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Die Sonne war im Sinken, sie warf die Schatten der Gegenstände lang vor sich hin, als aus dem Dunkel eines Gebüsches ein junger Mann zu Pferde heranritt, der auf ein Dorf lossprengte, das sich am Ufer eines Baches in malerischer Ländlichkeit ausdehnte.
Dieser junge Reisende war der Graf Georg von der Pfalz, den seine Gebieterin und Cousine aus Paris entfernt, weil sein Streit mit dem mächtigen Günstling ihres Mannes, dem Marquis von Lorraine, sich neu entzündet hatte und sie bei dessen Hilfsquellen nicht mehr sicher war, ihren Liebling gegen Gefahren zu schützen, die doppelt gefährlich waren, da sie von der Hand eines heimtückischen Ehrlosen kamen, der ihr und ihren Angehörigen ewige Feindschaft geschworen hatte. Zu gleicher Zeit mit diesem Zwecke seiner Sicherstellung, war auch der verbunden, Nachricht aus der bedrängten Pfalz zu erhalten, der sich die Armeen Turennes näherten und deren Bewohner vor der andringenden Gefahr schon die Flucht ergriffen.
Georg machte bei dieser Reise, die er allein mit zwei Reitknechten unternahm, einen Umweg durch das südliche Frankreich, weil er hoffen konnte, einen Genossen früherer Tage wiederzusehen, dessen Schicksal zu erfahren er begierig war. Es war dies der Graf Otronte, dessen wir uns aus der Skizze erinnern, die wir aus dem Leben beider Jünglinge in den Gebirgen Schottlands gegeben haben. Graf Otronte, ein eifriger Anhänger der Lehre Jesu, ein Fanatiker für den Glauben, war dem Wege gefolgt, den die schottischen Meister ihm angaben. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Jesuitenkollegium in Paris, war er wiederum von dort verschwunden, und wie die über ihn gegebenen Nachrichten lauteten, nach Indien gegangen, wo er als Priester zur Ausbreitung des christlichen Glaubens unter Gefahren mancherlei Art die Missionen unterstützte, die die Schüler Loyolos dort begründet hatten. Eine neue Order der Kongregation hatte ihn mit dem Erzpriester, dem Abbé von Chayla, nach Europa zurückberufen, und Georg war heute die Möglichkeit gegeben, den Mann wiederzusehen, mit dem er ein glückliches Jahr, in gemeinschaftlicher Richtung fortschreitend, in den einsamen Gebirgen Schottlands zugebracht. Er träumte sich das Äußere des eifrigen Jesuiten düster und seltsam, er malte das Bild mit den Farben aus, die die damalige Richtung des Jünglings ihm angaben, und von neuem glaubte er ihn an der Seite seines mächtigen und geheimnisvollen Freundes, des Köhlers, daherwandeln zu sehen, den altertümlichen, schauerlichen Sagen des Hochlandes lauschend. Von neuem breitete der See von Canongate seine dunkeln Gewässer vor seinen Blicken aus, und wieder klang der eintönige, schauerliche Vortrag des ehrlichen Bartholomäus, über die Vorzeit dieser einsamen Landstrecke, durch die Seele des Zuhörenden. Er vergaß über diesem Gebilde seiner Phantasie die Wirklichkeit und erwachte von dem Rufe eines ehrlichen Bauern, der sein Pferd anhielt, um ihn zu fragen, wohin er wolle.
»Nach Chanpelet,« erwiderte der Ritter.
»So müßt Ihr nach jener Richtung,« erwiderte der Bauer, »hier kommt Ihr geradeswegs in das Lager der königlichen Truppen.«
Er folgte der Weisung, und jetzt sehen wir ihn vor dem Dorfe halten, vor dessen einsamer Schenke bereits ein Maultier mit einem Knaben Rast machte. Georg fragte den Knaben, ob seine beiden Reitknechte nicht hier bereits angelangt seien.
Der Gefragte blickte ihn mit großen, dunkeln Augen an, erwiderte aber nichts als daß er tief aufseufzte und dann hinzusetzte: »Gott ist groß!«
Georg blickte das Kind an, das etwas über zehn Jahre alt sein mochte, und sagte dann: »Wem gehörst du an, Knabe?«
»Dem Herrn Doktor,« entgegnete er.
In diesem Augenblicke trat der Doktor heraus. Es war ein stattlicher Mann, mit einer gesunden Fröhlichkeit in dem breiten Gesicht und in dem hellen Auge. Georg wollte an ihm vorbeigehen ins Gasthaus, als jener seine Blicke, ihn scharf fixierend, auf ihn richtete und endlich auf ihn zutrat, fragend: »Habe ich nicht die Ehre den Stallmeister der Prinzessin von Orleans zu sehen?«
»Allerdings, der bin ich!« erwiderte Georg.
»Und ich – und ich,« stammelte der Mann mit großer Freundlichkeit, »ich bin Paraclet Bonhomme. Wir haben uns in Paris verfehlt, um uns hier in der Einöde, in den Cevennen wiederzusehen.«
Die Freunde lagen sich in den Armen.
