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Der Tod im Königshause

Wir kehren zum Hofe zurück. Dort hatte sich vieles verändert. Zuerst wollen wir die Bemühungen der Frau von Maintenon nennen, ihr Verhältnis mit dem König öffentlich deklariert zu sehen. Sie brauchte dazu alle möglichen Mittel, doch scheiterten sie an der immer wieder zurückgehaltenen Erklärung des Königs, der sich von Fénélon und Bossuet an das Versprechen erinnern ließ, das er damals, als die Heirat stattfand, Louvois und seinem Sohne, dem Dauphin, gegeben hatte, sie zu keiner öffentlichen zu machen. Frau von Maintenon siegte nicht. Man ging in Versailles und in Paris so weit, ihr die Schuld an den Ereignissen zuzuschreiben, die nunmehr den Hof in Trauer und Furcht versetzten, und daß sie dazu Fagon, ihren alten Günstling, zu Hilfe gezogen habe. Fagon war ihr unbedingt ergeben; er hatte dies gezeigt, als die Königin unter seinen Händen starb, er sollte es auch gezeigt haben, behauptete man in Paris, als nun plötzlich der Dauphin starb. Aber hier täuschten sich die Gerüchte. Der Sohn Ludwigs endete an den Blattern. Indessen erzählt Charlotte, sie habe an seinem Sterbebette beobachtet, daß nur die Pfuscherei Fagons das Ende herbeigeführt habe, und vielleicht spielte bei dieser falschen Behandlung der Krankheit Madame von Maintenons Einfluß auf ihren Hausarzt mit.

Diesem schreckensvollen Ereignisse folgten alsbald noch andere. Der Herzog von Burgund, der älteste Sohn des Dauphins, war mit einer Prinzessin von Savoyen verheiratet, einer jungen, liebenswerten und geliebten Frau, für die selbst der König eine auffallende Neigung fühlte. Sie erkrankte plötzlich, und wie man behauptete, nach Genuß eines Tabaks, den sie aus einer Dose schnupfte, die sie offen in ihrem Zimmer zu stehen hatte. Ihr Tod war mit lebhaften Schmerzen und mit beklagenswerten Zufällen begleitet. Der neue Dauphin, ihr Gemahl, erkrankte an denselben Symptomen des Übels, und starb noch nicht dreißig Jahre alt. Der Titel eines Dauphins ging jetzt auf den ältesten seiner Söhne über, den Herzog von Bretagne, den Urenkel Ludwigs, aber auch dieser folgte ganz plötzlich seinen Eltern in den Tod, und nur Ludwig, der Herzog von Anjou, blieb übrig, der spätere Ludwig XV. Eine trostlose, unglückliche Zeit herrschte damals über dem Hofe des Königs. Einundderselbe Leichenwagen führte Vater, Mutter und Kind nach St. Denis.

Nun waren von der Familie des Sohnes Ludwigs nur noch der Herzog von Anjou, König von Spanien, und der Herzog von Berry übrig. Auch der Herzog von Berry starb. Diese Todesfälle ereigneten sich zum Anfange des Jahrhunderts. Einige Zeit vorher war Monsieur gestorben.

Mit dem Tode des Bruders des Königs ging der letzte Zeuge von dannen, der noch den lustigen, galanten und genußsüchtigen Hof gesehen und ihn zum Teil mit erschaffen hatte. Die Feinheit und gute Lebensart des Prinzen war bekannt, er hatte die Formen, Hof zu halten, von seiner Mutter geerbt. Anna von Österreich liebte diesen Prinzen ganz besonders, sie hatte ihn in ihre Schule genommen und dadurch zum Teil seine Verweichlichung verschuldet. Niemand wußte mit so graziöser Manier sich bei der Menge, die stets nach äußern Dingen urteilt, beliebt zu machen, wie der Prinz. Selbst seine Schwächen wurden liebenswerte Eigenschaften, indem er sie brauchte, um Glück und Freude überallhin zu verbreiten. Alles dies war nur zum Schein, innerlich war er wie alle Prinzen dieses Hauses hart und grausam, nach kleinlichem Triumphe lüstern und tyrannisch gegen die, die sich an ihn schlossen. Kein Ding hatte Wert für ihn, es sei denn, daß es seine Freuden zu vermehren verstand; alsdann wurde es angenommen, gleich jedoch nach Befriedigung seiner Lüste verächtlich weggeworfen. Mit Personen machte er es ebenso. Ein Beispiel ist seine Ehe mit Elisabeth Charlotte, die durch undenkliche Mühe und Anstrengungen es endlich so weit brachte, daß er sie gelten ließ, sich nicht über sie spottend aussprach und nicht duldete, daß man sie bei ihm anschwärzte. In seinem Urteil über Personen und Dinge gab es nur eins, was auf ihn wirkte, dies war der Wille des Königs, seines Bruders, dem er rücksichtslos sich unterwarf, und nur da opponierte er, wo es ihm aufs dringendste notwendig erschien. Dieser kalte, gewissenlose und leichtfertige Charakter ward durch eben einen solchen bestraft und erzogen, durch den Willen des Chevaliers von Lorraine, der anfangs sein Liebling, später eine Art von Gebieter über ihn wurde, der sich fürchten machte und den zu entfernen er sich vergebens bemühte. Die Summen, die dieser kühne Günstling ihn kostete, überstiegen weit die Bedürfnisse eines ganzen Serails von Weibern. Durch die Kunst, die Lorraine besaß und ausübte, immer die geeignetsten Personen zu seinem Umgange anzuwerben, während er selbst sich den Ausschweifungen mit Weibern rücksichtslos hingab, machte er sich seinem Herrn besonders unentbehrlich und wirkte jedem Versuche entgegen, der gemacht wurde, ihn aus seiner Nähe zu entfernen. Wir haben schon das Gespräch des Beichtvaters angeführt: diese Zurechtweisungen wiederholten sich so oft, daß sie den Herzog verstimmten, ohne ihn zu ändern. Elisabeth Charlotte hatte sich zur Pflicht gemacht, nie diesen Gegenstand zu berühren, und sie tat es auch unter der Bedingung, daß keiner der Favoriten die Pflichten der Unterwürfigkeit und des Anstandes aus den Augen setzte, die sie ihrem Range schuldig waren. Selbst der Herzog konnte hieran nichts ändern. Die jungen Leute fühlten zu sehr das Übergewicht dieser Frau, als daß sie es gewagt hätten, irgendwie gegen die ihnen auferlegten Gesetze zu verstoßen. Der Aufmerksamste war Lorraine, der bei den stets wechselnden Launen des Herzogs, und bei den häufigen Anklagen, denen er durch sein Betragen ausgesetzt war, stets an der Herzogin einen Halt hatte.

