonderbar genug aussah. Lang und hager, steckte er in einem übertrieben modischen Anzug, den er erst vor einer halben Stunde vom Schneider bekommen zu haben schien und der ihm etwas so Nagelneues gab, als wäre seine ganze Existenz erst in den letzten Minuten ins Blühen geraten. Blühend, wenn auch greulich häßlich, war auch sein hautiges Gesicht, purpurrot, über und über mit brennenden Pickeln und kleinen Beulen besät; die Stirne, bedeckt mit Hautausschlägen, glänzte feuerrot bis unter die blaßblonden Haarwurzeln; seine Mundwinkel aber bogen sich in einem unangenehm wichtigen Zug nach abwärts. Während der Dicke, käseweiß und phlegmatisch, etwas gähnend Selbstverständliches besaß, wie eine fette Laus, die sich schon lange ein gutes Plätzchen in einem saftigen Winkel gesichert hat, glich der Lange einer giftigen Sumpfblume, die, mager, zornig und cholerisch, nach langer, trockener Schwüle plötzlich geheimnisvoll schnell in die Höhe schießt und von bitterem Safte strotzt.

Dieses dachte Yatsuma, die beiden Männer nebeneinander betrachtend, die ihn nötigten, Platz zu nehmen. Wie immer war er so zerschlagen, daß er von selbst schlaftrunken mechanisch auf den hingeschobenen Stuhl mehr niederfiel als sank. Sie fragten ihn, was er haben wolle und riefen den Kellner; Kaffee, Tee, Schokolade, Likör, Wein oder Schnaps? Er solle nur bestellen, es käme nicht darauf an. Yatsuma dankte in höflichen Wendungen für die liebenswürdige Gastfreundschaft, denn da blieb nichts übrig, als sich den herrschenden Gebräuchen zu fügen, und überließ die Wahl der Getränke seinen Gastgebern. Diesen war es sehr darum zu tun, etwas auszugeben.

Der Kellner stellte ein funkelndes Tablett mit mehreren Gläsern und Flaschen buntfarbigen Inhalts, eine Menge seltsam geformtes Gebäck, Kuchen und Torten und einen Teller Zigaretten auf den Tisch. Die beiden Gastgeber aber hatten eine heftige Debatte miteinander. Yatsuma horchte genau auf ihre Worte, da sie ihm sehr sonderbar und interessant erschienen. Denn ihre Unterhaltung bestand nicht aus Worten, sondern aus Ziffern. Der Lange sagte »siebenhunderttausend« darauf der Dicke »sechshundert«. Eine Weile ging das so fort, immerzu »sieben« und immer wieder »sechs«. Und während der Lange sein »sieben« immer hartnäckiger und verbissener herausstieß, legte der Dicke sein »sechs« immer mit der gleichen unerschütterlichen Gelassenheit hin. Nachdem das eine halbe Stunde lang so gegangen war, Yatsuma starrte die beiden Ziffernmenschen schon fast wie hypnotisiert an, zischte der Lange wütend: »Sechseinhalb!«

»Sechs –« erwiderte der Kleine mit dem freundlichsten Gleichmut von der Welt. Nun begann das Spiel, denn ein solches schien es Yatsuma zu sein, wieder von vorne: »Sechseinhalb« sagte der eine, »sechs« der andere. Auf einmal lachte der Dicke furchtbar, schlug mit der Faust auf den Tisch, daß einige Gläschen umfielen, bekam einen Hustenanfall und kam gar nicht mehr zu Worte. Er schien gewonnen zu haben.

»Ja, meinst du denn,« rief er dann, als sein Husten vorüber war, und das waren die ersten menschlichen Worte, welche die beiden wechselten, »glaubst du denn im Ernst, mir kommt es auf hunderttausend Emm an? Da hast du deine siebenhundert!«

Er zog, immer noch lachend, weil er den anderen gefoppt hatte, seine Brieftasche heraus, aber der Lange legte rasch seine rotgesottenen Krebsfinger auf die geschwollene wachsweiße Hand des Dicken: »Hier nicht!«

»Und wenn du achthundert haben willst, kannst du's auch haben!« lachte der Dicke, während sie sich erhoben. »Wir kommen gleich wieder, nur einen Augenblick. Trink doch deinen Schnaps aus, Mensch!«