»Ich weiß alles was sich mit Ihnen zugetragen,« begann der Doktor. »Nicht so werden Sie in Kenntnis sein über das, was sich mit mir ereignet. Es ist in ein paar Worten zu sagen. Ich bin Schulmeister und der Mann der Witwe, dessen Haus Sie in Augenschein genommen. Wir erziehen beide mohammedanische und jüdische Kinder zum Christentum; da ist sogleich eins, das der christlichen Lehre entgegenreift, fürs erste aber noch ein Maultier hüten muß. Ich bin hier, um eine rückständige Schuld für meine Frau einzukassieren.«
»Ach, Paraclet, wie seltsam haben sich unsere Schicksale entschieden!« rief Georg. »Ich, der arme Straßenjunge, der Sohn eines Prinzen, während du der Mann einer reichen Witwe geworden. Es fragt sich, wer von uns es besser getroffen.«
»Ich denke du!« rief Paraclet. »Allem Anschein nach bist du dem Glück im Schoße. Weißt du nichts von dem Doktor Onofrius?« –
»Ich? Nicht viel!« erwiderte Georg. »Er wird jetzt beim Grafen Udallan sein. Oder er ist vielleicht irgend in einer Katakombe versunken und wandelt jetzt als Gespenst innerhalb des Reiches des Todes, dem er schon hier angehörte. Es war ein unheimlicher Gast; und obgleich ich ihm viel verdanke, denn er war der Vollstrecker des Willens meiner Versorger, möchte ihn doch nicht wiedersehen.«
Beide Freunde machten jetzt Pläne, wie sie beisammenbleiben wollten. Georg tat seine Absicht kund, in dem Lager der Truppen den Abbé Chayla aufzusuchen.
»Ein entsetzenbringender Name!« rief Paraclet. »Nimm dich in acht, ihn hier auszusprechen! Du würdest die ganze Bevölkerung zusammentreiben.«
»Doch soll es ein würdiger Mann sein, nur für den Glauben Fanatiker,« bemerkte Georg.
»Das ist er,« erwiderte Paraclet, »aber in einem Maße, wie man es wenigstens in Europa nicht gewohnt ist; unter den Brahminen Indiens mag es etwas schon Dagewesenes sein. Der König, als er darauf ausging, die Versprechungen und verbrieften Verheißungen seiner Vorgänger, und mithin seine eigenen, wieder aufzuheben, konnte keinen geeigneteren Vollstrecker seiner Befehle finden als diesen blutgetränkten Priester? Doch du wirst ihn ja selbst sehen.«
Man ritt über eine Ebene, die sich vom Dorfe ab seitwärts gegen eine starke Waldung ausdehnte. Voran Georg und der Bekehrer und Krämer, denn beides war in der sehr ehrenwerten Person des Herrn Paraclet Bonhomme vereinigt – hinterdrein die beiden Reitknechte, die den kleinen Mohammedaner abwechselnd auf eines ihrer Pferde nahmen. Eigentlich war der Platz des Knaben mit auf dem Maulesel seines Herrn; jetzt aber, da die Gelegenheit sich bot, ließ sich's der letztere gefallen, daß die Bürde, die sein Tier zu tragen hatte, nicht allzu sehr beschwert wurde.
Man kam bei einer Menge junger Dorfbewohner vorbei, die einexerziert und zu disziplinfähigen Truppen gebildet wurden. Sie hatten alle ein mutiges, frisches Aussehen, nur mit den Regeln des Dienstes wollte es nicht recht fort. Der Anführer war nicht fähig, sie ihnen beizubringen; er war selbst ein Bauer und zu sehr vertraut mit ihnen, als daß seine Befehle und Gesetze sehr beachtet worden wären.
»Bedenkt!« rief er ihnen zu, »daß euch der Herr beruft, für ihn zu fechten, daß dem Glauben Gefahr droht, daß ihr dazu da seid, die Satzungen der Väter, an denen unser Heil geknüpft ist, aufrecht zu erhalten. Wir sind Calvinisten; Calvinisten fechten immer gut; also beweiset das auch hier!«
Ein Mann trat aus den Reihen heraus. Er war älter als seine Kameraden, trug eine Art geistlicher Kleidung, einen langen schwarzen Mantel, den er aufgeknöpft hatte, so daß dabei seine kriegerisch bewehrten Beine zu sehen waren, die in hohen Stulpenstiefeln steckten. Er eilte, einen Baumstamm, der abgehauen war und die Höhe einer kleinen Tribüne erreichte, einzunehmen, stellte sich darauf und fing an, seine Gefährten feierlich anzureden.
