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Rückkehr an den Hof

Wir kehren zu dem Schicksal Georgs zurück. Während er sich in Hannover befand, waren Madeleine und Susanne in Celle bei einem Verwandten des Vaters. Der Zustand des armen Geschöpfes konnte der Frau, bei der sie wohnten, kein Geheimnis bleiben; man schrieb an den Arzt, und dieser beeilte sich, seine Geschäfte abzubrechen und mit Besorgnis und Liebe von der kranken Schwester zu der ebenfalls Erkrankten zu kommen. Als er ankam, legte ihm Madeleine eine aufrichtige Beichte ab, und der bekümmerte Vater wußte nun, woran er war. Sein erstes Gefühl war Unwille gegen Georg, der sein Versprechen gebrochen, alsdann griff eine mildere Ansicht um sich. Er vernahm, daß der junge Mann die feste Absicht hatte, durch das Band der Ehe sein Versehen wieder gutzumachen, und daß er nur auf die Rückkunft des Vaters gewartet hatte, um mit diesem über sein Vorhaben zu sprechen. Gervais wußte jedoch seinerseits sehr bestimmt, welche Ansicht seine Wohltäterin über eine Ehe Georgs und gerade über diese hatte, und er war entschlossen, lieber sein Kind der Verlassenheit preiszugeben, als die zu beleidigen, der er mit unendlichem Danke und mit warmer Ergebenheit verbunden war. Als Georg nach Celle kam, entdeckte er ihm diesen Entschluß. »Madeleine bleibt in meinem Hause!« rief er, »sie soll dort Schutz und väterliche Fürsorge für sich und ihr Kind finden, das ich wie mein eigenes lieben werde, aber von einer Ehe mit Euch kann nicht früher die Rede sein, als bis die Herzogin ihre Augen geschlossen. Überdauert Ihr, mein Freund, diese, hoffentlich noch lange Zeit, und seid Ihr dann noch frei, so kommt und holt sie Euch.«

Von diesem Entschluß war bei dem festen Charakter des Arztes keine Änderung zu erwarten. Er hatte sich einmal über diese Angelegenheit ausgesprochen, er erwartete, daß man sich danach richten werde. Madeleine hing an Georgs Halse, und dieser tröstete sie, so gut er konnte. Man machte aus, daß Georg jetzt nach Paris zurückreisen sollte und der Herzogin, ohne doch das mindeste von dem, was vorgefallen, zu erwähnen, Bericht abstattete über die Dinge in Hannover, die er mit erlebt hatte, und unterdessen sollte Madeleine ruhig im Hause ihres Vaters den Verlauf ihres Zustandes abwarten. Briefe sollten Georg in Kenntnis erhalten, wie es mit dem Arzte stände. Arturs Schicksal war um vieles glücklicher. Er erhielt Susanne und dachte dann in der Nähe von Hannover sich einzukaufen, um dort bei dem Vater und der Schwester zu wohnen. Georg nahm mit traurigem Herzen von den Lieben Abschied und wählte, von Briefen der Kurfürstin begleitet, seine Straße nach Paris.

Er kam dort an, als bereits alle Stürme, die dort wüteten, ausgetobt hatten. Der junge Herzog war bereits vermählt und im Begriff, Vater zu werden. Des Dauphins ältester Sohn, der Herzog von Burgund, näherte sich seinen Jünglingsjahren, während der zweite Bruder, der Herzog von Anjou, nachmaliger König von Spanien, ein schönes Kind war, dem nur der Fehler anhaftete, daß sein Wuchs nicht ganz gerade war, was bei dem Herzog von Burgund ebenfalls stattfand und sich hier so weit steigerte, daß er völlig bucklig geworden war.

Herzog von Berri war das jüngste Kind des Dauphins, und bald nach der Geburt dieses Sohnes starb die Dauphine an Zufällen, welche vermuten ließen, daß sie Gift bekommen habe. Hiermit war das Zeichen gegeben zum Beginn der zahllosen Unglücksfälle, die die Familie des Königs im Verlauf weniger Jahre betreffen sollten, und die fast alle ein zweifelhaftes Ansehen hatten, so daß immer wieder die Vermutung sich einstellte, sie seien nicht die Folge natürlicher Krankheitsfälle, sondern Ergebnisse frevelhaften Verfahrens.