Sie gingen hinaus. Yatsuma, da er allein war, sah sich in dem fremdartigen Lokal um. Viele Gedanken regten sich in ihm, drängten zur Aussprache. Aber gleichzeitig drückte ihn die Müdigkeit nieder, der süßliche Alkohol, den er in den leeren Magen gegossen, die Hitze des Lokals und die schweren nassen Lumpen, die ihm auf der Haut klebten. Es war ihm, als würde er sich nie wieder erheben können. Öfters zuckten ihm die Finger, zuletzt konnte er nicht mehr widerstehen, nahm eine der Zigaretten, zündete sie an und sog den Rauch mit tiefen Zügen in die Lunge. Es war die erste Zigarette seit einem Vierteljahr. Sie benebelte ihn, stieg ihm in den Kopf samt der tollen Atmosphäre, dem magisch wirbelnden Treiben und der tobenden Musik, die dem Lärm etwas Festlich-Berauschendes gab.

Ein fremder Mann setzte sich an seinen Tisch, bestellte einen Kaffee und fing sogleich zu reden an: »Was das Leben jetzt kostet! Ist das nicht fürchterlich? Wo man hinschaut, das Fleisch, das Brot, Zucker, ein Paar Schuhe, ein Anzug, wer kann sich das noch kaufen, wer kann das erschwingen? Ich möchte nur wissen, was das Geld eigentlich noch für einen Wert hat? Was meinen Sie, Herr Nachbar?«

»Das Geld? Das war noch nie etwas wert!«

»Aber früher hat man sich doch wenigstens etwas kaufen können! Jetzt kriegt man ja für's Geld nichts mehr! Ist das nicht eine Strafe Gottes, so was?«

»Ja, es ist eine Strafe,« sagte Yatsuma, »nicht Gottes, sondern die wohlverdiente Strafe für alle, die sich mit dem Geld befassen –«

»Soso! So meinen Sie?«

Der Mann redete noch fort und fort, aber Yatsuma verlor sich in Gedanken. Soviel er sah und hörte, waren fast an jedem Tisch die gleichen oder ähnlichen Zifferngespräche im Gange wie jenes, dessen Zeuge er soeben gewesen war. Überall hörte er Zahlen und Beträge schwirren, überall war von Geld die Rede, nicht nur an den Tischen der Spieler, die Stöße von Banknoten vor sich liegen hatten, auch an allen anderen wie ebenso unter den Weibern, die rauchend, schwatzend und Süßigkeiten schleckend beisammen saßen, fortwährend die Plätze wechselten, fortgingen und wiederkamen, ununterbrochen Bekannte, Freunde und Freundinnen begrüßten und verabschiedeten. Bald stand eine vor einem der riesigen, im Qualm erblindeten Spiegel, um Haar und Kleid zu zupfen und zu ordnen, bald lief eine hinaus, bald gab eine der anderen Geld. Was sie auch taten, unentwegt hatten sie sich die tollsten Nichtigkeiten zu erzählen, oder aber sie sprachen von dermaßen unverständlichen Dingen, daß Yatsuma sich auch nicht ein Wort davon erklären konnte. Fast alle Weiber waren übernächtig und unreinlich, viele stark geschminkt und betäubend parfümiert, die Gesichtshaut mancher jungen, hübschen Geschöpfe von Hautausschlägen entstellt. Die älteren waren entweder so abgezehrt wie ein schlesischer Glasbläser oder ebenso schwammig und unnatürlich aufgedunsen. Sie beachteten Yatsuma nicht oder sahen ihn verächtlich an. Einige machten sich über ihn lustig.

Yatsuma stand auf und ging zum Ausgang. Der Kellner hielt ihn an: »Wer das bezahle?«

Da kamen zur rechten Zeit die zwei Männer zurück. Der Lange wurde wütend. »Der Tisch ist besetzt!« knurrte er den Mann an, der sich hergesetzt hatte. Der entschuldigte sich, nahm seine Tasse und ging. Dann schnaubte der Lange den Kellner an; was ihm denn einfiele, ob er schon einmal etwas schuldig geblieben sei? Der Kellner entfernte sich brummend. Der Dicke hatte sich Yatsumas bemächtigt und ihn auf den Stuhl niedergedrückt.