»Es gibt Krieg, Freunde, Krieg! Der Herr der Heerscharen wird mit uns sein! Die ganze Gegend wird in Blut schwimmen, aber wir werden den Sieg erringen. Geht mutig voran! Der Schatten des großen Heinrich, der uns unsere Privilegien gab, wird mit uns sein, die verruchte Bande von Papisten zu Haufen zu treiben. Mögen sie Priester kommen lassen aus den äußersten Enden der Welt, mögen diese fremde und nie erhörte Martern mitbringen, nur Mut, wir siegen doch. Und bedenkt die Freude, die uns zuteil wird, wenn wir die Ungläubigen brandschatzen werden! Es gibt viel Reichtümer unter den Königlichen! Jeder Offizier zieht mit seiner Mätresse ins Feld! Die Mätresse hat ihr Schmuckkästchen. Schlagen wir sie tot, so sind die Schätze euer. Ich bin in meiner Jugend in Paris gewesen; ich war Türhüter in einem Kloster daselbst, wo viele vornehme Herren hinkamen, mit den Damen Kurzweil zu treiben; ich kenne das Leben, das die papistischen Hunde führen. Es ist nichts als stinkende Sünde und geheime Untat. Ehe ich mich bekehrte, stand mein Sinn ebenfalls nach den Schätzen Babels; aber ich dachte: René, bleibe lieber arm, als daß du reich werdest auf Kosten deiner Seele. Nichts als Unzucht, sage ich euch, nichts als Unzucht. Und die Priester, die vorangehen sollten mit der Lehre und dem guten Beispiel, womit beschäftigten sie sich? Ha! Mit Zählen ihrer Geldsäckel und mit Liebesbriefchen, die sie den Nonnen schrieben. Ich selbst habe solche Briefchen an ihre Adresse bestellt. Ich frage euch, ist das erlaubt? Ist das eine Kirche, wie sie unser Herr und seine Apostel gegründet? Sind das Diener des Herrn? Es sind durchweg Lasterknechte, räudige Hunde, faules Stroh, das da verdient in den Ofen geworfen zu werden. Der Tag ist da, wo gewürfelt wird, wer die Welt sein eigen nennen soll, die Baalsknechte oder wir, die wir einfach und ehrlich unserm Gotte dienen und nichts von der Ungebühr der Erde wissen wollen. Ha! Wem, glaubt ihr, werden die Würfel zufallen? Wem anders als uns! Mag der König und seine Mätresse, der Erzbischof mit der seinigen schreien, soviel sie wollen, sie werden herunter müssen von ihren Stühlen, und wir werden kommen und uns hinsetzen.«
»Gut, gut!« rief der militärische Anführer. »Damit das aber so komme, müßt ihr ordentlich auf Disziplin halten. Kinder, es geht nicht anders! Mit bloßem Mut ist's nicht getan! Es gehört die Flinte dazu, und die will gehandhabt sein! Es gehört die gerade Linie der aufgestellten Soldaten dazu, die da fechten auf Kommando, und dann noch so manches andere.«
Er erneuerte seine Bestrebungen, aber sie wurden durch einen Umstand zunichte gemacht. Die Weiber waren aus dem Dorfe gekommen, sie hatten in Körben das Mittagessen mitgebracht. Sogleich stürzte sich die Menge darüber her, auf kein Kommandowort hörend. Es entstand eine Art Balgerei über den Inhalt der Körbe. Die Weiber standen dabei und lachten.
»Wollen wir nicht auch zusprechen?« fragte der bäuerische Priester den bäuerischen General, und beide machten sich über den Inhalt eines Korbes her. Paraclet und Georg lachten und ritten von dannen.
»Und doch sind das vortreffliche Soldaten, wenn es gilt!« rief der erstere. »Ich treibe mich schon einige Zeit hier umher und kann es wissen. In den ersten Treffen, die es gegeben hat, haben sie den Sieg davongetragen; nur mit der Disziplin wollen sie sich nicht recht abgeben. Die Sense, die Ofengabel, das Beil sind ihre Waffen, und damit machen sie Wunderdinge.«
Einen ganz anderen Anstrich gewannen die Szenen, als die Reisenden sich den Landstrecken und den Dörfern näherten, die im Besitz der königlichen Truppen waren. Zelte waren hier errichtet, und man sah Soldaten zu einzelnen Gruppen sich unter Leitung ihrer Offiziere mit den Waffen beschäftigen. Georg gab sich als Offizier im Dienste des Hofes zu erkennen und wurde ehrenvoll empfangen. Er ließ sich in die Wohnung Chaylas bringen. Paraclet und die beiden Reitknechte nebst dem kleinen Abu Hassan blieben zurück.