Das Ende des Herzogs führte ein Streit mit dem Könige herbei. Der König hatte von den jugendlichen Ausschweifungen des Sohnes, des Herzogs von Chartres, erfahren und glaubte es sei seine Pflicht, den Vater hierüber zur Rede zu stellen. Dies war der Punkt, wo der Herzog sich in seinem Rechte glaubte. Der Herzog von Chartres war zu seiner Ehe mit dem Fräulein von Blois gezwungen worden. Man wußte, daß weder der Herzog noch die Herzogin ihre Einwilligung freiwillig gegeben hatten. Konnte man von einer solchen Ehe viel Regelmäßigkeit und Pflichtenstrenge erwarten? Der Herzog gab dies dem König zu verstehen, der seinerseits wieder die Neigungen des Herzogs zum Gegenstand des Vorwurfs machte. Dies empörte den Gekränkten, und er spielte auf des Königs eigenes Betragen an, zur Zeit als die Königin noch lebte und er in dem Wagen derselben seine zwei Geliebten spazierenfahren ließ, die Frau von Montespan und das Fräulein von Fontange. Hierauf erwiderte der König in sehr ungnädigem Tone: Dies könne nicht als Entschuldigung für den Prinzen dienen, denn was er als König sich erlaube, sei noch keineswegs geeignet, von den Kindern seines Hauses nachgeahmt zu werden. Der Streit gewann eine Heftigkeit und Stärke, die doppelt anstößig waren, da die offen stehenden Türen einen Teil des dienenden Personals zu dessen Zuhörern machten. Gleich darauf ging man zur Tafel. Der Prinz war feuerrot im Gesicht, seine Augen standen vor und hatten etwas Starres, man sah ihm an, daß ein apoplektischer Zustand ihm nahe war. Dennoch mäßigte er sich nicht; er nahm ein reichliches Mahl zu sich, nach dessen Schluß er sich übel befand. Er brachte noch seine Schwiegertochter zur Königin von England nach St. Germain, von dort zurückgekehrt, befiel ihn ein Schlagfluß. Das damals in allen Fällen von den Ärzten angewandte Rezept, Brechmittel und Aderlaß, wurde auch hier in Wirkung gesetzt, doch vergebens: er starb.

Der König erwies übrigens der Witwe wie dem Sohne das natürliche Wohlwollen, das ihn für beide beseelte. Obgleich er dem jungen Herzog von Orleans, diesen Titel nahm der Herzog an, zürnte, vermied er doch sichtlich die Gelegenheit, ihn die Schwere seines Zornes fühlen zu lassen, im Gegenteil er hatte die gütigsten Worte der Teilnahme für den Sohn, der am Sarge seines Vaters kniete. Er ließ ihm nicht allein die eigenen Pensionen, er fügte noch die des Vaters hinzu. Madame erhielt ihr Wittum und das ihr Zukommende. Der Sohn erhielt achtzehnhunderttausend Livres Renten, die Wohnung im Palais Royal, das Schloß St. Cloud und noch andere Besitzungen. Außerdem hatte er seine Garden und Schweizer, einen besonderen Saal im Schlosse zu Versailles, einen eigenen Kanzler und einen Generalprokurator, auch blieb er Chef seiner Infanterie- und Kavallerie-Regimenter und bekam noch die Gensdarmen- und Chevaux-Legers-Kompagnien dazu, die der Vater besessen hatte.


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