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XI.
Das mongolische Pferd

Auf der Dorfstraße stand ein Wagen, auf dem Fässer und Kübel waren. Dem verheißungsvollen Duft nach das Gefährt eines Schweinezüchters, der aus den Wirtshausküchen die Speisereste abholte.

Entweder war Yatsuma von Venezuela bereits zurück, oder er hatte es sich anders überlegt und inzwischen einen kleinen Abstecher in die Mongolei gemacht, in dieser Beziehung war er ja durchaus nicht kleinlich, er fand jedenfalls, daß das Pferd vor dem Wagen ein mongolisches sei. Als er herankam, drehte der Gaul neugierig den Kopf nach ihm um. Yatsuma blieb stehen, klopfte dem Tier den Hals und betrachtete es liebevoll. Diese schiefe Neigung des Kopfes und wie das Pferd zu ihm herschielte, das war ulkig und rührend.

»Wie geht's, alter Freund?« fragte er. Es ist nicht ganz ersichtlich, ob er das Pferd anfänglich für einen Menschen hielt. Aber er unterhielt sich auch mit Tieren und Dingen sogar besonders gern, da er der eigenartigen Meinung war, sie hätten ein feineres Ohr, bessere Augen und ein tieferes Verständnis als die Menschen im allgemeinen.

»Das ist mir die reinste Freude,« sagte er unter anderem zu dem Pferd, »daß ihr an jedem Ort der Erde die gleichen seid! Euch kann die Verderbnis der Menschheit, der Photographen und Friseure, Wechselstuben- und Rennstallbesitzer nicht ändern! Ja, wenn man euch menschlichen Verstand und menschliche Eigenschaften einimpfen könnte, dann würde es allerdings auch mit euch rasch bergab gehen! Aber das geht eben nicht! Er kann dich für seine Geschäfte verwenden, dich abrichten, erziehen, dressieren und verbilden, kann dich mißbrauchen, plagen, ausbeuten und kaltstellen, aber dein treues Auge, deine unschuldige Seele ändert er nicht! Welche Vollkommenheit!«

Voll der liebreichsten Bewunderung betrachtete er das Tier. Aber auch der Gaul schaute, schon während er sprach, manchmal zu ihm her und stülpte die Oberlippe auf, als wollte er, wenn auch nicht etwas sagen, so doch etwas haben.

»Ach so,« sagte Yatsuma und es überlief ihn ganz heiß, »du möchtest ein Stück Zucker! Das ist allerdings besser als mein Gerede!«

Das Pferd schüttelte den Kopf, weil es die Fliegen plagten.

»Doch, doch!« sagte Yatsuma. »Nur keine falsche Bescheidenheit! Das werden wir gleich haben!«

Er sah sich wie hilfesuchend um. Richtig, da drüben war ein Spezereiwarenladen. Da konnte man ja hineingehen und ein Stückchen Zucker verlangen.

Als er im Laden stand, kam niemand. Er wartete und wartete, nichts rührte sich. Ein großes Faß Zucker stand vor dem Ladenpult. Yatsuma nahm ein Stückchen und ging. Endlich kam die Ladenfrau, aber er war schon draußen.

Den Wagen mit dem Pferd aber sah er nicht mehr. Er war fort.

Yatsuma ging in den Laden zurück. Zwei Frauen standen jetzt darin und hinter dem Ladentisch die dicke Krämerin.

»Ich habe ein Stück Zucker genommen für ein Pferd. Aber es ist schon fortgegangen. Da bringe ich den Zucker wieder!«

Er legte ihn in das Faß.

»Was!?« schnaubte die Krämerin. »Da höre sich alles auf, so ein gemeiner Kerl, ein Dieb, hergelaufener Schlawiner, man sollte ihn anzeigen.«

Solche und ähnliche Schimpfworte schleuderte sie ihm nach.

Ich wundere mich, dachte Yatsuma, daß die Menschen in der Mongolei, dem Urland der Pferde, nicht mehr Verständnis für diese Tiere haben. Auch sehr höflich scheinen die Tungusen und Samojeden nicht zu sein. – Schade, daß das Pferd schon fort ist!


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