Es war nicht leicht, den Erzpriester der Cevennen zu sehen. Stets gefaßt, verfolgt zu werden, und ängstlich vor einem Ausfall aus dem Hinterhalte, verließ er selten sein Gemach; geschah es dennoch, so schloß ihn eine ganze Kohorte Mönche ein, und diese wurden wieder von berittenen Soldaten eskortiert. Hier war jedoch eine Ausnahme. Georg trat in ein düster erleuchtetes Gemach, das mit einem Betpult und einer Menge Heiligenbilder verziert war, und erblickte, auf einem Ruhebette zusammengekrümmt, eine menschliche Gestalt liegen, die ihm das Antlitz zuwandte. Nichts konnte schrecklicher sein als dieses Gesicht, das entsetzliche Merkmale von Martern an sich trug, die der Priester einst ausgestanden, als er noch in Indien lebte. Er hatte damals, gegen den Befehl des Kaisers von Siam, die Grenze des Reiches Cochinchina überschritten, war von den Soldaten des Monarchen festgenommen worden und hatte, gefragt, ob er abschwören oder die Marter ausstehen wollte, das letztere gewählt. Alle grausamen Werkzeuge der indischen Tortur waren an ihm geübt worden und hatten seinen Körper mit tausend Wunden zerfleischt, seine Brust einstürzen gemacht, seine Arme und Beine gebrochen. So, als tot anerkannt, hatten ihn seine Quäler an einen Baum aufgeknüpft, als warnendes Beispiel für die Vorübergehenden. Ein armer Mann des Volkes hatte ihn gefunden, ihn abgebunden und noch Leben in ihm entdeckt. Auf Requisition des französischen Gesandten wurde er später nach Frankreich ausgeliefert. Die Geschichte dieses heldenmütigen Märtyrertums hatte Aufsehen gemacht, Ludwig erinnerte sich dieses Mannes, und da er jemand wünschte, dem er sein großes Bekehrungswerk sicher anvertrauen konnte, wurde er gewählt für die Mission in die Cevennen. Die Marter, die er selbst erduldet, beschloß er jetzt gegen die armen Hugenotten anzuwenden, die ihm in die Hände fallen würden. Georg entsetzte sich an der Blutgier, die in diesen verzerrten Zügen lag. Ein ungeheurer Mund spaltete das Gesicht in zwei Teile und gab dem Ausdruck desselben jenen Charakter von Wildheit, der nicht zu beschreiben ist. Mit einem Arme, der von der Tortur an zwei Stellen gebrochen war, und sich nur unvollkommen bewegen konnte, winkte der Priester dem jungen Mann, der ihn zu besuchen kam.
Georg hub an, sich nach dem Jesuitenpater Rodebert zu erkundigen, unter welcher Bezeichnung der Graf Otronte in den Orden getreten war.
»Der ehrwürdige Pater ist nach der Abtei von Montvert abgezogen, wo sich Unruhen gezeigt haben; ich werde ihm selbst in diesen Tagen dahin folgen!« entgegnete der Abbé.
»Wollen Sie mir, mein Vater, die Erlaubnis geben lassen,« bat Georg, »den Pater Rodebert dort aufzusuchen?«
»Gern, einer meiner Mönche soll Sie hinbringen,« erwiderte Chayla. »Doch will ich Ihnen raten, noch ein paar Tage mit Ihrer Abreise dahin sich zu gedulden; denn Rodebert bringt Kinder der Ketzer im Kloster unter! Sie sollen dort für ihre Angehörigen beten. Ich selbst bin beschäftigt, dies hier zu tun; zugleich werden wir morgen eine Prophetin vor Gericht ziehen, Franziska Desbrets, die sich unterstanden hat, zu predigen und uns unsere Soldaten wegzulocken.«
»Ich würde demnach stören, wenn ich hierbliebe!« sagte Georg.
»Nicht im mindesten,« entgegnete der Abbé. »Ich setze voraus, daß Sie ein guter Christ sind; dennoch wird es Ihnen Freude machen, wie wir hier aufräumen.«
Das Gespräch ward hier durch ein Geschrei unterbrochen, das aus einiger Entfernung herübertönte, jedoch nicht die Ruhe aus dem Gesicht des Priesters scheuchte. Er sagte: »Ich lasse eine Anzahl Weiber peitschen, die heute morgen mit den Waffen in den Händen eingefangen wurden.«
Die Ordonnanz meldete einen Mann, der den Abbé zu sprechen wünschte.
»Führt ihn herein, doch habt wohl auf ihn acht.« Er wälzte sich tiefer in die Ecke seines Ruhebettes und sah einen großen, stark gebauten Menschen, der unter seinen dichten Augenbrauen mit unheimlichem Blicke den Priester suchte, der sich in der Dunkelheit seiner Ecke versteckt hielt.
»Was wollt Ihr?« fragte er.
»Dich um Gnade anflehen!« entgegnete der Mann. »Mein Vater, meine Brüder sind deiner Wut geopfert, die Soldaten haben sie fortgeführt, und sie sind den Peitschenhieben erlegen, die du ihnen hast geben lassen. Mein Weib, die Freundin und Anhängerin Franziska Desbrets, ist mir heute geraubt worden; ich hatte nur noch einen Sohn, einen Liebling, den hat man mir genommen, um ihn in ein Kloster zu stecken.«
»Und da kommst du, dich selbst auszuliefern?« fragte der Abbé. »Du willst zum Glauben zurückkehren.«
»Nein!« entgegnete der Mann mit einer eisernen Stimme. »Ich gab dies als Grund an, um vor dich geführt zu werden; allein mein Wunsch und meine Bitte ist: Gnade für meinen einzigen Sohn, meinen Liebling zu erbitten. Gott schuf die Menschen gut, solltest du allein eine Ausnahme machen?«
»Die Deinigen sind dem Gesetz verfallen!« rief der Priester.
