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19
Die Werbung

Die beiden fremden Herren waren noch da. Der Maler malte. Es war ein wunderliches, verstecktes, bewegtes Leben auf der Burg.

An einem Morgen saß die Prinzessin in einer Laube im Garten, der Kurfürst kam hinzu und setzte sich zu ihr, indem er freundlich den Arm um ihren Nacken schlug. »Was machst du hier, mein liebes Kind, so einsam, so allein?«

Die Prinzessin erwiderte, daß soeben erst die Raugräfin sie verlassen habe, die hinaufgegangen sei, um etwas zu besorgen.

Der Fürst schwieg. Er spielte mit den Ringen seiner goldenen Kette.

»Werden die französischen Herren noch lange hierbleiben?« fragte die Tochter.

»Weshalb nennst du sie so fremd?« entgegnete der Kurfürst. »Der eine behauptet, mit dir bekannt zu sein.«

»Mit mir bekannt?«

»Einst, vor mehreren Jahren, hat er dich als Kind gesehen und dir ein kleines, goldenes Bild geschenkt,« bemerkte der Vater.

»Ach, also ist er es doch!« rief Charlotte lebhaft. »Es war mir, als hätte ich ihn im Traum gesehen, er war damals ein junger, hübscher Mann.«

»Er kommt jetzt, um sein Andenken bei dir zu erneuern.«

»Wozu die vielen Umstände? Er hätte es lassen können,« erwiderte die Prinzessin. »Man kennt sich und man kennt sich nicht, weil man einander vergessen hat.«

»Er will aber von dir nicht vergessen sein.«

»Gar zu gütig. Was haben Eure Liebden da?«

Der Kurfürst zeigte ihr ein Bild in Miniatur, das er in der Hand hielt. »Wie gefällt dir dieser Herr, liebes Kind?«

»Ach, abscheulich!« rief sie, »er hat ja eine entsetzlich lange, rote Nase, und der Mund, wie ist der geziert und gekniffen. Dabei scheint er ein vornehmer Herr zu sein.«

»Sogar sehr vornehm!« erwiderte der Vater lachend, »so vornehm, daß man darüber sein unschönes Wesen vergißt.«

»Ich nicht,« rief Charlotte. »Und wie mag er erst in der Natur sein, denn die Maler schmeicheln immer. Eure Liebden haben die Güte, dem Herrn Chouan zu befehlen, daß er mir nicht schmeicheln soll.«

»Tut er das?«

»Gewiß. Ich sehe es schon; er macht aus mir eine hübsche Person!« rief die Prinzessin.

»Liebes Kind, in der Welt regiert der Schein,« sagte der Kurfürst. »Wenn du nur dem Manne, für den das Bild ist, gefällst, das ist die Hauptsache.«

»Dem Manne? Also ist es für einen Mann bestimmt?«

»Für diesen!« rief der Fürst und zeigte auf das Bild, das er in der Hand hielt.

»Um Gotteswillen!« rief die Prinzessin aufgeregt. »Soll ich diesem Manne gefallen? Es ist wohl gar der für mich bestimmte Bräutigam, von dem du stets in dunklen Reden gesprochen hast? O, Vater, Vater, wenn das wäre! Wenn du, ohne mich zu fragen, mich verkauft hättest! Ich könnte des Todes sein, wenn das wahr wäre! Aber es ist nicht wahr! Sprich, es ist nicht.«

»Laß das jetzt!« rief der Fürst lächelnd, »wir wollen ein anderes Mal davon sprechen.«

Die Prinzessin stürzte sich an seinen Hals. »Nun siehst du!« rief sie, »ich habe es gleich gesagt, das ist ein Scherz von dir. Nun ist alles gut.«

Der Kurfürst stand auf und machte sich bereit zu gehen. Die Aufregung, in der sich seine Tochter befand, war ihm nicht lieb. Er hatte geglaubt, der Angriff, den er auf sie beabsichtigt, würde sie gefaßter und ruhiger finden. Es war seine einzige Tochter: in diesem Augenblick wurde es ihm schwer, ja fast unmöglich, ihr den Abschluß der Verhandlungen zu entdecken, die ihretwegen stattgefunden hatten. Er war sogar im Zweifel, ob er nicht den ganzen Plan aufgeben, die Gesandten mit abschlägiger Antwort zurücksenden sollte; auf der andern Seite war der Antrag zu schmeichelhaft. Die Aussicht, mit Ludwig XIV. in Verbindung zu treten, der damals für alle Höfe als Ideal eines Herrschers, wie er sein sollte, galt; die Ehre, einem Hofe anzugehören, wo die feinste Sitte, der vornehmste Adel, die schönsten Frauen regierten, hatte für einen Kurfürsten von der Pfalz etwas so Blendendes, daß er im Moment darauf wieder fest bei seinem Entschluß beharrte; nur wollte er jemand anders beauftragen, ihn der Prinzessin kundzumachen. Die Raugräfin entzog sich einem Auftrage, dem sie sich nicht gewachsen fühlte und der ihr, wie sie fürchtete, die Liebe und das Zutrauen des Mädchens auf immer entziehen könnte. So war denn niemand da als Frau von Rathmannshausen, die mit der Frau von Hörling zusammen die Erziehung der Prinzessin geleitet hatte, und die ihr jetzt nach Heidelberg gefolgt war. Es war eine stille, freundliche Frau und von der Prinzessin aufrichtig geliebt.