Es wird hier Zeit sein, etwas über die übrigen Kinder des Königs zu sagen. Von dem Grafen Vermandois und seinem Tode haben wir schon gesprochen. Er war ein bildhübscher junger Mann von siebzehn Jahren, als er starb, und man sagt, daß jene Leidenschaft daran schuld war, der er sich rücksichtslos überlassen, und die ihm der junge Marjan, Lorraine und die Lieblinge des Herzogs mitgeteilt hatten. Seine Schwester, das erste Fräulein von Blois, eine liebenswerte junge Dame, ward von dem Könige sehr vorgezogen und von ihm dem Prinzen von Conti angetraut, den eine Fraktion des polnischen Reichstages zum König wählte, der jedoch von August dem Starken verdrängt wurde. Er lebte so ausschweifend, daß sein nicht sehr kräftiger Körper frühzeitig unterlag. Diesen beiden Kindern der Herzogin von Lavallière folgten die der Montespan. Da war der Graf von Vexin der älteste; er war Abt von St. Denis und starb im Alter von elf Jahren. Von dem Herzog von Maine haben wir schon gesprochen. Nach dem Porträt, das der Herzog von St. Simon von ihm machte, war er einer der schwärzesten Dämonen der Hölle, gebannt in eine liebenswerte Form voll schmeichelnder Freundlichkeit, aber tückisch, boshaft, verschlagen, wo er es nur glaubte sein zu dürfen. Der Verlauf unserer Geschichte wird ihn uns zeigen, wie er war; der Beginn derselben hat es bereits versucht, wenn wir uns erinnern, mit welcher Ergebenheit und Freude er den teuflischen Auftrag ausführte, der seine Mutter um alle ihre Hoffnungen brachte. Er war der Frau von Maintenon unbedingt ergeben, die ihm dies mit gleicher Gunst vergalt. Seine Schwester, das Fräulein von Nantes, war eine angenehme, liebliche Erscheinung, die auf den König stets eine wohltuende Wirkung machte. Sie glich einer schönen Schlange, die bunt von Farbe im Gebüsch dahinglitt, die aber ihren giftigen Zahn hatte, den sie brauchte, gegen wen sie gerade wollte. Ihrer Spottsucht, ihrer Satire entging nichts. Sie war es gewesen, die bei Gelegenheit der Verheiratung des Königs mit Frau von Maintenon ein beißendes Epigramm veröffentlichte, das den Zorn des Monarchen in einem Grade reizte, daß er Auftrag gab, um jeden Preis den Verfasser aufzufinden. Man sagte ihm, daß es von seiner eigenen Tochter stamme, und er befahl, jede Untersuchung niederzuschlagen. Ein zweites Spottgedicht entstand bei Gelegenheit, als ihre Schwester den Herzog von Chartres heiratete. In diesen Versen warf sie ihr die Neigung zum Genuß geistiger Getränke vor. Die Herzogin erwiderte ihr in einem ebenfalls beißenden Epigramm, daß sie nicht zur Dichterin geboren sei und besser täte, Apollos Lyra unberührt zu lassen. Sie war eine lebhafte Feindin der Frau von Maintenon, der sie auf alle Weise Possen spielte, und zwar waren diese oft sehr kränkender Natur. Der König verheiratete sie mit dem Herzog von Bourbon, wodurch sie Schwiegertochter des großen Condé wurde. Die zweite Tochter ist das uns bereits bekannte zweite Fräulein von Blois, die den Herzog von Chartres heiratete.

Diesen folgte der Graf von Toulouse, verheiratet mit einem Fräulein von Noailles. Dieser junge Mann war ein sanfter, gutgesinnter Charakter, der sich wenig in die Händel bei Hofe mischte, und den man nie umsonst aufforderte, wenn es galt, ein Versöhnungswerk oder irgendeine friedfertige und wohltuende Handlung zu begehen.


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