»So verfalle du, Ungeheuer, dem Gesetze dieser Faust!« schrie der Mann plötzlich und stürzte sich auf den Abbé. Das Messer in seiner Hand blitzte auf, und ehe der Gefahrbedrohte seine Umgebung zuhilfe rufen konnte, wäre er ein Opfer der Rache geworden, wenn nicht Georg mit aller Anstrengung, deren er fähig war, sich zwischen den Abbé und den Rasenden gestürzt, eine Wunde am Arm erhalten, aber den Priester gerettet hätte. Der Angreifer wurde im selben Augenblick von sechs Armen erfaßt, die sich ihm um Leib und Schulter schwangen.
Chayla, ohne eine Miene zu verziehen, sah den Mann zu seinen Füßen verbluten und sprach zu den Wächtern: »Was habe ich euch gesagt, ihr solltet aufmerksam sein!« Dann wendete er sich zu Georg, und mit einer freundlichen Miene, die in seinem zerfetzten Gesichte den Ausdruck unheimlichen Grinsens annahm, rief er: »Ich danke Ihnen, mein Herr! Sie sehen, mein Geschäft ist nicht so ganz leicht.«
Es wurde gemeldet, daß der Sohn des Getöteten draußen warte.
»Hebt ihn auf, er soll die Tortur erleiden!« rief der Erzpriester. »Er ist ein junger Körper, an dem kann man sich üben, auch brechen sie nicht so leicht zusammen. Wir sind den Leuten hier noch ein Schauspiel schuldig.«
Bei diesen Worten stürzte ein junger Mann von achtzehn Jahren, schön wie ein junger Kriegsgott, zu den Füßen der Leiche des Vaters. »Tyrann!« schrie er in achtloser Wut zu dem Priester empor. »Wer gab dir das Recht, den Teufel unter deinen Brüdern, den Menschen, zu spielen! Ich fordere Gott zum Zeugen zwischen dir und mir!«
Er wollte die Leiche vom Boden aufraffen; in demselben Augenblick wurden seine Arme gebunden. Ein Tuch machte ihn sprachlos, und er wurde fortgeführt.
Im Nebenzimmer hörte man, wie die Marterinstrumente angebracht wurden; man vernahm das qualvolle Stöhnen des armen Opfers und das Gelächter der rohen Soldaten, die als Zuschauer hinzugelassen worden waren.
Georg fühlte die Unmöglichkeit, länger Zeuge dieser Szene zu sein. Unter dem Vorwand, seine Wunde zu pflegen, beurlaubte er sich bei dem Priester, der ihn bat, auf seiner Zurückkunft aus dem Kloster wieder bei ihm einzusprechen. Georg ging.
»Das sind die Folgen«, rief er bei sich, »des entsetzensvollen Entschlusses, zu dem einen Monarchen, der sonst die Stimme der Menschheit zu hören verstand, die Wut seines Beichtvaters und die schlaue Kunst einer Buhlerin gebracht haben. Der Widerruf des Edikts von Nantes setzt die Cevennen in Flammen! Welche Auftritte werden auf diesen folgen?«
»Hast du ihn gesehen?« fragte Paraclet. »Wie sieht er aus?«
»Laß mich schweigen!« rief Georg, sein Antlitz verhüllend. »Ich habe zum erstenmal die Schrecken des Fanatismus geschaut, ich sah zum erstenmal einen Menschen, der aufgehört hat diesen Namen zu tragen. O Gott, welch ein Elend gebiert die Erde!«
»Und dieser Mann«, rief Paraclet, »ist selbst mit sich zerfallen. Glaube nicht, daß er so selbstsüchtig handelt; nein, er handelt, weil er muß! Er folgt der innern Stimme, und dieselbe Stimme wirft ihn, wenn er Blut auf Blut vergossen hat, zerknirscht nieder, und er bittet Gott um ein baldiges Ende seines Lebens, das er nicht zu verdammen, aber auch nicht zu preisen wagt. Er hat sein Grab in der Kirche zu St. Germain erbauen lassen, weil er nur wenige Jahre zu leben hofft, in derselben Kirche, die Papst Urban IV., als er noch Bischof von Mende war, hat erbauen lassen.«
»So erscheint er mir«, rief Georg, »als ein Ungeheuer, das, mit sich uneins, nur gezwungen und zögernd den Pfad des Schreckens betritt! Solch ein Geschöpf war zum Unglück dieser armen Menschen geschaffen, er lehrt sie so teuer als möglich die himmlischen Schätze sich erwerben, die für sie bestimmt sind.«
»Aber du blutest, mein Freund!« rief Paraclet bestürzt. »Erlaube, daß ich dir die Schulter verbinde. Ich bin Arzt, sollst du wissen, und ich will dir zeigen, daß ich nicht vergebens studiert habe, obgleich oft ohne Bücher wie du, und ebenso sorglos und unbefangen die Natur befragend, wo sie sich mir gerade zeigte.«
Sie hielten inne, und die leichte Stichwunde, die Georg an der Schulter erhalten, wurde von Paraclet auf das beste untersucht und verbunden. »Wir müssen jetzt einige Tage ruhen,« sagte er, »damit du die Reise zum Arzt fortsetzen kannst.«
»Nur hier nicht!« rief Georg. »Mir würde das Schmerzgeheul der armen Opfer dieses Priesters ewig in den Ohren tönen!«
»So komm in jenes Dorf, dessen Kirchturm wir schimmern sehen!« bemerkte Paraclet. »Dort wohnt eine Muhme meiner Frau; da werden wir ein sicheres Standquartier halten können.«
Nach der Ruhe einiger Tage brach die kleine Reisegesellschaft nach der Abtei von Montvert auf; Georg, Paraclet und der Franziskanermönch, der der Wegweiser sein sollte, dann die Diener und der kleine Abu Hassan.