Eine Stunde darauf, als der Kurfürst gegangen, das Porträt jedoch auf dem Tische hatte liegen lassen, zeigte sich die Frau von Rathmannshausen am Eingange der Laube.

Die Prinzessin war in tiefe Gedanken versunken und merkte anfangs den Eintritt der ältlichen Dame nicht, die Frau Rätin näherte sich ihr mit einem Briefe in der Hand.

»Ach, seid Ihr da, liebe Frau?« sprach die Prinzessin.

»Ich bringe ein Schreiben aus Hannover,« sagte die Rätin, »es ist von Frau von Hörling und einen Gruß der Frau Kurfürstin schließt es ein.«

Charlotte nahm den Brief, öffnete ihn und legte ihn dann beiseite. »Ich kann nicht lesen!« rief sie, den Kopf wieder auf den Arm gestützt. »Mein Auge ist trübe, der Papa ist hiergewesen und hat mir so wunderliche Dinge gesprochen. Es ist eine traurige Zeit heutzutage. Junge Leute läßt man nicht jung und glücklich sein!«

»Welch ein schöner Mann,« rief die Rätin, das Porträt betrachtend.

»Der Vater hat es hier liegenlassen!« sagte die Prinzessin unmutig und dem Weinen nahe. »Geh, bringe es ihm zurück.«

»Weißt du auch, wer es ist, liebes Lottchen!« fragte die Rätin in dem Tone vertraulicher Rede, der ihr vergönnt war.

»Mir gleich!« entgegnete Liese.

»So rate einmal!« fuhr die ältliche Dame fort.

»Ich kann es nicht. Es ist ein Mensch, der sich mir nähern will!« rief die Prinzessin, »schon das ist genug, ihn mir zuwider zu machen.«

»O Jesus! Wer wird denn gleich so sein! Ich würde doch fragen, wer derjenige sei, der mich zur Frau begehrt,« bemerkte die Rätin tröstend.

»Nun, und wer ist es?«

»Der Bruder des Königs von Frankreich.«

Charlotte sah auf und blickte lange Zeit mit Staunen der Rätin in die Augen. Dann nahm sie nochmals das Bild, betrachtete es und legte es dann wieder hin, indem sie leise vor sich hin sagte: »Sehr viel Ehre!«

»Das ist es auch!« triumphierte die Rätin. »Kind, eine solche Heirat, darnach gelüstet es so manche Königstochter, so manche Erzherzogin. Du wirst in Paris einziehen! In Paris, denke dir das! Du wirst den groben König sehen, den wir alle bewundern! Er wird dich als Schwester empfangen. Kann man mehr Glück wünschen und verlangen? O Kind, wenn du da nicht mit beiden Händen zugreifst, so machst du, daß ich alte Frau den Verstand verliere. Kann eine irdische Glückseligkeit wohl jemals höher getrieben werden! Kann dein fürstliches Haus wohl je auf eine Ehre rechnen, die dieser ähnlich kommt? Von neuem kommen die Zeiten für uns, wo wir die Hand nach Königskronen ausstrecken, von neuem die Zeiten, wo der prachtvollste Glanz sich vor unseren erstaunten Blicken auftut.«

Die Prinzessin hörte diese Rede, indem sie mit dem Kopfe schüttelte und vor sich hinsah.

»Was soll ich sagen?« fuhr die alte Dame fort. »Soll ich noch sagen, daß dein Vater, daß Seine fürstliche Durchlaucht, der gnädigste Herr Kurfürst, es will? Soll ich sagen, daß Ihre Mutter, edles Fräulein, es ebenfalls will, daß Ihre hohen Verwandten, die gnädigste Tante von Hannover und die Äbtissin von Herford, es ebenfalls wollen, und daß endlich Eure treue Dienerin, die jetzt zu Euch spricht, nebst Frau von Hörling nichts mehr wünschen und verlangen, als unsere geliebte Fürstin zu dem Range einer Tochter von Frankreich erhoben zu sehen? Ach, ist denn das alles nicht genug, nicht übergenug, um Euer Herz dem Bunde zuzuwenden, welcher Euch vorgeschlagen wird?«

Die Prinzessin erhob sich und sagte mit fester Stimme: »Sagt, liebe Juliane, denen, die Euch zu mir gesendet haben, daß ich in diese Ehe nicht willige, daß ich nicht heiraten will und werde.«

Sie stand auf und entfernte sich, obgleich die Rätin sich alle Mühe gab, sie festzuhalten. Wie sie durch den Garten ging, sah sie Georg am obern Ende eines Baumganges stehen und sie mit liebenden Augen verfolgen. »Lieber Vetter!« sagte sie sanft, »seid getrost, ich willige nicht ein. Man will mich zu einer Heirat zwingen, aber ich – ich will nicht.«

Wieder entschlüpfte sie in ihr Kabinett, schloß hinter sich ab und warf sich auf ihr Ruhebett.


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