»Jetzt will der Kerl davonlaufen!« sagte er. »Verfluchter Junge, warte doch einen Augenblick, wir sind doch gleich fertig. Wir haben eine feine Sache für dich! Weißt du den Güterbahnhof?«

Yatsuma wollte etwas sagen –

»Spielt keine Rolle, wir sind ja auch da. Es handelt sich darum: wir müssen zwei Wagen auf ein anderes Gleis schaffen. Es ist ein Beamter da, aber der kann die Sache nicht allein machen. Du weißt ja, wie man so etwas anpackt. Man fährt mit einem Prügel unter die Räder, fertig. Da verdienst du mehr als mit der Arbeit. Aber reinen Mund halten, verstanden!«

Er reichte Yatsuma seine fleischige Pfote, der sie ungeniert und herzlich drückte, obgleich ihm war, als hielte er eine feuchtkalte Kröte in der Hand. Eine Menge wirbelnder Gedanken bedrängten ihn, er war ein wenig verlegen, wie er sich ausdrücken sollte; er sah, daß ihn von dieser fremdartigen Menschenrasse wohl niemand verstehen werde. Am liebsten wäre er trotzdem aufgesprungen, um, wenn auch ausnahmsweise, eine Rede vom Stapel zu lassen, die alles zur Salzsäure erstarren macht, aber er beherzigte seinen Vorsatz und schwieg. Äußern mußte er sich natürlich zu dem Angebot der beiden Männer.

»Verehrte Fessaner und Sundanesen,« sagte er, »daß es in Europa Menschen gibt, Handlungsreisende, Hausbesitzer, Postbeamte und Gerichtsvollzieher, die so entartet sind, daß sie sich ihr Leben lang mit dem Aussprechen von Zahlen statt von Gedanken unterhalten, das weiß nicht nur ich allein. Daß aber hier die gesamte Bevölkerung ohne Ausnahme von dieser entsetzlichen Krankheit ergriffen ist, die noch gefährlicher ist als Tropenkoller, Malaria und die Schlafkrankheit im Gebiet der Tsetsefliege, welch bittere Enttäuschung für den Reisenden, der sich vom dunklen Erdteil noch Unberührtheit und Wildheit erwartet, und welche Blamage für seine Bewohner! Und welche Rechtfertigung für meine Aufgabe, die mich, wie überallhin, so auch hierhergeführt hat. Ich überlege zwar, ob es überhaupt noch Zweck und Sinn haben kann, in die unglückselige babylonische Verwirrung der Menschheit ein Wort hineinzureden, das erlöschen muß wie ein Wassertropfen im argentinischen Waldbrand, oder ob es ihr nicht vorteilhafter ist, sie dem Untergang in den Flammen ihres Unwesens zu überlassen. Ich bin gewöhnt, mich den Sitten und Gesetzen fremder Völkerstämme einzuordnen, als wären es meine eigenen. Wenn Sie aber die Absicht leitet, einem unbekannten, fremden Menschen einen leichten europäischen Geldverdienst zu verschaffen, dann haben Sie das Unglück gehabt, an den ungeeignetsten Mann zu geraten, den die Erde augenblicklich trägt. Es fällt mir in der Tat schwer, mich Ihnen verständlich zu machen. Vielleicht werden Sie mich aber verstehen, wenn ich einfach sage, daß ich ein sogenannter ehrlicher Mensch bin, was ja heutzutage wenig Wert hat, aber doch wenigstens von einigem historischen Interesse ist. Ich bin weder arm noch für Wohltaten und Geschenke empfänglich, geschweige für materielle Vorteile, welche geschäftlichen Leistungen entspringen –«

Die Reihe, erstaunt zu sein, war jetzt an den beiden Männern, die ja Yatsuma nicht für ein großes Licht hielten, denen aber etwas entfernt Ähnliches wie diese Tollhausrede und die haarigen Worte und Begriffe, die sie da vernahmen, in ihrem Leben noch nicht begegnet war. Sie horchten geradezu andächtig zu, dachten sich vielleicht, daß dem schwächlichen Menschen der Schnaps etwas zu rasch in den Kopf gestiegen sei, und ließen sich jedenfalls nicht im mindesten irremachen.