Man zog durch eine der schönsten Gegenden des südlichen Frankreich. Am Orte der Bestimmung angelangt, wurde Georg von Rodebert empfangen, der in ihm den Genossen seiner Jugendzeit mit Freuden wiedersah. Die Freunde hielten sich lange umarmt. Georg fand den Pater sehr verändert; er war mager, und die Jahre eines tätigen Lebens, in Entbehrungen und Opfern aller Art hingebracht, hatten seine Haare gebleicht und seine Züge mit tiefliegenden Furchen bedeckt, dennoch war das Auge voll Feuer und Leben. Der Anzug war die einfache Tracht des Jesuitenordens.
In dem Garten der Abtei spazierengehend, tauschten sie gegeneinander die Erlebnisse ihrer Wirksamkeit aus, und Georg war beschämt, den ungeheuern Anstrengungen des Freundes nichts entgegenzusetzen, als das Leben eines vom Schicksal begünstigten Schützlings des Glücks und den Genuß höfischer Verhältnisse. Er gab sich Mühe, seine Gebieterin dem Freunde auf das günstigste zu schildern, und hiermit fand er Gelegenheit, sich selbst ein wenig emporzuheben, indem er sich als den Vollstrecker der Ratschläge der edlen Fürstin zeigte.
Der Pater hörte ihm ruhig zu, und fragte dann nach dem Eifer, den die Prinzessin für die Kirche darlege. Da mußte Georg schweigen. Nach einer Weile sagte er: »Was diesen Punkt betrifft, teurer Olivier, müssen Sie die Fürstin nicht nach dem gewohnten Maßstabe der Weltkinder abmessen. Sie ist, wie Sie wissen, in den Grundsätzen der protestantischen Kirche erzogen; später, bei ihrer Heirat, ist sie zum Katholizismus übergegangen; ist es zu verwundern, wenn sie jetzt beiden Kirchen, und eigentlich keiner einzigen angehört. Ihr grundehrlicher Sinn, ihr felsenfester Charakter, dessen Grundlagen deutsche Treue und Rechtlichkeit sind, bestimmen auch ihre religiösen Ansichten. Sie dient Gott, sie liebt ihre Nebenmenschen, tut Gutes, wo sie es kann – da haben Sie ihre ganze Religion.«
Der Graf schwieg. Die Freunde gingen noch einige Zeit miteinander umher, alsdann rief der Graf einen Diener und fragte, ob die junge Dame bereits angelangt sei.
»Noch nicht, ehrwürdiger Vater,« wurde ihm geantwortet.
»So sagt mir's, wenn sie kommt. Es ist eine Prinzessin von Soissons,« bemerkte er, zu Georg gewendet. »Ihre Eltern sind im Calvinismus gestorben, und ich habe Befehl, sie ins Kloster stecken zu lassen.«
»Was haben Sie für Nachrichten aus Schottland?« fragte Georg.
»Der Graf Udallan ist tot!« war die Antwort. »Er ist gestorben, ehe er die Realisierung seines Lieblingsplanes, die Vereinigung unseres Ordens mit den alten Templern, erlebte. Jetzt ist das Werk ins Stocken geraten. Wir haben die Hand geboten, aber man verlangt zuviel von uns. Wir sind selbständig. An ein paar Geheimnissen mehr kann uns nicht viel liegen. Wir sind die Besitzer der weltlichen Verhältnisse. Der Fürst von Nassau, der früher sein Wesen in der Nähe von Hannover trieb, ist jetzt an die Stelle des alten Grafen gekommen; doch wird auch er keine Seide spinnen. Der Pater Ulrich ist Prinzipal des Ordens geworden und lebt in Coimbra, der gute ehrliche Master Toni, der uns die schönen Geschichten erzählte, ist Prior in einem Kloster zu Grenoble geworden, und mein ehrwürdiger Lehrer, der als Köhler die wichtigsten Geschäfte betrieb und leitete, lebt noch in Schottland und unterrichtet Jünglinge, die wir ihm zuschicken. Vom Doktor Onofrius weiß ich nichts. Einige haben ihn gesehen in England, dann andere in der Wüste Thebais, er taucht auf und verschwindet, ein geheimnisvoller Charakter, der sich aber egoistisch selbst verzehrt.«
»Und nun, du teurer Freund, wie hat sich dir das Rätsel des Daseins erschlossen?« fragte Georg. »Rede offen zu mir, ich werde jedes deiner Worte bestimmt im stillen Schreine meines Herzens verschließen.«
Der Graf verharrte lange in Stillschweigen, endlich, ehe er sprach, richtete er einen langen, forschenden Blick auf den Freund. »Ich denke, ich werde dir nur wenig sagen können, unsere Wege liegen zu sehr voneinander ab. Du wirst wissen, daß ich in Indien war.«
»So wurde mir gesagt! Du bist mit dem Erzpriester Chayla verbunden?«
»Nicht verbunden!« rief Rodebert. »Er hat mich gewürdigt, an dem Werke, das er schafft, teilzunehmen. Das kann man nicht miteinander verbunden nennen. Ich verehre ihn wie einen Heiligen; er sieht mich, was ich auch bin, nur für einen Menschen an. Welch ein Mann ist das! Was hat er für den Glauben gelitten! Ich war sein Pfleger, als man ihn zerschlagen, geschunden, zerbrochen in unsere Niederlassung brachte. Als wir ihn als sterbend betrachteten und an seinem Lager beteten, sahen wir ihn mit verklärten Augen gen Himmel schauen, und die Worte entglitten ihm: ›Ich danke dir, Gott, daß du mich dieser Qualen für würdig gefunden!‹ – Die andern Brüder wurden von dieser Glaubensfreudigkeit erschüttert, ich aber wurde hingerissen! Mit einem teuern Eide gelobte ich mir, ihm zu folgen, in seine Fußstapfen zu treten.«
Georg war bis zu Tränen gerührt. Er schloß des Priesters Hände in die seinigen und rief: »Olivier, ist's möglich, du, ein Chayla!«
»Nun, und weshalb nicht?« fragte der Priester strenge.
»Ich kann, ich darf nichts weiter sagen!« rief der Freund. »Ja, du hast recht, unsere Wege trennen sich! Es ist kein Übereinkommen möglich. O Himmel! Wer hätte das gedacht?«
»Warum dieser Trotz? Diese Schmähung auf einen Mann, der dem Himmel, den Heiligen gehört?« fragte der Priester.
»Kein Trotz, keine Schmähung!« rief Georg außer sich, »nur gänzliche Unfähigkeit, dies zu begreifen! Dieser Mann, den du für einen Heiligen anschaust, mir erscheint er – als ein Wüterich, als ein Henker des Menschengeschlechts. Hier hast du unsern abweichenden Glauben! Ach, laß uns nicht mehr davon sprechen. Hoffentlich wirst du menschlicher sein, wenn du an seine Stelle berufen wirst.«
»Menschlicher?« rief Rodebert. »Was nennst du menschlich? Beharren in der Sünde, und mit der Sünde zum Teufel fahren? Ist dir das menschlich?«
»Um Gottes willen, nein!« rief Georg. »Menschlich ist Menschenrechte anerkennen, und Menschenrecht ist seinem Glauben folgen. Wer hat dich gesetzt über deinen Nächsten, ihm mit Feuer und Schwert vorzuschreiben, was er glauben soll? Selbst schwache Irrende gehen als eingebildete Herren den andern Irrenden voran!«
»Irrende?« rief der Pater. »Du vergißt, daß wir Priester eines Ordens sind, der nicht irrt, der die Glaubensreinheit bewahrt und zur Pflicht hat, sie der schwachen Menschheit einzuprägen.«
»Es ist genug!« rief der junge Mann, »hier ist kein Streit möglich. Laß uns abbrechen.«
Der Diener kam und meldete, daß die Prinzessin den Pater erwarte.
Georg folgte seinem ehemaligen Genossen in den Empfangssaal der Abtei. Dort fanden sie ein junges Mädchen von blendender Schönheit und von sechzehn Jahren ungefähr. Sie saß am Fenster und blieb auch sitzen, obgleich der Pater vor ihr stand
»Was wollen Sie von mir?« fragte sie mit vollem Tone. »Sie haben mich herbeschieden!«
»Mein Fräulein,« erwiderte der Jesuit, »ich habe den Auftrag, Ihnen anzukündigen, daß Sie in das Kloster müssen. Die Benediktinerinnen des einige Stunden von hier entfernten Asyls sind bereit, Sie aufzunehmen.«
»Aber ich will nicht hinein!« sagte das junge Mädchen mit grober Entschiedenheit, indem dabei ihre dunkeln Augen den Pater durchbohrten.
»Weshalb nicht?« fragte dieser.
»Weil ich Papa immer habe sagen hören, daß die Klöster nur voll Närrinnen steckten, die nicht wüßten, was sie wollten.« –
»Ihr Herr Vater war im Irrtum!« bemerkte Rodebert mit sanfter Stimme.