»Warum denn,« sagte der Dicke, »das ist doch eine einwandfreie Sache. Wir kennen dich nicht und du kennst uns nicht, die ganze Geschichte ist in einer halben Stunde erledigt und morgen früh bist du über alle Berge. Deine Parteigrundsätze kannst du ruhig zu Hause lassen, das hat beim Geschäft keinen Wert. Und wenn du sonst etwas brauchst, wir sind da nicht engherzig. Überleg dir's, wir haben ja Zeit bis elf Uhr. Trink doch deinen Schnaps, er wird dir gut tun, du bist ja ganz durchnäßt. Iß und trink, da hast du einen Vorschuß,« er zog eine Banknote aus der Brieftasche und warf sie auf den Tisch, »aber wir müssen bis sechs Uhr Bescheid wissen.«

»So lange brauche ich Sie nicht warten zu lassen, werte Suahelis,« sagte Yatsuma mit komischer Verbindlichkeit, »ich weiß um sechs Uhr nicht mehr und nicht weniger über mich Bescheid als wie um zwölf Uhr; ich bedaure Ihr Mißgeschick und bitte um die Erlaubnis, mich entfernen zu dürfen. Voraussichtlich werde ich die Stadt verlassen und in die Wildnis zurückkehren, um mich der inneren Einkehr und geistigen Konzentration hinzugeben, bis ich mich vorbereitet und stark genug fühle, meine Mission in ihre verderblichen Mauern zu tragen!«

Eine obligate Verbeugung gab seinen Worten den dekorativen Beschluß. Der Lange aber faßte ihn am Ärmel: »Nur langsam, mein Lieber. So einfach geht das nicht!« und zu dem Dicken gebeugt, wisperte er ihm ins Ohr: »Der kann uns ja angeben!«

»Unsinn!« antwortete der andere. »Was denn? Weißt du was? Ich weiß nichts!«

»Wenn du so ehrlich bist,« sagte der Lange zu Yatsuma, »dann kannst du ja deine Zeche selber bezahlen!«

»Ach, laß doch,« bat der Dicke, »lächerlich, du tust ja gerade so, als ob wir kein Geld hätten! Herr Ober, kommen Sie mal bei mich!«

»Der Herr da will zahlen!« deutete der Lange hämisch auf Yatsuma.

»Mach doch keine Geschichten, alter Affe!« lachte der Dicke. »Ober, was auf meinen Tisch kommt, zahle ich, verstanden!«

Der Kellner schmunzelte. »Zwei Sherry Brandy und das Auftrocknen muß auch bezahlt werden!« Er zeigte auf die Wasserlache, ein wahrer See, der sich von seinen tropfenden Kleidern unter Yatsumas Stuhl gebildet hatte.

Der Dicke wollte dem Kellner das Geld aufdrängen, aber der Lange wehrte es ihm. Zuerst im Scherz, dann gerieten sie in Streit, der damit endete, daß der Dicke erklärte, er zahle, und niemand, auch sein bester Freund nicht, werde ihn daran hindern.

Yatsuma war inzwischen verschwunden. Da er aber, furchtlos und von Überzeugung geschwellt, erklärt hatte, er zahle grundsätzlich überhaupt nichts, so war der Hausdiener schon gerufen worden. Und da dem nun einmal die Aufgabe des Hinauswerfens obliegt, wozu auch nicht jeden Tag Gelegenheit ist, fühlte er sich verpflichtet, Yatsuma, obwohl er auch allein hinausgefunden hätte, einen unsanften Rempler zu geben, der ihn der ganzen Länge nach auf das glitschige Trottoir hinwarf. Was ihm ganz recht geschah, denn es hatte ihm niemand befohlen, sich in ein solches Lokal zu begeben.

Er wäre wer weiß wie lange liegen geblieben, hätte sich nicht ein eifriger Schutzmann seiner angenommen. Er erkundigte sich, was da los sei, half ihm auf und nahm ihn ohne viel Federlesens mit.


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