»Er war im Irrtum?« rief sie. »Nun gut, so bin ich auch im Irrtum. Ich gehe nicht ins Kloster.«
»Machen Sie nicht, daß die liebende Mutter, die Kirche, Sie zwingt hineinzugehen.«
»Ich will sehen, was man mit mir machen will!« begann die Prinzessin. »Sie haben mir alles genommen; die Besitztümer meiner Eltern sind fort, selbst was mein Vater als Eigentum besaß, hat man genommen. Meine Mutter ist tot, ich habe keine Geschwister, ich bin ganz allein in der Welt, meine Verwandten haben sich den Priestern beigesellt. Gut, ich will sehen, was man mit mir anfängt. Ich protestiere gegen das Kloster. Wird man mich dahin schleppen?«
»Man wird auf Sie, mein Fräulein, in Anbetracht Ihrer verlassenen Lage, durch Überredung und durch Lehre zu wirken suchen.«
»Nun, so beginnen Sie! Belehren Sie mich! Ich höre!«
»Diese Belehrung wird im Kloster vor sich gehen.«
»Ach, also im Kloster!« rief die Prinzessin, »wenn man bereits die Türen hinter mir zugemacht hat, dann will man mir beweisen, daß man ein Recht gehabt habe, mich hineinzustecken. Das nennt man betrügen, nach unserer Sprache!« –
»Bedenken Sie,« hub der Priester von neuem an, »daß die Welt Ihnen nichts bietet, was würdig Ihrer Achtsamkeit wäre, daß Sie im Kloster frühzeitig gegen alle Schmeichelkünste der Erde geschützt werden.«
»O, was diese Schmeichelkünste betrifft,« rief die junge Dame, »da soll man mir erst Zeit lassen zu untersuchen, ob sie in der Tat so verderblich für mich sind, als man es behauptet. Ich bin in die Schule bei meinem Vater gegangen, und der hat mich gelehrt, daß der albernste Unsinn, die verrückteste Dummheit, die verderblichste und boshafteste Lüge auf seiten der Pfaffen ist.«
Rodebert schwieg und gab einem Dominikaner, der ihm gefolgt war, einen Wink. Dieser näherte sich dem jungen Mädchen und bat sie aufzustehen. Die Prinzessin gehorchte. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Saales, und die Äbtissin der Benediktinerinnen erschien auf der Schwelle der Tür. Es war eine große imposante Figur, mit einem stolzen und befehlenden Ausdruck.
Die Prinzessin wandte sich ab und tat, als sähe sie sie nicht.
Rodebert hatte die Äbtissin mit einer tiefen Verbeugung begrüßt. Diese fragte mit einem stummen Winke, ob jene die Aufzunehmende sei. Auf die Bejahung schritt sie auf die Prinzessin zu, erfaßte ihre Hand und war bemüht, sie mit sich fortzuziehen.
»Madame, ich gehe nicht mit Ihnen!« rief die kleine Widerspenstige. »Und wenn ich gehen muß, so werden Sie sehen, daß Sie es zu bereuen haben.«
»Meine Tochter, folge mir!« rief die Matrone mit einer Stimme, der man den Gehorsam unmöglich versagen konnte. »Du wirst einmal die getreueste Dienerin des Himmels werden, und wozu man dich heute zwingen muß, übers Jahr wird es dein eigener Wille sein. Folge mir.«
Die Prinzessin blickte die Äbtissin an mit einer Miene, als wollte sie sagen: Woher weißt du das, was du mir eben gesagt? Allein sie schwieg, und beide verließen den Saal, von dem Priester ehrfurchtsvoll bis an die Tür begleitet. Als sie fort waren, ging eine Miene des Triumphes über das finstere Antlitz des Jesuiten. »Sie ist in sichern Händen! Kerker und Geißel warten ihrer. Der teuflische Unsinn, den ihr der wahnsinnige Vater beigebracht, er wird nicht lange standhalten gegen die Bemühungen dieser Weiber.«
»Ich kann nicht leugnen,« hub Georg an, »Sie kindliche Widersetzlichkeit der Kleinen hatte etwas Rührendes für mich! Die wenigen, weichen Worte der Äbtissin, welche sogleich beruhigend auf sie wirkten, machen mich glauben, daß mit irgendeiner menschlichen Behandlung die Bekehrung rasch vor sich gehen wird. Doch Strenge würde alles verderben; der würde sie Trotz entgegensetzen und diesen so weit treiben, daß ihr Leben auf dem Spiele stehen würde!« –
Georg blieb noch einen Tag. Es wurde manches zwischen den ehemaligen Verbündeten geredet; allein das Band des Vertrauens fehlte. Sie trennten sich, indem jeder der festen Überzeugung war, daß keiner den andern jemals Wiedersehen würde.
An der Grenze Languedocs nahm auch Paraclet von ihm Abschied. Der kleine Muselmann hatte den Wunsch, ihn begleiten zu dürfen; sein Pflegevater nahm dies sehr übel. »Wie?« rief er, »auf dem Wege zu deinem Heile, im Begriff, den Glauben anzunehmen, willst du mit dem fremden Herrn wieder in die Welt ziehen?«
»Allah ist groß!« rief der Bewunderer von Georgs heldenmütiger Gestalt.
»Aber du bist klein!« erwiderte der Pflegevater. »Begib dich wieder hinter mich auf deinen Platz, du gehst mit mir wieder fort.« Der Kleine gehorchte. Georg zog seines Weges weiter.